Kapitel 2 - Sansa

126 12 0
                                    


Sansa Stark war die Erste gewesen, die gewusst hatte, dass Cersei Lannister wieder in der Stadt war.
Nun, sie war zumindest die erste gewesen, die gewusst hatte, dass jemand in der Stadt war, der etwas von Stil verstand.
Oder zumindest von Autos.
Denn auch wenn sie sich ihr Leben lang eher für Kleider als für Autos interessiert hatte, waren es doch die Autos, die sie nach Atlanta zum Shoppen brachten.
Und wer sein Leben im veralteten und vollkommen abgefahrenen, grauen Jeep seines Vaters verbracht hatte, der entwickelte nunmal ein Gefühl für Autos.
Oder zumindest für rote Cabriolets.

Es war ein wahrer Segen gewesen, dass dieses Auto eines Tages in der gegenüberliegenden Einfahrt gestanden hatte und ein noch viel größerer Segen war es gewesen, dass ihre Nachbarn anscheinend auch noch beschlossen hatten gegenüber der Bäckerei ihrer Eltern ein kleines Café aufzumachen.
Nicht nur, dass es dann endlich irgendetwas Interessantes in der Nachbarschaft gab... oder einen Ort, an dem sie sich mit ihren Freundinnen treffen konnte, ohne dass ihre Mutter alle fünf Minuten neben ihr stand und fragte ob sie noch ein Stück Kuchen nach altem Familienrezept haben wollten, die Sansa inzwischen nicht mehr sehen konnte... es war auch die perfekte Gelegenheit sich die neue Nachbarin aus der Nähe anzuschauen.

Sie kannte Jaime und Tyrion Lannister zur Genüge.
Jaime war der stadtbekannte Junggeselle, auf den jede alleinstehende (oder auch nicht alleinstehende) Frau ein Auge geworfen hatte und von dem niemand wusste was genau er eigentlich machte und Tyrion war der Zwerg und stadtbekannte Säufer...
Oder zumindest Stammgast in Stanni's Kneipe (niemand hatte sich jemals um den falsch gesetzten Apostroph gekümmert), denn Worte wie ‚Säufer' wären ihrer Mutter niemals ins Haus und ihr niemals in den Mund gekommen.
Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.

„Können wir jetzt wieder gehen?"
Sansa warf ihrer Schwester einen vernichtenden Blick zu und hob die Augen, um das Türschild zu betrachten.
Hübsch, schlicht, geschwungene, goldene Schrift auf rotem Grund... so musste ein Türschild aussehen.
Nicht wie das ihrer Eltern, das über dem Fenster ihrer Bäckerei kaum zu sehen war.
Dieses Cafe, und das konnte sie sagen, ohne jemals drin gewesen zu sein, hatte wenigstens Stil.
Ganz im Gegensatz zu dem alten Schuppen ihrer Eltern dessen sie sich schämte wann immer sie einen Blick über die Schulter warf.
Der Laden mit den Holzmöbeln und den verschiedenfarbigen Bezügen und den komischen Blumen, die nicht zueinander passen wollten und ganz abgesehen war in der Bäckerei alles dunkel und die Wände waren...

„Wir haben es doch alle gesehen! Können wir jetzt wieder gehen, Mum?"
Arya begann an ihrer Bluse herumzuzerren, offensichtlich überhaupt nicht begeistert von den Kleidern, die Sansa für ihre Schwester ausgesucht hatte, doch dieses eine Mal hatte selbst ihre Mutter ihr freie Hand gelassen und Sansa konnte mit Stolz von sich behaupten, dass ihre kleine Schwester noch nie so ordentlich ausgesehen hatte.
„Muuuuum...!"
„Hätten wir sie nicht zu Hause lassen können, Mum?", wandte sich Sansa nun an ihre Mutter.
Sie war Aryas Gejammer eindeutig leid.
Kaum dass ihre Schwester ein einziges Mal präsentabel genug aussah, um die neuen Nachbarn zu begrüßen, wollte sie schon wieder nach Hause, sich die Sachen vom Leib reißen und sich vermutlich mit ihrer verschlissensten Jeans in den Matsch werfen.

