Kapitel 4 ~ Nach Osten

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PoV Wrench

"Wo sind wir gerade, Wrench?" fragte Ivan und sah ein wenig ratlos auf die gezeichnete Karte. 
"49° 0' 34" Nord, 8° 24' 15" Ost" antwortete ich ohne hinzusehen, während ich Wasser aus einem Brunnen in meine Flasche füllte.
"Klartext, bitte!" forderte Ivan mich genervt auf und ich verdrehte die Augen.
"Karlsruhe. Nähe der französischen Grenze. Wir sollten nach Osten gehen, sonst kommen wir eventuell zu nah an Paris. Und das mache ich definitiv nicht nochmal." Der ehemalige Standort der Stadt der Liebe war eine der ersten Utopien gewesen und war somit auch heute noch eine der größten und modernsten. Allerdings waren sie sehr verschlossen und nicht gerade freundlich zu fremden. Wir waren einmal im Radius von zweihundert Kilometer um Paris gewesen und man hatte uns sofort einen Trupp auf den Hals gehetzt. Angeblich würde wir ja nur kommen, um ihre Vorräte zu stehlen und ihre Leute zu bedrohen.
Unsinn.
Wir stahlen und bedrohten uns nur untereinander.
"Gute Idee. Im Osten war ich das letzte Mal vor dreißig Jahren. Dort sollte es mittlerweile wieder genug Wild geben." stimmte Ivan mir zu.
"Stoßen wir auf dem direkten Weg nach Osten auf Utopien?"
Jetzt musste ich doch einen Blick auf die Karte werfen. Ich kannte nicht den Standort jeder Utopie auswendig. Nur die der meisten.
"Auf direktem Weg nicht. Die nächstgrößere Stadt in deren Nähe wir kommen könnten ist Nürnberg. Eine relativ kleine Utopie, da sollten wir nahe ran kommen." Ivan nickte. Je näher man an eine Utopie herankam, desto mehr Nahrung fand man. Die meisten von uns blieben diesen nämlich lieber fern.
"Wir gehen in den Osten?" fragte Blaze, der gerade zu uns stieß.
"Ja. Wir wissen nicht genau, wie groß Paris Radius geht. Wir können nicht weiter in den Westen. Wrench, wie weit können wir Richtung Osten, ohne Angst haben zu müssen, dass uns ein dritter Arm wächst?" Ich lachte kurz auf.
"Hier in Mitteleuropa eher unwahrscheinlich. Bis zur Tschechischen Republik und Polen einschließlich sollten wir ohne Probleme kommen. Danach könnte die Strahlung bedenklich werden, aber nicht lebensbedrohlich. Zumindest nicht direkt." Ivans Blick wanderte angestrengt über die Karte.
Sie war kaum beschriftet, sie war immerhin von mir selber abgezeichnet aus einem Buch. Dieses hatte aber seltsamerweise keine Beschriftungen, also kannte ich die Orte nur aus Fließtexten.
"Polen ist hier. Und Tschechien hier." Ich deutete auf die beiden Punkte auf der Karte.
"Okay. Alles klar. Dann würde ich sagen wir gehen bis nach Nürnberg und von dort aus Richtung Ostsee. Ein wenig fischen. Seid ihr beide einverstanden?" Ich nickte und auch Blaze stimmte zu.
"Gut. Dann werde ich noch die anderen fragen, ob sie mitkommen wollen oder lieber alleine wo anders hin gehen." Ivan rollte die Karte zusammen und machte sich auf dem Weg zum Lagerfeuer, an dem gerade der restliche Stamm saß und das Wildschwein kochte, welches Kai und Revo erlegt hatten.
"Glaubst du, dass ist eine gute Idee? Als wir beide das letzte Mal im Osten waren bin ich ziemlich krank geworden." gab Blaze zu denken, während wir zu unserem provisorischen Zelt gingen.
"Das hatte aber nichts mit Strahlung zu tun, Blaze. Ich hab dir gesagt, du solltest das Tümpelwasser nicht trinken." Blaze schnaufte nur und setzte sich auf sein Bett. Als ich mich zu meiner Hälfte des 'Zimmers' umdrehte, erkannte die Adelia, die auf meinem Bett saß und ein blutiges Tuch auf ihre Hand drückte.
"Ich bin beim Holztragen abgerutscht. Normalerweise bitte ich dich nicht um Hilfe, das weißt du, aber da sind noch Splitter in der Wunde."
Ich nahm das Tuch von ihrer Hand und sah mir den Schnitt an. Man sah sofort, dass da so einiges in der Wunde war, was da nicht hingehörte.
"Blaze, versteckst du immer noch die Falsche Whisky unter deinem Bett?" Erschrocken sah Blaze hoch.
"Whisky? Was für Whisky?" Ich hob meine Augenbrauen und streckte die Hand aus. Zähneknirschend griff er unter sein Bett und warf mir die Flasche zu.
Kurz scannte ich die Flüssigkeit darin.
Nicht optimal, aber besser als nichts.
"Okay, versuche mal die Finger ein bisschen auszustrecken, damit ich alles sehen kann." forderte ich sie auf und nahm die Lupe und die Pinzette von meinem Tisch.
"Also der Schnitt ist nicht tief. Nur die obere Hautschicht. Aber saubermachen müssen wir es trotzdem, sonst entzündet es sich. Nähen muss ich es aber nicht." erklärte ich Adelia, die die Augen zusammenkniff als ich vorsichtig die kleinen Splitter aus der Wunde holte.
Nachdem sich schon ein kleiner Haufen gebildet hatte, was ich endlich fertig.
"Jetzt nochmal Zähne zusammen beißen." Adelia drehte den Kopf weg und ich schüttete großzügig den Alkohol über die Wunde.
"Okay. Wir haben leider keine Verbände mehr, ich mach also ein großes Pflaster drauf, dann darfst du die Hand aber auch nicht zu sehr belasten. Am besten so gut wie gar nicht, die nächsten Tage. Blaze hilft dir sicher mit deinem Zelt." Ich hörte Blaze leise fluchen und Adelia bedankte sich, bevor sie das Zelt verließ.
"Wieso ich? Hilf du ihr doch!" fuhr Blaze mich an.
"Ich kann. Ich plane unsere Reisen in den Osten." antwortete ich grinsend.

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