Kapitel 2 - Distopia

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PoV Wrench

"Beeil dich Wrench!" fuhr Blaze mich an und zog an meinem Ärmel. Gereizt zog ich meinen Arm wieder in den Käfig und hielt drohend den rostigen Nagel in die Luft.
"Wenn du mir weiter auf die Nerven gehst mein Freund, stech ich dir hiermit deine hübschen Augen aus." Blaze hob abwehrend beide Hände und trat einen Schritt von mir zurück. Jetzt lehnte ich mich wieder gegen die Gitterstäbe und versuchte mit dem Nagel das Schloss zu knacken. Nach ein paar Anläufen hörte ich endlich das erlösende 'Klick' und das Schloss sprang auf.
"Perfekt. Jetzt lass uns abhauen." Hastig verließ Blaze den Käfig und ich folgte ihm wachsam. Ich wusste nicht, wie viele Leute sich hier noch herumtrieben, deswegen sollte man uns besser nicht entdecken.
Eigentlich.
"Also ich bin ein großer Fan von 'Leben und leben lassen' aber die Gedanken von Menschen die Menschen essen wollen, entziehen sich doch meinem Verständnis." plapperte ich drauf los und Blaze sah mich entrüstet an.
"Sei leise!" zischte er und ging in geduckter Haltung weiter, während ich ihm entspannt folgte. Wenn jemand in unsere Nähe kam, würde ich ihn hören, meine Ohren waren sehr gut. Leider zweifelte Blaze an diesem Talent.
"Da ist eine Wache. Aber er schläft." flüsterte Blaze, als ich um eine Ecke ging.
Scheinbar hatten uns diese Menschenfresser in ein altes Familienhaus verfrachtet und diese Person sollte aufpassen, dass das Essen nicht davon lief.
Scheiße gelaufen, würde ich sagen und zu allem Überfluss war die Türe nicht mal abgeschlossen. Ich seufzte.
"Das macht ja nicht mal Spaß." nuschelte ich und folgte Blaze aus dem Haus.
Aber aus den Augenwinkeln sah ich etwas, was mich innehalten ließ.
Ich blieb ruckartig stehen, ging ein paar Schritte rückwärts, sodass ich wieder im Haus stand und sah zu der Wache.
Mir lief das Wasser im Mund zusammen.
"Wrench! Was ist?" fuhr Blaze mich an, der bemerkt hatte, dass ich nicht hinterher kam.
Ich deutete auf die rote Frucht in der Hand der Wache.
"Vergiss es, Wrench. Zu gefährlich. Können wir jetzt gehen? Ich will nicht als Braten enden. Das wäre mir wirklich peinlich." Ich leckte mir einmal über die Lippen und ignorierte Blaze.
Ich wollte diesen Apfel wirklich. Das letzte Mal hatten ich so einen vor zwei Jahren oder so gegessen, also als ich zwanzig geworden war. Mein Bruder hatte ihn mir damals geschenkt.
Leider war er seit vier Monaten verschwunden und mittlerweile nahm ich an, dass er tot war.
"Wrench!" zischte Blaze, als ich auf die Wache zuging, darauf bedacht leise zu sein. Meine Stoffschuhe machten so gut wie keinen Laut und ich beobachtete das Gesicht der Wache intensiv, als ich seine Finger von dem kleinen Stück Himmel löste.
Schnell schnappte ich mir die Frucht und stopfte sie in meine Tasche. Ich sah mich nochmal kurz um, vielleicht bräuchte wir noch etwas anderes, aber Blaze wurde es wohl zu viel, er packte meinen Arm und zog mich raus.
Kurz hielt ich mich noch am Türrahmen fest und schnappte mir den Rucksack von der Wache. Selbst wenn nichts Nützliches darin war, würde er sich bestimmt darüber ärgern. Alleine die Vorstellung genügte schon.
Sobald wir das Haus, oder jetzt nur noch Ruine, verlassen hatten, fingen wir an zu laufen. Das waren wir schon gewöhnt, an manchen Tagen liefen wir mehrere Kilometer am Stück um vor irgendwelchen Dingen abzuhauen, die uns fressen wollten. Blaze war immer schnell genervt, ich amüsierte mich prächtig.
Nachdem wir in ein kleines Waldstück gelangt waren, hielten wir an und Blaze holte seine Lederflasche heraus und trank einen Schluck Wasser. Dann reichte er sie mir und auch ich nahm einen kleinen Schluck.
"Wir müssen auf dem Rückweg nach einem Bach Ausschau halten." stellte Blaze fest und lehnte sich gegen einen Baum.
"Dein Vater wird uns umbringen, weil wir schon wieder abgehauen sind." lachte ich und Blaze verdrehte die Augen.
"Ja stimmt. Aber er kann es uns nicht verbieten." Ich nickte zustimmend. Auch wir lebten in einem Stamm zusammen. So war es einfach sicherer. Aber Regeln gab es keine. Wir beschützten uns gegenseitig, das war das einzige, was wir von der Gruppe erwarteten. Der Rest wurde spontan geregelt. Essen bekam nur, wer sich welches besorgte, Alte mussten auf ihre Kinder vertrauen, Kinder auf ihre Eltern. Allerdings gab es hier draußen nicht so viele anständige Familien. Das war eher die Ausnahme.
Im Stamm geborene Kinder wurden auch vom Stamm erzogen. Oder zumindest passte der Stamm auf das Kind auf, bis es eine Waffe halten konnte.
Ich hatte in Büchern von der Liebe gelesen. Aber sie war wahrscheinlich zusammen mit dem Großteil der Menschen im großen Krieg gestorben.
Gerade noch im Gedanken, fiel mir wieder etwas ein.
Ich nahm begeistert den Apfel aus meiner Tasche und schnitt ihn mit meinem Messer in zwei Hälften.
"Hier." Eine reichte ich Blaze und ein kleines Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
"Danke." Er biss ein Stück ab und sah mich nachdenklich an.
"Was sollen wir heute noch machen? Ich meine, wir sind schon entführt und fast gegessen wurde und es ist noch nicht mal Mittag. Wie können wir das toppen?" Ich legte ein Stück von dem Obst auf meine Zunge und meine Geschmacksknospen explodierten vor Freude. Das war ja fast besser als Sex.
Ich ließ meinen Blick über Blazes Körper wandern.
Apropo Sex....

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