„Wenigstens Mum sieht gut aus!", murmelte sie leise, während sie einen Blick über ihre Familie schweifen ließ.
Ihre Mutter hatte sich wenigstens noch Mühe gegeben und ein Kleid angezogen, das sogar in Sansas Augen halbwegs in Ordnung aussah.
Doch Arya machte sich nicht einmal die Mühe zu verbergen wie wenig sie mit zartem Blumenmuster bedruckten Rock und die weiße Bluse mochte und Robb hatte sich, trotz ihrer Bitten, strikt geweigert eine Krawatte anzulegen.
„Wir gehen nur unsere Nachbarn besuchen und nicht in die Kirche!", hatte er ihr erklärt und die Krawatte weit von sich in einen der Klamottenhaufen des Zimmers geworfen, das er sich mit Jon teilte... was in Sansas Augen keinesfalls eine gute Kombination war, außer wenn es darum ging das totale Chaos auf einen Raum zu begrenzen.

„Ach Sansa...!", wandte sich ihre Mutter mit einem Seufzen an sie, verstummte jedoch sofort und Sansa konnte nicht anders, als triumphierend zu lächeln.
Wenigstens ihre Mutter hatte begriffen, das es wichtig war wie man aussah.
„Und du hast selbst gesagt, dass Mrs. Lannister viel Wert auf ordentliches Aussehen legt, Mum!", erinnerte Sansa ihre Mutter mit einem eindringlichen Blick.
„Sansa, das war vor Jahren, als wir noch gemeinsam auf der Schule waren! Es kann sein, dass sich das schon lange...!"

„Schon klar!", murmelte Sansa leise, die Augen gesenkt, wie immer, wenn ihre Mutter begann von ihrer Ausbildung zu sprechen, von der Schule die sie besucht hatte.
Sie nannte es eine ‚höhere Töchter-Schule' oder so etwas in der Art und Sansa wäre ihrer Mutter mit Freuden dorthin gefolgt, doch ihr Vater war nie begeistert von der Idee gewesen und erst als sie es vor ein paar Wochen wieder erwähnt hatte, hatte er sie daran erinnert, dass seine Kinder eine ordentliche Schulbildung genießen sollten und er niemals so viel Geld ausgeben würde, nur damit aus seiner Tochter eine weitere Möchtegern-Südstaatenschönheit wurde, die keine weiteren Ziele im Leben hatte als einen Ehemann zu finden, der ihr die Welt zu Füßen legte.
„Solche Männer gibt es heutzutage nicht mehr, Sansa! Du musst lernen dich durchzusetzen!", hatte er ihr noch erklärt und dabei ihre Haare in Unordnung gebracht, bevor er aufgestanden war, um mit Arya und Rickon Football zu spielen und sie allein zurückgelassen hatte.
Sie hatte sogar versucht ihren Großvater Hoster zu umschmeicheln, doch der war alt und hatte das alles natürlich sofort ihrer Mutter erzählt.
„Sansa, ich weiß, dass du enttäuscht bist, aber glaub mir, du willst ganz sicher nicht auf eine Schule, in der du alles lernst, was du sonst auch lernst und dann noch so einen Unsinn wie Nähen, Reiten oder Tanzen! Das wäre nichts für dich!"
Nein, natürlich nicht!
Viel lieber war es ihr mit unzivilisierten Menschen wie ihrer Schwester zusammen zu sein, die schlurfte, als wollte sie die Sohlen ihrer Schuhe auf den Steinen abschleifen und ständig irgendwie schmutzig zu sein schien.

„Also, seid ihr alle ordentlich?", fragte sie noch einmal in die Runde und riss Arya, die begonnen hatte ihre Fingernägel abzukauen, die sie ihr erst am morgen halbwegs in Form gefeilt hatte, die Hand aus dem Mund.
Sie antworteten nicht und ihre Mutter verdrehte sogar die Augen, doch Sansa nickte nur einigermaßen zufrieden.
Ihre Familie würde nie verstehen, was es bedeutete einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen!

