29.

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Pia's P.o.V.

Die Schritte kommen immer näher zu mir und Vulvia, welche mich zitternd am Arm festhält.
Mein flacher Atem rast; während mir kalte Schauer den Rücken runterlaufen.
Ich höre das Klicken eines umgelegten Schalters, dann geht flimmernd eine nackte Glühbirne über uns an. Sie taucht den ganzen Raum in ein gelbes Licht und lässt mich den Mann erblicken, dem die Schritte gehören.
Ein ekelerregendes Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit, als er uns betrachtet, sodass ich mich augenblicklich aufrichte, um keine Schwäche zu zeigen.
Möglichst würdevoll hebe ich mein Kinn nach oben und probiere Hass in meinen Augen auflodern zu lassen. Aber da ist kein Hass.
Wieso ist da schon wieder kein Hass?
Nicht einmal meine eigenen Entführer kann ich hassen, so wie ich noch nie jemanden gehasst habe, muss ich von mir selbst enttäuscht feststellen.
Mein Herz sagt mir immer, dass es einen Auslöser oder einen Grund für die Handlungen geben muss. Denn kein Lebewesen bedroht, ärgert und tötet andere Wesen aus Spaß.
Ein Löwe jagt seine Beute doch auch nur, um zu überleben.
Vielleicht hat der Mann vor mir ja ein Trauma, das seine Tat beeinflusst?, versuche ich seine Grausamkeit zu erklären.
Nichts desto trotz ärgert mich seine Tat gewaltig. Er hat uns mit entführt! Er hält uns gefangen!
Die Wut auf den Mann steigert sich von Sekunde zu Sekunde und trotzdem kann ich ihn nicht hassen.
Negative Emotionen sind bei mir aus irgendeinen Grund nicht vorhanden, negative Gefühle aber hingegen schon.
Und deshalb probiere ich jetzt meine Wut in meinen Augen funkeln zu lassen und beginne ein Blickduell mit dem kleinen Kerl, der trotzdem größer ist als ich, vor mir.
Nach langem Starren gibt er schließlich auf, was mich innerlich triumphieren lässt.
Im gleichen Augenblick, in dem sein Blick zu Vulvia schweift, beginnt er jedoch schon zu sprechen und ich höre angespannt zu. Er könnte alles mit uns machen, am Ende ist niemand hier um uns zu verteidigen.
Und können wir uns selbst verteidigen?
Wohl eher nicht.

Allerdings lenkt mich seine tiefe Stimme schnell von meinen Gedanken ab und lässt mich still zuhören: "Wir haben eure Stellung in den Rudeln erkannt und werden euch nichts tun, solange ihr auf uns hört. Ihr bekommt ein eigenes Zimmer in unserer Villa und werdet dort in Ruhe leben können. Bis eben auf ein paar Pflichten, die ihr zu erfüllen habt, aber das schafft ihr ja mit links, nicht wahr?", fragt er mit schelmischen Grinsen und bleibt einen Schritt vor uns stehen. Mittlerweile kann ich die kalte Betonwand an meinem Rücken spüren und presse mich in der Stille förmlich gegen sie.
Nach einiger Zeit frage ich mich auf welche Antwort er bitte wartet.
Auch er merkt anscheinend, das wir nicht antworten werden und fährt mit seinem Monolog fort.
"Ihr fragt euch bestimmt, was das für Pflichten sein werden. Das ist eine gute Frage, da muss ich euch Recht geben. Wir werden es euch allerdings erst sagen, nachdem ihr zugestimmt habt, Kinderchen. Also?"
Vorsichtig drehe ich mein Kopf zu Vulvia und begegne ihrem ängstlichen, aber auch gleichzeitig entschlossen Blick. Was sollen wir jetzt sagen? Ich werde keine einzige Sache für die Werfledermäuse machen, aber mich auflehnen, soll ich laut Lian auch nicht.
"Was würde passieren, wenn wir uns weigern?", frage ich den Mann vor uns deshalb vorsichtig.

