23.

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Pia's P.o.V.

Das Kopfkissen unter mir fühlt sich schon ganz nass an, als die letzten Tränen aus meinen Augen treten.
Verzweifelt probiere ich meinen Atem wieder zu beruhigen, damit das Schniefen aufhört. Die Präsenz von Lian hinter mir beruhigt mich dabei nicht im geringsten, denn ich möchte nicht, dass er mich so schwach sieht. Ich muss stark sein.

Wenn man Schwäche zeigt, macht man sich angreifbar, hat mein Vater mir immer eingetrichtert.
Und vielleicht ist Schwäche zeigen mutig, aber das möchte ich momentan nicht sein. Ich möchte mich sicher fühlen, geborgen und geliebt. Ich will garnicht mutig sein.
Ich möchte viel lieber meine Eltern zurück haben! Die nächsten Schluchzer durchschütteln meinen Körper, bis ich festgehalten werde. Die Wärme und Berührung gibt mir Halt, aber ich kann sie nicht akzeptieren, denn ich kenne ihn erst so richtig seit heute. Es wäre dumm mich ihm schon jetzt anzuvertrauen.

Dabei kann ich einfach nicht glauben, dass Gestaltwandler in meinem Leben eine Rolle spielen sollen. Immerhin bin ich ein normalsterblicher Mensch. Hätte ich es schon länger davon gewusst, hätte ich ihm bestimmt eine Chance gegeben. Dann hätte ich mich schon mit dem Gedanken anfreunden können. So aber muss ich mich erst mal daran gewöhnen. Und das passiert bestimmt nicht, wenn ich neben ihm liege.

Ich will hier weg!  Unzwar jetzt! Am Ende habe ich sonst keine Chance mehr, jetzt liegt er so ruhig neben mir. Es muss einfach klappen. Kurzentschlossen stehe ich auf, schwinge mich über die Bettkante und sprinte auf die Tür zu. Im Augenwinkel sehe ich, wie Lian sich verwirrt aufrichtet und drücke schnell die Klinke herunter. Ja, sie ist offen!

"Wo gehst du hin?", höre ich ihn rufen, als ich schon halb draußen bin.
"Ich bin doch keine Gefangene, oder? Dann darf ich mich auch frei bewegen.", entgegne ich einfach nur, da ich selbst noch keinen Plan habe wo ich hingehen soll. Ins Heim möchte ich nicht wirklich, in die Schule auch nicht und nach Hause kann ich nicht. Wohin mit mir?
Trotz dieser Frage gehe ich mit großen Schritten entschlossen weiter, auch als ich Schritte hinter mir höre. Ich behalte mein Tempo bei, um nicht den Anschein einer Flucht zu wecken.

Wo bin ich hier eigentlich?, überlege ich. Vielleicht hat er mich doch irgendwo hin verschleppt?
Ich will mein Handy aus der Tasche holen, um meinen Standort zu überprüfen, aber es ist nicht mehr da. Erschrocken fasse ich noch in die linke Hosentasche und stolper dabei fast, aber auch dort ist es nicht. Hat Lian mir mein Handy weggenommen, damit ich nicht die Polizei rufen kann? Wenn ja, dann kann er was erleben! Da sind meine persönlichsten Sachen drauf! Hoffentlich hat er sie noch nicht gelesen. Wenn er es hat...
Wütend bleibe ich stehen und drehe mich zu ihm um, da seine Schritte die ganze Zeit hinter mir geblieben sind.

"Hast du mein Handy, Lian?", vorwurfsvoll schaue ich ihn an und vergesse dabei glatt meine Angst, da meine Wut überwiegt..
"Nein, hattest du es überhaupt mit?", ahmt er den Unschuldigen.
"Klar hatte ich es mit. Gib es her!", fordere ich ihn erneut auf.
"Ich hab es nicht, Pia.", beteuert er wieder.
"Glaub ich dir nicht. Gib es her.", versuche ich es erneut, nur dieses Mal ist meine Stimme wutverzerrt . Er muss es mir geben! Wenn er die Dateien liest...
"Du bist sogar süß, wenn du wütend bist.", schmunzelt er mich jedoch nur an, was meine Hand ausrutschen lässt. Wie kann er mich nur nicht Ernst nehmen?