Schon die Türklingel hinterließ, wie Sansa sich sicher war, einen besseren ersten Eindruck, als es ihre kleine Schwester jemals könnte.
Ein leises, subtiles Klingen wie von Weingläsern, wenn sie ganz sanft aneinanderstießen, wie sie es manchmal vor Weihnachtsessen mit der Familie geübt hatte, das man hören konnte, aber das dennoch im Raum verhallte, ohne dass die Gefahr bestand, dass es aufdringlich werden konnte.
Nicht so wie die laute Glocke in ihrem Laden, von der sie irgendwann Kopfschmerzen bekam, wenn sie nur mehr als 15 Minuten im Laden verbrachte.
„Können wir jetzt wieder...!"
„Halt die Klappe!", fauchte Sansa ihrer Schwester zu, während sie den Laden betrat.

Es war schöner, als sie es sich vorgestellt hatte und vor allem war es kühler, angenehm kühl, aber nicht zu kalt, natürlich, ein perfekt temperierter Raum für die Sommerhitze draußen und übrhaupt sah er so aus, als könnte er niemals so drückend warm werden wie die Ecke in der Bäckerei ihrer Mutter, in der die Tische standen und von der aus die Gäste einen zauberhaften Blick auf die Straße hatten.
Dieser Laden war etwas ganz anderes, schon allein deswegen, weil er viel heller und reiner gehalten war mit weiß, creme, rosafarbenen und goldenen Akzenten an den Wänden, der Theke und jedem einzelnen Tisch, die noch einmal durch die perfekt in kleinen Vasen arrangierten, pastellfarbenen Blumen gebrochen wurde, die auf dem Tisch standen.
Überhaupt war der ganze Raum hell und strahlend und mit Sonnenlicht durchflutet und die Theke, eine Theke anscheinend, die die Kuchen darin auch noch kühl hielt, ohne dass sich auch nur das kleinste Wassertröpfchen die Scheibe beschlug.
Sansa trat ungläubig ein paar Schritte näher heran, um eines der kleinen Törtchen zu inspizieren, das in der Auslage hinter dem kühlen Glas lag und das perfekter aussah, als alles was sie selbst auf dem Instagram Account des Cafés (sie war kein Fan, sie wollte nur ein paar Inspirationen für den Fall, dass sie jemals ein Törtchen backen wollte) gesehen hatte.
Kleine, perfekte Beeren, die sauber und glänzend auf lockerer Creme saßen, bei der sie sich immer fragte, wie man das im Café hinbekam, wenn es selbst ihrer Mutter nur selten gelang und...

„Catelyn? Bist du es tatsächlich? Wie reizend, dich wiederzusehen!"
Sansa erstarrte, als sie den Blick hob... und an einem erschrockenen Atem hinter sich konnte sie erkennen, dass es ihrem Bruder Robb genauso ging.

„Die sieht ja aus wie Jackie Kennedy!", murmelte Robb leise, auch wenn Sansa sofort die Augen verdrehen musste.
Cersei Lannister sah nicht aus wie Jackie Kennedy... ihr Blazer hatte vielleicht vom Stil her ein bisschen Ähnlichkeit... ansonsten sah sie besser aus.
Mit ihren elegant hochgesteckten, goldblonden Haaren und dem dezenten Make-Up, das perfekt zu ihrem pastellrosa Zweiteiler passte, wirkte sie vollkommen passend zu dem Café.
Selbst ihr Schmuck schien auf die hellrosa Akzente abgestimmt zu sein... und auf das Gold, das hier und da aufblitzte.
„Wer ist das?", fragte Arya neugierig, doch Sansa konnte nicht antworten, als sie sah, wie die hübsche, blonde Frau auf ihre Mutter zuging und ihr mit einem strahlenden Lächeln die Hand reichte.
Sie versuchte auch immer so zu lächeln, aber bei ihr sah es seltsam und aufgesetzt aus, während es für Mrs. Lannister das natürlichste der Welt zu sein schien elegant über den blank polierten Boden zu schweben, in einem wie angegossen sitzenden Outfit, mit Haaren, die zu einer Frisur gemacht waren, für die Sansa vermutlich Stunden gebraucht hätte und dem strahlendsten Lächeln, das sie jemals...

