Kapitel 23 - Sansa

56 4 0
                                    


Zum ersten Mal, seitdem sie bei Cersei arbeitete fühlte Sansa sich nach einem Arbeitstag wirklich geschafft.
„Kein Wunder!", murmelte sie leise, während sie sich über den Tisch beugte und versuchte einen Fleck auf der Tischplatte wegzubekommen, den irgendjemand mit Schokosauce hinterlassen hatte.Die Nacht zuvor war schon schlimm genug gewesen... oder die davor... oder die davor.
Wenn sie ehrlich war, dann konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wann sie zum letzten Mal eine Nacht durchgeschlafen hatte.

Sie hätte zu Hause bleiben können, natürlich, ihre Mutter hatte es ihr freigestellt, als sie sie mit einem Lächeln (und viel zu spät) geweckt hatte, doch Sansa hatte nur den Kopf geschüttelt.
Die Arbeit lenkte sie ab.
Die Arbeit war so ziemlich das einzige, was in ihrem Leben noch annährend normal lief, zumindest in den letzten Wochen und lieber arbeitete sie 3 Tage in Cerseis Cafe durch, als mit Arya am Frühstückstisch zu sitzen, die sie musterte, als würde sie sie jederzeit abstechen.
Das könnte zwar etwas schwierig sein, wenn man bedachte, dass ihre Mutter in der Nacht zuvor alle ihre Messer konfisziert hatte, doch Sansa war sich sicher, dass ihre kleine Schwester...
„Ist der Laden nun endlich geschlossen?"

Eine kühle Stimme durchzuckte den Raum und ließ sie ihre Gedanken ein für allemal vergessen. Mr. Lannisters... Mr. Tywin Lannisters, wie sie sich erinnerte, Stimme drang aus dem kleinen Büro, dessen Tür weiterhin geöffnet stand, auch wenn es Sansa nicht wirklich kümmerte. Er wollte wohl mit seinem Sohn nur die Bilanzen durchsprechen, die er den ganzen Tag lang geprüft hatte.
Sie hatte ihn noch vor sich, wie er an einem der Tische gesessen hatte, die Augen auf die Unterlagen vor sich gerichtet und mit einem Bleistift so feine Linien gezogen hatte, dass sie sie kaum hatte sehen können, wann immer sie sich zu ihm gebeugt hatte, um ihm Kaffee nachzufüllen.
Sie hatte es mit einem Lächeln getan, ein Lächeln und ein paar nette Worte, doch er hatte sie nie erwidert.
Nur ein einziges Mal hatte er von seinen Unterlagen aufgeblickt, sie für einen Moment angesehen und mit seinen tief grünen Augen eiskalt gemustert.
„Du bist die älteste Tochter von Mr. Stark und Miss Tully, nicht wahr?", hatte er sie kurz gefragt und den Blick wieder abgewandt, kaum dass Sansa verschüchtert genickt hatte, ihr mehr als deutlich gezeigt, dass er seine Ruhe wollte und sie lediglich widerwillig duldete, wenn er sie brauchte, um ihm den Kaffee nachzufüllen, den er irgendwann um die Mittagszeit durch Tee ersetzen ließ, auch wenn selbst der heiße Tee (auf den er trotz der Hitze bestand) seine eiskalte Aura nicht aufzutauen vermochte.

„Vielleicht war es ja deswegen so leer!", dachte Sansa stumm, den Kopf noch immer über den Fleck auf dem Tisch gerichtet, der unter ihrem beständigen Wischen langsam tu verblassen schien.
Tatsächlich war den ganzen Tag über nur äußerst wenig los gewesen... weniger als sonst, was vielleicht daran gelegen hatte, dass die meisten ihrer Kunden nur etwas zum Mitnehmen bestellt hatten, als sie Mr. Lannister erblickt hatten, der die ganze Zeit ohne jegliche Unterbrechung am Tisch gesessen und sich höchstens bewegt hatte, um eine Seite umzublättern oder den nächsten Ordner zur Hand zu nehmen.
Ansonsten hatte er nichts getan, war nicht aufgestanden oder zur Toilette gegangen (ein Wunder, nach den Mengen an Kaffee und Tee, die er in sich hineingekippt hatte, doch irgendwann hatte Sansa aufgehört darüber nachzudenken und akzeptiert, dass man jemandem wie Tywin Lannister keine menschlichen Bedürfnisse unterstellen konnte).
„Ist der Laden nun endlich...!"
„Ja, Vater, schon längst!"
„Und Miss Stark? Ist sie...?"

Sansa atmete kurz und scharf ein, als sie ihren Namen hörte und zum wiederholten Mal wurde ihr klar, dass sie eigentlich gar nicht mehr im Cafe zu sein und an einem Fleck zu rubbeln hatte, der bei genauerer Betrachtung auch einfach eine Eigenart des Tisches sein konnte... wenn man es genau nahm hatte ein Tischdecke auf dem Tisch gelegen, als ihr Cousin Robin seinen Schokoladenkuchen gegessen hatte, während ihre Tante nur Augen für Mr. Lannister und seine Unterlagen gehabt und ihr, wann immer Sansa an den Tisch gekommen war, irgendwelche Gerüchte aufgetischt hatte, die Sansa nicht hatte glauben wollen.
Dass die Lannisters für alles schlechte Verantwortlich waren, was in dem Dorf geschehen war, dass Mr. Tywin Lannister eigentlich Myrcellas Vater sein sollte, dass die Lannisters im allgemeinen all ihr Vermögen nur auf irgendwelchen schmutzigen Geschäften begründeten...
Wenn Sansa ehrlich war, dann war sie froh gewesen, dass ihre Tante Lysa irgendwann gegangen war.
Natürlich ohne ihr ein Trinkgeld zu geben, denn sie war schließlich Familie und überhaupt war sie nur vorbeigekommen, um für ihre Schwester die Konkurrenz zu sichten und nicht etwa, weil ihr Sohn sich weigerte einen anderen Kuchen als den von Miss Cersei zu essen und, wie Sansa ihn kannte, so lange schreien würde, bis seine Mutter ihm diesen Wunsch erfüllte.
Doch ihre Tante hatte sie, das musste sie beschämt zugeben, doch neugierig gemacht und auch wenn sie wusste, dass es sich nicht gehörte zu lauschen und dass sie furchtbaren Ärger bekommen würde und dass es doch eine der Sachen war, die sie bei Arya immer kritisierte, war sie wohl unbewusst einfach ein paar Minuten länger geblieben und dann noch ein paar Minuten, um irgendwann einfach...

Westeros ValleyWhere stories live. Discover now