Als ich realisiere, was ich getan habe, schaue ich ihn geschockt an, dann schießt der Schmerz in meine Hand. Das ist kein Wangenknochen, sondern ein Zementblock!, denke ich bei mir, trete dabei jedoch ein Stück zurück. Denn obwohl es Lian anscheinend nicht einmal wehtat, schaut nun er mich mit einer Mischung aus Wut, Schock und Unglaube an.
Shit, shit, shit, denke ich, nehme meine Beine in die Hand und laufe so schnell es geht. Hoffentlich ist er nur der stärkste und nicht auch der schnellste Werwolf!

Ich flitze mit pochendem Herzen über den grauen Mamorboden und probiere krampfhaft mein Gleichgewicht auf den rutschigen Socken zu halten. Mit den Armen rudernd biege ich ab, als der Flur endet und in eine Treppe übergeht. Soll ich hoch oder runter rennen, frage ich mich, entscheide mich aber schnell für die größere Kurve, da ich so auf dem Boden schlitter.
Renn nicht weg, Mate!, probiert Lian mich zum Stoppen zu bewegen. Als ob ich so blöd wer! Ein wütender Werwolf auf den ich warten soll? Niemals!

Ich flitze also die Treppe nach oben, was ein ziemlich blöde Entscheidung ist. Ich bin in einer Sackgasse, bemerke ich entsetzt und höre die leisen Schritte von Lian die Treppe herauf kommen. Shit, wohin jetzt? Überfordert schaue ich mich in dem Raum um und bemerke überrascht, dass das anscheinend die Verwöhnlandschaft ist, denn ich sehe einen Pool und einen Saunaeingang. Unter Zwang reiße ich mich von dem Luxus los und springe einfach in den Pool. Wer weiß, ob nicht irgendjemand nackig in der Sauna gesessen wäre. Das ist mir irgendwie unangenehm.

Schnell springe ich ins Wasser und kneife die Augen zu. Mit einem lauten 'Platsch' komme ich auf dem eiskalten Wasser auf, sinke runter und schwimme schnell wieder an die Oberfläche.
Sag nicht, du bist ins Wasser gesprungen?, fragt Lian entsetzt und kommt sogleich in den Raum herein gestürmt. Meine Fluchtversuche sind einfach Scheiße, wie kann man nur so ein Pech haben? Ich hätte die Treppe nach unten nehmen sollen, dann hätte ich immerhin nach draußen rennen können, fluche ich innerlich und beginne zu zittern. Gott, ist das kalt!, denke ich, komme schnell jedoch wieder auf das eigentliche Problem zurück.

Wird Lian mich zurückschlagen? Wird es sehr wehtun? Wird er sich irgendwie anders rächen? All diese Fragen schwirren in meinen Kopf herum, während ich ihn mit weit aufgerissenen Augen anschaue. Unser Blicke begegnen sich und während bei mir die Angst langsam auf unerklärliche Weise verschwindet, hebt er zeitgleich seine Händel als Geste der Unschuld.

Meine Augen huschen dabei an seine verrutschtem T-Shirt entlang zu seinem Sixpack, was mich innerlich sabbern lässt. Wie kann ich nur vor ihm Angst haben und dann gleich wieder sabbern? Von meinem Gefühlschaos verwirrt, weiche ich einen Schwimmzug zurück und starre krampfhaft in sein Gesicht, auf dem kein Anzeichen von meiner Hand zu sehen ist. Dann hat es sich nicht mal gelohnt...

"Pia, ich würde dir nie weh tun, da verletze ich schon lieber mich selbst. Aber jetz komm da raus!", höre ich ihn verzweifelt fluchen.
"Woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sagst?", frage ich, obwohl mein Herz ihm sofort glaubt und bleibe im Wasser.

Just my LunaWhere stories live. Discover now