38.

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Pia's P.o.V.

Wohlig reckel ich mich unter der gemütlichen Decke und genieße noch eine Zeit lang die Ruhe, bis ein Klopfen mich entgültig aus dem Dämmerschlaf reißt. "Herein", rufe ich daraufhin automatisch.
Einen Moment später realisiere ich dann erschrocken meine Situation, fuck. Ich im Bett bei den Entführern. Wehe, sie kommen rein! "Nicht!", füge ich energisch hinzu und rücke bis zu meinem Kinn vollständig unter die weiche Decke. Ängstlich schaue ich auf die Tür und mache mich möglichst klein, aber sie öffnet sich glücklicherweise nicht. Wer da wohl vor steht?
Diese Frage wird mir gleich darauf beantwortet, als eine ältere Frauenstimme ertönt.

"Ich wollte Ihnen das Frühstück bringen. Würden sie es gerne bekommen oder doch lieber ohne welches den Tag bestreiten?", fragt sie zögerlich nach.
"Oh, danke. Könnten Sie es einfach vor die Tür stellen?", frage ich kleinlaut nach, um der unschönen Situation zu entkommen. "Sie dürfen mich auch dutzen.", füge ich noch eilig hinzu. Morgens funktioniert mein Gehirn halt einfach noch nicht schnell genug, muss ich wehleidig erkennen.
"Nein, Sie zu dutzen, steht mir leider nicht zu. Ihr Essen kann ich Ihnen aber natürlich auch gerne vor die Tür stellen, wenn Sie das wünschen."
"Okay, vielen Dank. Aber weshalb dürfen Sie mich nicht dutzen?"
Tja, auf meine Neugierde ist einfach immer Verlass.
Gespannt, aber auch verärgert, setzte ich mich hin und starre auf die dunkle Holztür. Wie kann jemand anderes entscheiden, wie man mich nennen soll? Was soll das? Auch wenn ich entführt wurde, kann ich doch wenigstens jemanden das 'Du' anbieten.
"Mir wurde es verboten.", höre ich die Frau neutral antworten und bin von der Antwort ein bisschen enttäuscht. Vielleicht auch ein bisschen mehr, da es mich wirklich nervt, wenn mir hier keiner was sagen darf. Mittlerweile bin ich mir aber sogar sicher, dass draußen die Frau von gestern steht, welche mein Zimmer gesäubert hat. Bei dem Gedanken fängt mein Magen laut an zu knurren und ich hoffe nur errötet, dass sie das nicht hören konnte. Wie peinlich. Aber wenn man kein Abendessen bekommt, dann kann das doch schon Mal passieren, oder?

"Eine Nachricht habe ich noch für sie.", ignoriert sie mein Magenknurren oder hat es wohl wirklich nicht mitbekommen, "Der Anführer erwartet sie in vierzig Minuten. Sie sollten sich deshalb in fünfunddreißig Minuten aus dem Zimmer begeben."
"Ich habe hier keine Uhr.", erkläre ich skeptisch und wenig freundlich bei der Aussicht auf meinen 'wirklichen' Entführer zu treffen. Darauf könnte ich liebend gerne verzichten.
"Doch, im Badezimmer befindet sich eine Uhr. Viel Glück und einen schönen Tag noch.", höre ich sie sagen, dann erklingen ihre sich entfernenden Schritte.

Auch ich richte mich überrascht, die Augenbrauen hochziehend, auf und tapse noch mit leichtem Schwindelanfall ins Badezimmer. Wo ist hier eine Uhr? Suchend drehe ich mich einmal um meine eigene Achse, kann aber nichts erkennen, weshalb ich mich dazu entschließe, die Schränke abermals zu dorchforsten.
Natürlich strömen die Erinnerungen von gestern auf mich ein, was mich immer Mal wieder geschockt zurücktreten lässt. Ist das wirklich passiert? Habe ich Xamin wirklich 'gerettet'? Oder war das alles doch nur ein schlechter Traum? Nur sind Träume meist sehr unrealistisch und echte Geschehnisse eben nicht. Wobei der Zaubertrank doch wirklich unrealistisch war. Habe ich es mir vielleicht doch nur eingebildet?

