35.

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Pia's P.oV.

Nach einigem Zögern antwortet Xamin: "Er lebt sich aus wie in einer Diktatur, was einfach nicht passt. Bei uns Fledermäusen gibt es natürlicherweise keinen Anführer, keine Hierarchie. Er beschlagnahmt unser Vermögen, bestimmt was wir zu tun haben, was wir anziehen sollen. Weißt du, eigentlich wollte ich nie Wärter sein. Schon immer habe ich mich mehr für das Kochen interessiert, aber das ist dem Anführer egal. Und so geht es vielen...", schließt er nachdenklich ab und lässt mich durch seine Worte grübeln.
Sind Werfledermäuse doch nicht so fies, wie ich sie mir inzwischen vorstelle? Nach meiner Entführung ging ich davon aus, dass jeder von denen so ist. Aber jetzt wo ich Xamin kennengelernt habe, glaube ich das nicht mehr. Ja, viel mehr hört es sich so an, als würden sie unterdrückt. Als wollen sie das selbst nicht. Nur wie passe ich in das Schlamassel? Das frage ich ihn auch gleich neugierig, denn ein bisschen Vertrauen habe ich wirklich schon in ihn gefasst: "Warum hat euer Anführer denn dann mich und Vulvia entführen lassen?"

"Er braucht eure mentale Stärke, um sich durchzusetzen. Da es bei uns keine Hierarchie gibt, hat er nicht die wichtige Fähigkeit, um ein Rudel zu führen. Das sollt ihr für ihn übernehmen, da ihr beide Anführerinnen geworden wäret. Ihr habt es sozusagen im Blut. Wahrschienlich nur zu gut, denn eigentlich sollte ich dir nichts verraten...", endet er zweifelnd auf meinen verwirrten Gesichtsausdruck hin.
Schnell beruhige ich ihn, kann meine Wissbegierde jedoch nicht verstecken: "Ich werde dich nicht verraten. Aber wie meinst du das mit 'nur zu gut'?"
"Es ist eine deiner Fähigkeiten, dass man sich dir anvertrauen will. Aber mehr kann ich dir jetzt wirklich nicht sagen. Ich sollte wohl auch wieder Stellung beziehen. Wenn du noch etwas brauchst, sag Bescheid. Ich schicke noch jemanden zum Saubermachen rein", erwidert er schnell und ist dann mit viel zu schneller Geschwindigkeit verschwunden.
Verwirrt bleibe ich sitzen und betrachte ungläubig das Blut um mich herum. Meine Gedanken sind aber schon viel weiter, denn ich frage mich, was ich mit den neuen Informationen anfangen kann? Habe ich jetzt irgendein Ass im Ärmel, das ich ausspielen kann oder hat es mir nichts gebracht?
Sollte ich vielleicht jetzt versuchen abzuhauen oder lieber doch noch warten und probieren das Vertrauen Einiger zu gewinnen?
Die sich öffnende Tür stoppt meine Gedankengänge und ich schaue in das Gesicht einer alten Frau. Ihre grauen Haare umschmeicheln aber nichtsdestotrotz ihr blasses Gesicht, wie mir bei einer Betrachtung auffällt.
"Wären Sie so gnädig kurz aufzustehen, damit ich das Bett neu richten kann?", spricht sie mich vorsichtig an und ich mache ihr hektisch mit einem Nicken Platz. Wie unhöflich von mir, wenn sie schon mein Bett macht. Bevor ich weitere Fehler begehe, verziehe ich mich lieber ins Badezimmer und hole das Ding raus, wegen dem überhaupt hier alles so aus dem Ruder gelaufen ist. Verärgert betrachte ich den Tampon. Dann reiße ich meinen Blick von dem Stück los und wechsel es erleichtert aus. Wurde so langsam aber auch wirklich Zeit.

Ich bleibe noch einige Zeit auf dem Toilettendeckel sitzen und hänge meinen Gedanken nach, bis ich höre, wie die Tür ins Schloss fällt. Müde von den ganzen Erlebnissen stehe ich auf und lasse mich ins jetzt wieder weiße Bett fallen.