„Es ist auch schön dich wiederzusehen, Cersei!", lächelte ihre Mutter ihrer ehemaligen Freundin zu und auch wenn sie sich nicht umarmten strahlte Cerseis Gesicht eine unglaubliche Wärme aus.
Anscheinend war es das, was ihre Mutter versucht hatte ihr zu sagen, als sie ihr erklärt hatte, dass man in ihrer Schule nur gelernt hatte zu lächeln, zu singen und zu gefallen... nur dass sie im Gegensatz zu ihrer Mutter gerade lernte, wie nützlich diese Fähigkeiten sein konnten.

„Oh und das müssen deine reizenden Kinder sein!"
Mit einem Strahlen wandte Mrs. Lannister sich ihnen zu und trat dann auf sie zu, auch wenn Sansa das Geräusch ihrer hohen Schuhe auf dem Boden kaum wahrnahm...
„Argh, die sieht ja aus, wie ne Barbie und...!"
„Sei still!", zischte Sansa und trat ihrer Schwester auf den Fuß... mit ihrem Absatz...
„Wie heißt du, kleines Täubchen?"
Cersei stand vor ihr, strömte ein seltsames Aroma nach Zitrone und Vanille aus, eine Hand ausgestreckt, die Sansa vorsichtig ergriff. Sie hatte den ganzen Morgen an ihren Nägeln gesessen, hatte versucht einen Nagellack zu finden der passte und unter dem nicht auffiel, dass die Spitzen etwas ausgefranst waren... aber gegen Mrs. Lannisters, selbst in Handschuhen, perfekt manikürte Hände hätte sie sich die Nägel wohl genauso wie Arya abkauen können...
Das wäre dann auch egal gewesen.

„Ähm... ich... also...!"
„Die da heißt Sansa!", erklärte Arya schnell und machte einen Schritt nach vorne.
„Und das ist mein Bruder Robb und ich bin Arya...!"
„Oh wie reizend!", lächelte Cersei Arya an und beugte sich ein wenig nach unten, um ihr die Hand zu geben, während Sansa sie für ihre Beherrschtheit bewunderte.
Sie selbst hätte Arya am liebsten den Hals umgedreht.

„Du hast mir gar nie erzählt, was du für wundervolle Kinder hast, Catelyn!"
„Nun...!"
Sansa konnte erkennen, wie ihre Mutter auf sie zutrat, offensichtlich irgendetwas zwischen nervös und erleichtert.
„... du warst ja auch fort! Wie...!"
„Wo waren sie denn?", klinkte sich Sansa schnell wieder in das Gespräch ein, während sie im Augenwinkel verfolgte wie Robb Arya auf einen Blick ihrer Mutter zu einem der Tische bugsierte.
Einem der Tische mit Blick auf den wunderschön gepflegten Garten der Lannisters, der mindestens so ordentlich aussah wie das vollkommen saubere Café.
Hier würde sie mit Sicherheit keine Bröckchen aus der Wand pulen können, wie bei ihrer Mutter.
„Ich war für ein paar Jahre im Ausland, Liebes!", erklärte Cersei, noch immer mit einem strahlenden Lächeln, während sie eine Hand ausstreckte und Sansa und ihrer Mutter einen Platz bat an der Theke Platz zu nehmen.
„Und das ist ihr Elternhaus?"
„Aber nein, meine Liebe!", lächelte Mrs. Lannister noch immer, während sie sich auf einem der Hocker niederließ und Sansa die Gelegenheit bot einen Blick auf ihre Schuhe zu werfen... sündhaft teuer natürlich, perfekt und elegant... sie hatte sie in der neuesten Vogue gesehen... und ihr Vater hatte laut losgelacht, als sie ihn schüchtern danach gefragt hatte, ob er sie ihr wohl zum Geburtstag schenken könnte.
„Ich habe einen Teil meiner Kindheit hier verbracht, aber das Anwesen östlich von hier gehört noch immer meinem Vater! Das hier war ein Geschenk von ihm an unsere Mutter!"
Sie hob stolz und noch immer lächelnd den Blick und ließ ihn durch den Raum schweifen.
„Ich kann mich nicht entsinnen wann, doch aus irgendeinem Grund wurden diese Räumlichkeiten schon früher als Café genutzt! Und ich dachte mir es wäre doch wundervoll das alles wieder aufleben zu lassen, nicht wahr?"