Wahrscheinlich bin ich für solche Überlegungen einfach noch zu müde, gebe ich es schließlich auf und wühle mich wieder weiter durch den Make-Up-Schrank. Aber da ist keine Uhr!
Genervt drehe ich mich zu dem Schrank voller Cremes und wühle da weiter herum.
Wieso kann man eine Uhr nicht einfach ganz normal aufhängen? Denn auch in dem zweiten Schrank finde ich nichts Uhrenvergleichbares. Gestresst drehe ich mich wieder um mich selbst, da ich überhaupt kein Zeitgefühl mehr besitze und keine Ahnung davon habe, wie viel Zeit vergangen ist. Mein Blick bleibt schließlich an einem Bild hängen, dass einen blauen Hintergrund besitzt mit Buchstaben im Vordergrund. Moment mal! Nein jetzt, wirklich? Wie mir auffällt leuchten einige Buchstaben und andere wiederrum nicht. 'ES IST HALB ZWÖLF', lese ich die erleuchtete Schrift erleichtert, die Uhr endlich gefunden zu haben. Und eigentlich schaut sie auch ganz cool aus, auch wenn sie mir ein bisschen zu unauffällig ist.
Wahrscheinlich will der Typ mich dann um zwölf Uhr sehen, schließe ich aufgeregt und schreite hungrig auf die Tür zu. Mit einem leisen Quietschen ziehe ich sie auf und betrachte den lecker gedeckten Teller. Schnell bücke ich mich, um ihn rein zu tragen.

"Guten Morgen.", sagt jemand männliches neben mir und ich schrecke zusammen. "Wow.", gebe ich von mir und stolpere wieder in mein Zimmer zurück. Mein Herz klopft von dem plötzlich ausgeschütteten Adrenalin und weiche ängstlich weiter zurück. Ich habe ja ganz den Wärter vergessen! Und der hat mich jetzt total verzottelt gesehen. Scheiße, scheiße, scheiße..., denke ich mir immer wieder bis der Mann hervortritt. Das ist Xamin, erkenne ich sofort erleichtert, da ich es bei ihm nicht ganz so schlimm finde, dass er mich so sieht. Schließlich hat er mich gestern schon ohne T-Shirt gesehen, auch wenn das auch nicht besonders angenehm war.
"Guten Morgen.", begrüße ich ihn gefühlte Jahre später dann auch mal mit einem schiefen, verlegenen Grinsen und gehe auf ihn zu.
"Ganz schön schreckhaft für eine Anführerin.", lacht er daraufin nur und bückt sich, um mir anschließend den Teller hinzuhalten.
Dankbar nehme ich ihn an und setzte mich mit den Cornflakes und Brötchen auf's Bett.
"Willst du die Tür wieder zumachen?", frage ich, da ich Ruhe am Morgen doch noch bevorzuge.
"Natürlich."
Dann schließt er die Tür hinter sich und ich bin wieder alleine in meinem Luxus-Kerker, wie ich ihn jetzt taufe. Ja, das passt ganz gut.

Ich verschlinge das Essen praktisch, anstatt es zu genießen und schaue dann eilig auf die Uhr. 'ES IST DREIVIERTEL ZWÖLF', zeigt sie an. Nur noch zehn Minuten, denke ich hektisch und renne zum Kleiderschrank. Wie ich es mir gerade überlegt habe, werde ich das hässlichste Anziehen, das ich finde und mit dem Make-Up mein Gesicht verunstalten. Also schnappe ich mir ein schweinepinkes Top und eine Jogginghose der Assi-Sorte, welche ich mir im Badezimmer überstreife. Dabei bemerke ich, dass ich eigentlich Xamin nach einem weiteren Tampon fragen müsste, aber das muss bei einem Blick auf die Uhr warten. Dann kann ich mich am besten gleich beim Schuldigen beschweren. Der wird sich noch wünschen, mich nie entführt zu haben!

Just my LunaWhere stories live. Discover now