Immer wieder rolle ich mich von der linken zur rechten Seiten. Meine Augen kann ich dabei vor Müdigkeit nicht mehr offen halten, aber der Schlaf übermannt mich trotzdem nicht.
Es ist dabei nicht so, dass ich kurze Alpträume von den Erlebnissen bekomme, die mich aufwecken, aber irgendwas stimmt nicht.
Klar fühle ich mich nicht wohl, aber das tat ich im Heim auch schon nicht. Und dort konnte ich schlafen. Nur hier geht es wirklich nicht. Es schwirren auch keine Gedanken in mir herum, die mich vom Schlaf abhalten, wahrscheinlich ist es mehr so ein Gefühl.
Oder aber auch das Fehlen dieses Gefühls. Genau, das ist es! Irgendwas fehlt, komme ich dem Grund auf die Sache, während ich meine Beine aus dem eingerollten Zustand befreie und sie ausstrecke.
Wie lange ich hier wohl schon liege? Eine Uhr, um das abzulesen, ist hier ja leider nicht.
Wieder drehe ich mich von der linken Seite auf die rechte, knete meine Hände unruhig, um mich dann wieder auf den Bauch zu drehen. Vor Müdigkeit gähne ich dabei immer wieder, falle aber nicht einmal in einen Sekundenschlaf.

Lian's P.oV.

Die Geschichte, die die Frau mir über eine Stunde lang erzählt hat, hat mich vollendens in ihren Bann gezogen und so liege ich auch jetzt im Bett immernoch grübelnd da. Wobei das nicht der einzige Grund ist, weshalb ich bis lang in die Nacht wach bin. Die Sorge um Pia bringt mich um.
Sie nicht bei mir und beschützt zu wissen, ist schlimmer als jedes Gefühl, das ich je kannte.
Mühselig versuche ich mich mit dem neu Erfahrenen abzulenken, da ich die Lage im Moment sowieso nicht ändern kann. Selbst die größten Technik-Genies aus meinen Rudel können meine Mate nicht finden. Die Werfledermäuse müssen ihren Standort mit Magie verschlüsselt haben. Und das bringt zur Folge, dass man ihn nur mit Magie herausfinden kann. Daher muss ich wohl oder übel auf das Eintreffen der Fee warten.
Den Herzschmerz so gut wie möglich ausblendend, versuche ich die neuen Infos einzuordnen.
"Die Geschichte der Feen beginnt nicht, wie man glaubt, vor den Gestaltwandlern...", begann sie, "Die Geschichte begann nach ihnen, da Feen aus Gestaltwandlern entstanden sind. Als es die ersten Gestaltwandler gab, war von anderer Magie noch keine Rede. Eine Veränderung in der Natur entstand erst, als sich die Gestaltwandler mit den Menschen paarten. Das Kind bei einer Kombination aus Mensch und Wandler wurde nur halb so stark, da es eben nur die halbe Magie innehatte. Bekam dieser halbe Gestaltwandler anschließend auch ein Kind mit einem Menschen, so hatte dieses Kind logischerweise nur noch ein Viertel der ursprünglichen Magie. Dieser Gestaltwandler wurde dann schwach genannt, wie du bis dahin vielleicht noch weißt.", erläuterte sie weiter und machte anschließend eine Pause, um mir Zeit zu lassen. Aber bis dahin war mir alles bekannt, weshalb ich sie bat fortzufahren, was sie auch tat.
"Die erste Fee entstand aus der Paarung zweier schwacher Gestaltwandler. Diese neue Mischung rief eine Mutation hervor und die schwachen Funken der Magie schlossen sich zusammen zu einem neuen großen Magie-Funken, der sich aber dem von normalen Gestaltwandlern unterschied. Sie erhielten somit erste magische Kräfte, mit denen sie ihre Umwelt beeinflussen konnten. Nicht aber sich selbst, wie die Gestaltwandler. So entstand die erste Fee aus der Liebe zweier schwacher Gestaltwandler, welche gemeinsam Großes erschaffen hatten."

Just my LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt