Kapitel 12 ~ Zweifel

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PoV Lyn

Plötzlich hörte ich es hinter mir kichern und sah Lena auf mich zu kommen.
"So nervös habe ich Wrench schon lange nicht mehr gesehen."
"Was meinst du?" fragte ich mit gerunzelter Stirn. Das Wort Nervös war mir zwar bekannt, aber ich konnte nichts damit verbinden.
Lena lächelte nur und klopfte mir auf die Schulter.
"Bald wirst du alles verstehen. Eigentlich müsstest du schon die ersten Emotionen wahrnehmen können."
Ich dachte kurz nach, bis mir etwas einfiel.
"Ich habe eben an Lina gedacht. Da hatte ich so einen Druck in der Brust. Hier am Herz. Meinst du, ich bin krank?"
Lena lächelte breiter und stellte sich direkt vor mich. Dann legte sie eine Hand an meine Brust, direkt über dem Herz.
"Deinem Herz geht es gut Lyn. Du vermisst nur unsere kleine Schwester. Und das tue ich auch. Aber es war die richtige Entscheidung zu gehen. Zumindest für mich. Gefällt es dir hier draußen? In der Freiheit?" Lena trat einen Schritt zurück und verschränkte ihre Arme.
Mein Blick ging an ihr vorbei und ich sah Wrench, wie er dabei half eine Regenschutz aufzustellen, um das Wasser zum Trinken und Kochen abzufangen.
Lena folgte meinen Blick und musterte mich danach intensiv, mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte.
"Ich mag die Freiheit. Alles ist so offen und sieht schön aus. Und riecht gut. Aber ich habe trotzdem ein komisches Gefühl mittlerweile. Ich weiß nicht was noch kommt und das beunruhigt mich."
Lena nickte verständnisvoll.
"Du hast Angst. Das ist nur logisch, hier ist alles neu für dich. Aber keine Sorge, wir werden dir alle helfen." Lena legte ihre Arme um mich und drückte mich kurz.
Unbeholfen erwiderte ich die Umarmung kurz.
"Lena! Lyn! Kommt was essen!" rief Blaze uns zu und wir gingen zusammen zum Lagerfeuer. Es saßen nicht viele Leute dort. Wir waren eine Weile alle zusammen unterwegs gewesen und viele aßen jetzt bei sich alleine im Zelt, vermutlich erleichtert etwas Privatsphäre zu haben.
Ich setzte mich neben Lena und Blaze reichte mir eine Schale mit Suppe. Eigentlich war es mehr Brühe, mit ein paar Möhren und ein paar Fleischresten, die wir noch von gestern übrig hatten. Heute waren alle so mit dem Aufbau beschäftigt gewesen, dass niemand jagen gegangen war.
Mir war klar, dass hier draußen nicht immer so ausgewogen und stattlich gegessen wurde, wie in den Utopien, dennoch konnte ich mir ein missmutiges Seufzen bei diesem Anblick nicht verkneifen. Ich hätte so gerne frisches Obst. Etwas Reis. Oder Pudding.
Und der Gedanke an mein hartes Brett von Bett ließ mich auch keine Freundensprünge machen.
Vielleicht war das hier doch nicht das richtige für mich?

PoV Wrench

Ich sah, wie Lyn das Gesicht verzog und die Suppe offenbar nur widerwillig zu sich nahm. Die Umstellung des Essens war definitiv nicht einfach und es hatte mich zu Beginn sehr überrascht, dass sein Magen nicht mehr protestiert hatte.
Aber abgesehen vom Essen, schien Lyn alles andere als zufrieden gerade und der Gedanke missfiel mir.
"Hey Wrench." Rosa, eine nette junge Frau, die sich uns vor zwei Monaten angeschlossen hatte, setzte sich neben mich.
"Ich hatte mich gefragt, ob du nach dem Essen mit in mein Zelt kommen möchtest? Wir haben uns alle etwas Entspannung verdient, vor allem du. Du hast den ganzen Tag so hart gearbeitet."
Es war nicht das erste Mal, dass Rosa mich in der kurzen Zeit zu sich einlud. Und normalerweise nahm ich an. Zu meiner Schande musste ich zugeben, dass ich mit beinahe jedem hier in meinem Alter schon mindestens einmal was gehabt hatte. Egal ob Mann oder Frau.
Allerdings war ich damit keine Ausnahme, es war hier ziemlich normal eigentlich. Wir waren auch eine große Gruppe.
Aber heute stand mir nicht der Sinn danach.
Oder nein, mir stand nicht der Sinn nach Rosa. Oder Blaze. Oder jemand anderen.
Ich hatte andere Pläne.
"Tut mir leid Rosa, ich werde Lyn ein wenig die Gegend zeigen. Vielleicht ein anderes mal."
Ohne sie weiter zu beachten, stellte ich meine leere Schale auf den Boden und ging zu Lyn, der sich leise mit Lena unterhielt.
"Hey. Lyn, ich dachte, du willst dich vielleicht waschen. Circa zehn Minuten von hier ist ein klarer See. Soll ich ihn dir zeigen?" Lena hob eine Augenbraue und sah mich warnend an, aber ich ignorierte sie.
"Das klingt gut. Ich muss mich dringend ein bisschen abkühlen."

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