„Du hast auf jeden Fall ein Talent für hübsche Kuchen, Cersei!", erwiderte nun Catelyn, wenn auch mit einem halben Auge bei Robb und Arya, die mehr auf ihren Stühlen hingen als saßen, ganz offensichtlich nicht begeistert davon noch mehr Zeit in diesem Café zu verbringen, in dem Sansa das Gefühl hatte endlich einen Ort gefunden zu haben, der zu ihr passte.
So makellos... so elegant... so...ästhetisch (und sie würde wetten, dass die meisten ihrer Geschwister nicht einmal wussten wie man dieses Wort buchstabierte).
Und vor allem mit einer Inhaberin, die all das war, was sie gerne werden wollte...

„Oh, das...!" Mrs. Lannister hob lächelnd eine Hand. „Ach nein, Catelyn, du sollst doch nicht so schmeicheln! Das waren doch nur ein paar Fingerübungen, um zu sehen wie die Kühltheke funktioniert und wie kalt ich sie stellen muss, damit das Eis cremig bleibt! Jaime hat mir das alles zwar wundervoll installiert, aber es gibt bei diesen modernen Geräten ja immer individuelle Unterschiede und ich hatte mit so etwas noch nie zu tun!"
„Machen sie denn auch Eiscreme, Miss Lannister?"
„Oh...!", Mrs. Lannister errötete ein wenig, wenn auch mit einem Lächeln (das Arya hinter ihrem Rücken bereits mit viel Spaß versuchte zu imitieren und dabei nur furchtbare Fratzen herauskamen. „Nicht... Nicht Miss Lannister! Nur... nur einfach Cersei für dich, Sansa!"
„Oh... ent... entschuldigen sie...!", stammelte Sansa unsicher, die Augen gesenkt. Sie war davon ausgegangen, dass Mrs. Lannister, wenn sie doch noch ihren Mädchennamen trug...
Aber natürlich nicht.
Sie hatte schließlich ein Kind und ihr Vater hatte mehrfach davon erzählt, dass sie mit seinem besten Freund verheiratet gewesen war.
Wie konnte sie nur so dumm sein...

„Das macht doch nichts Liebes! Und ja, ich habe mich auch ein wenig an Eiscreme versucht! Kann ich dir einen Milchshake anbieten? Ich hätte auch süßen Tee, doch damit konnte man schon als ich noch in deinem Alter war nur Vaters Freunde empfangen!"
„Darf ich, Mum?"
Sansa wandte ihren Blick zu ihrer Mutter, die sich offensichtlich unwohl fühlte, auch wenn Sansa sich nicht vorstellen konnte, warum das so sein sollte.

„Vermutlich wegen Arya!", kam es ihr in den Sinn.
Sie hatte nicht überhört, dass ihre kleine Schwester mehrfach mit Robb über ihre Gastgeberin gesprochen hatte und dabei nicht gerade charmant gewesen war, doch wenn Mrs. Lannister drüber hinwegsehen konnte, dann sollte ihre Mutter doch auch...
„Cersei, ich fürchte wir müssen langsam wirklich gehen! Arya hat noch einen dringenden... Termin... und ich habe auch noch so viel zu tun!"
Die Lüge war schlecht... so schlecht, dass Sansa sich beinahe schämte, dass ihre Mutter sich einer solchen bediente, doch als sie in Mrs. Lannisters Gesicht blickte und das Lächeln bemerkte, das noch immer nicht weniger strahlend geworden war, entspannte sie sich wieder.
„Oh, es war wundervoll, euch hier zu haben!", lächelte Cersei sanft und reichte ihrer Mutter, ihrem Schwester und ihrem Bruder die Hand.
„Aber ich... ich könnte euch doch niemals gehen lassen ohne einen Dank, nicht wahr?"

„Cersei, Liebes, das ist wirklich nicht nötig! Wir haben doch...!"
„Oh, aber ich bestehe darauf, Catelyn!", erwiderte Cersei noch immer lächelnd, während sie hinter die Theke... ging? Eilte?
Sansa war sich unsicher, wie sie es nennen sollte.
Sie wusste nur, dass es unglaublich elegant war.
Und wenn sie lernen würde so zu gehen, dann würden sicher alle Jungs in der Schule nur auf sie...

„Sansa, kommt jetzt endlich! Die Frau ist doch total gruselig!"
Sansa spürte wie jemand ihre Schwester an ihrem Kleid zog und riss ihr den Stoff aus der Hand. Arya würde es ohnehin nur verknittern und ganz abgesehen davon...
„Ich möchte aber noch bleiben!", erklärte Sansa entschlossen.
Mrs. Lannister schien interessant zu sein und im Laden war es immerhin kühl.
Das war mehr als sie zu Hause hatte, wo einem fast die Decke auf den Kopf fiel und wo ihre Mutter vor allem auf die Idee kommen könnte sie zu bitten in der Bäckerei mitzuhelfen, wie immer, wenn sie wieder davon sprach, dass sie zu wenig Taschengeld bekam oder sich irgendetwas kaufen wollte, was ihr Budget überstieg... und das war so ziemlich alles.
„Sansa die sieht aus wie tot! Die trägt bestimmt eine Maske aus Menschenhaut und will dich...!"

„Hör auf mit dem Mist, Arya!", zischte Sansa leise, hoffend, dass Mrs. Lannister es nicht mitbekommen hatte.
Was sollte sie nur von ihr halten, wenn ihre Familie sich aufführte wie...
„Und außerdem isst sie Watte! Und sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten, wie in dem einen Film! Ich habs genau...!"
„Schluss jetzt, Arya! Hör einfach auf mit deinen Lügengeschichten, okay? Wir haben alle begriffen, dass du wütend bist weil du nicht mit Dad mitdurftest, aber das ist noch lange kein Grund andere da mit reinzuziehen und ihnen den Spaß zu verderben! Hast du das jetzt...?"
„Sieh mal Catelyn, ich habe dir ein paar Törtchen eingepackt!"

Bevor Arya etwas erwidern konnte war Cersei wieder aus der Küche gekommen, einen Stapel an Schachteln in Händen.
„Ich dachte ihr könntet auch ein paar Kekse brauchen! Ich habe gestern ein paar Bleche gebacken, um zu sehen ob der neue Ofen funktioniert! Und richte deinem Sohn bitte meine herzlichsten Genesungswünsche aus! Jaime hat mir erzählt was ihm Schreckliches geschehen ist und wenn ich irgendetwas für euch tun kann...!"
„Er hat sich nur ein Bein gebrochen, okay? Er ist nicht tot, kein Grund hysterisch zu...!"
„Arya!"
„Schon gut Catelyn!", mit einem Lächeln trat Cersei hinter der Theke hervor und beugte sich herunter, um Arya einen der Kartons und einen großen Schokoladenkeks in die Hand zu drücken, von dem sie (zu Sansas Demütigung) sofort einen großen Bissen nahm und sich damit nicht nur das Gesicht verschmierte, sondern auch Krümel auf den Boden fallen ließ.
Sie hatte sich nicht einmal Zeit genommen das hübsche Motiv auf dem Keks zu bewundern!
„Sie ist eben ein kleiner Wildfang! Es ist doch immer wundervoll zu sehen, wie Kinder ihren eigenen Weg gehen, denkst du nicht?"
„Unbedingt, Cersei!", erklärte Catelyn ihr schnell, bevor sie den Blick wieder auf Sansa richtete, die sich jedoch nicht von der Stelle rührte.
Sagte ihr Vater nicht immer, dass sie lernen musste zu dem zu stehen, was sie wollte?
Nun... dann wollte sie jetzt in diesem Café bleiben und einen Milchshake trinken.