Erschrocken will ich zurückweichen, als er zur Antwort einen weiteren Schritt vortritt und mit seiner Hand meine Wange entlang streicht, aber die Wand hinter mir hindert mich.
"Dann, Schätzchen, werden wir euch so lange foltern, bis ihr euch unterwerft. Denn das habt ihr sowieso zu tun. Es ist nur eure Entscheidung auf welche Weise ihr es tut.", raunt er mir vertrauensvoll ins Ohr, was mich wieder heftig erzittern lässt. Seine Berührung fühlt sich einfach nur abschreckend und ekelig an und ist das absolute Gegenteil von Lian.
Was er wohl gerade machen würde in dieser Situation? Vielleicht soll ich ihn nochmal fragen, da er mehr über diese ganzen Gestaltwandler Dinge weiß? Aber Vulvia müsste es doch auch wissen. Schließlich ist sie auch ein Werfuchs.
"Könnten wir uns vielleicht kurz absprechen?", frage ich deshalb mutig. Denn dafür kann er uns meiner Meinung nach nicht bestrafen.
"Drei Minuten habt ihr, mehr nicht.", höre ich ihn Raunen, während er Vulvia über die Wange streicht, dann verlässt er den Raum.

Erschöpft atme ich aus und die Anspannung fällt kurz von mir ab.
"Was sollen wir jetzt machen?", höre ich Vulvia flüstern und lasse mich erschöpft an der Wand heruntergleiten. Nach einiger Zeit hört sogar mein Zittern auf und ich blicke ihr in die Augen.
"Soll ich Lian mal fragen?", schlage ich ihr vor und bin beruhigt, dass sie nicht ganz so ängstlich wie zuvor davor reagiert.
"Wenn er nicht wütend auf dich ist, dann ja.", gibt sie wieder zaghaft und bedenkend zurück, aber ich kann auch ihre Entschlossenheit heraushören. Sie wird auch nicht alles mit sich machen lassen.

Lian, ich und Vulvia wissen nicht weiter. Du musst für uns entscheiden, okay? Ich sag dir worum es geht und du sagst welche Möglichkeit wir wählen sollen.

Du kannst mir auch deine Erinnerung von der Situation schicken, Mate. Aber pass bitte weiter auf dich auf, okay? Wir haben schon einen kleinen Hinweis darauf, wo ihr sein könntet.

Ich nickte, erinnere mich dann aber daran, dass er das nicht sehen kann und schicke ihm ein ja zurürck. Anschließend probiere ich mich zu konzentrieren, was aber gar nicht so leicht ist, da Vulvia neben mir ganz nervös herumhibbelt. Nach einigen Sekunden habe ich dann aber das Gefühl die Situation gefasst und an Lian weitergesendet zu haben.
Mit meinem Händen klopfe auch ich jetzt nervös auf meinen Oberschenkel und wartete auf seine Antwort. Ein lautes Knurren ertönt schließlich und lässt mich erschrocken zusammenzucken, auch wenn es mich nicht ängstigt. 

Diese Schweine werden noch sehen, was sie dafür bekommen. Er soll seine Hände von dir nehmen!, hörte ich ihn knurren und dann einige Male ausatmen, bevor er weiterspricht.
Du wirst dich unter keinen Umständen foltern lassen, hörst du? Ich möchte nicht, dass diese Ehrlosen dich berühern, aber du wirst lieber das zulassen, als verletzt zu werden, ja? Hast du das verstanden?

Sie werden mich berühern? Meint er damit das, was ich vermute? Wenn ja, dann wäre es definitiv schlimmer als gefoltert zu werden! Einmal würden sie mir seelischen und einmal körperlichen Schmerz zufügen. Und es wäre beides grauenhaft.
Sind das wirklich alle meine Optionen?

Just my LunaWhere stories live. Discover now