„Sansa, Liebling, ich habe leider kein Geld dabei, sonst...!"
„Oh, Catelyn, das macht doch überhaupt nichts!", erwiderte Cersei mit einem Strahlen auf den Lippen.
„Ich würde mich sogar sehr freuen, wenn deine Tochter mein Gast wäre! Vielleicht gelingt es mir dann auch ihr zu entlocken, wo sie dieses zauberhafte Kleid gefunden hat! Wirklich, Darling, ich suche schon seit Jahren nach so etwas zauberhaftem und dann kommt deine hübsche Tochter einfach in mein Café und...!"
„Oh bitte Mum, darf ich bleiben?"
Sansa spürte wie sich ihre Wangen gerötet hatten, doch das war ihr egal.
Cersei Lannister fand sie hübsch.
Cersei Lannister, die ganz eindeutig eine Lady war und alles war und hatte, was sie immer hatte sein und haben wollen, wollte tatsächlich Zeit mit ihr verbringen!
„Nun... gut...!", erwiderte Catelyn mit einem kurzen, skeptischen Blick in den Laden hinein.
„Aber nur solange es keine zu große Belastung ist ein junges Mädchen bei dir zu haben, Cersei! Du hast sicher noch viel zu tun!"
„Oh, aber es ist doch wirklich keine Belastung, meine Liebe!", lächelte Cersei Catelyn zu.
Sie hatte ihr die kleinen Kartons mit goldfarbener Prägung und dem Emblem des Ladens inzwischen überreicht und war wieder einen Schritt zurückgetreten.
„Ich freue mich ein wenig Gesellschaft zu haben, gerade von so einer charmanten, jungen Lady!"
Sansa errötete und dieses eine Mal konnte sie das Kichern ihrer Schwester tatsächlich nicht aus der Fassung bringen.
„Gut... dann... komm einfach zum Abendessen nach Hause, Sansa, ja? Auf eine gute Konkurrenz, Cersei! Ich... ich meine...!"
Ihre Mutter verschluckte ihre Worte, nickte dann einfach nur und ließ sich von Cersei noch einmal die Hand geben, bevor Arya und Robb sie mehr nach draußen schoben, als geleiteten.

Für einen Augenblick... den Bruchteil eines Augenblickes eigentlich nur, hatte sie geglaubt Sorge in den Augen ihrer Mutter zu erkennen.
Doch sie verstand nicht warum und als sie sich umwandte stand ein Milchshake in einem Glas vor ihr, das funkelte, als wäre es reiner, geschliffener Kristall und das Eis war tatsächlich cremig und schmeckte himmlisch und nicht wie die halb gefrorene, halb nach Kühlschrank schmeckende Masse, die ihre Eltern ihren Gästen vorgesetzt hatte, als sie sie gebeten hatte zu ihrem Geburtstag Eis zu machen.
„Nun, kleines Täubchen!", mit einem Strahlen, das Sansa sich vornahm bis zu ihrem nächsten Besuch perfekt kopieren zu können, ließ Cersei sich grazil auf einen der Barhocker nieder.
Für einen Moment fragte Sansa sich warum Cersei nicht auch etwas aß oder trank, doch sie ahnte, dass es unhöflich wäre zu fragen.
Das wäre eine Frage, die ihre Mutter stellen würde, wenn sie mit ihren Freundinnen nach der Schule in ihrer Bäckerei saß und ihre Mum wieder einen auf Übermutter machen musste.
Also vollkommen ungeeignet für ein Gespräch mit Cersei Lannister.

Stattdessen setzte Sansa ein Lächeln auf, das beste Lächeln, das ihr gelang und begann Cersei zu erzählen, wie sie auf den traumhaften, kleinen Laden gestoßen war, in dem sie ihr zartgrünes, geblümtes Sommerkleid im Schlussverkauf entdeckt hatte.
Und sie fühlte sich so wohl dabei wie schon lange nicht mehr.

Westeros ValleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt