Teilen, kann schwierig sein!

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Das erste Aufstehen und zur Schule gehen war mühsam und irgendwie anstrengender als sonst. Tobio sah sich im Badezimmerspiegel an und versuchte seine unordentlichen schwarzen Haare in den Griff zu bekommen. Eigentlich war alles wie immer und doch fühlte sich der Blick in den Spiegel anders an. Hinata hätte das wahrscheinlich total schnulzig, aber doch genau in einem Satz auf den Punkt gebracht, aber Kageyama konnte das Gefühl in sich, nicht annähernd so gut in Worte fassen. Er warf sich seine Schultasche und die Trainingstasche über die Schulter und ging die Treppe hinunter. Aus der Küche hörte er die Stimme seiner Mutter, die geschäftig mit jemanden telefonierte und dabei unruhig hin und her lief und Dinge in einen der vielen Kartons packte. Vor ein paar Tagen hatte sie damit begonnen unzählige kleine Dinge in Kisten zu verpacken. Ein paar Küchengeräte waren veschwunden, die teueren Essstäbchen, Fleesedecken, Dekokissen und ein paar Bilder von der Wand. Nichts was essenziel gewesen wäre und sie in irgend einer Weise gebraucht hätten, aber es fiel ihm trotzdem auf.
Sein Vater war bereits zur Arbeit und seine Mutter hatte ihn sein jenem Nachmittag nicht mehr in die Augen gesehen. Tolle Stimmung für den ersten Schultag.
Mit einem leisen Seufzen sah er auf die Uhr und öffnete schnell die Tür.
Er hatte sich mit seinem Freund an der Kreuzung verabredet und wollte nicht zu spät kommen.
Oh man, was war blos mit ihm passiert? Noch vor ein paar Wochen hätte er sich allein bei dem Gedanken selbst geohrfeigt. Dieser kleine nervige Zwerg hatte ihn echt richtig umgedreht. Mit einem fiesen Grinsen dachte er an das Training. Er würde ihn aber trotzdem keinesfalls schonen.
Wahrscheinlich lies ihn Daichi noch nicht aufs Feld, wegen seiner Nase, aber an einem kleinen Sprint war wohl nichts auszusetzen.
"Warum grinst du denn so fies", fragte plötzlich eine Stimme und er sah sich um.
Yamaguchi stand plötzlich vor ihm. Er stand bereits an der Kreuzung an der es sich mit Hinata treffen wollte, doch der kleine kam mal wieder zu spät. Doch nun stand plötzlich der etwas unsicher dreinblickende Teamspieler neben ihm und sah ihn fragend an.
"Mach ich doch gar nicht. Was machst du hier eigentlich?" Sonst hatte er den anderen Erstklässler nie auf diesem Weg gesehen und war zurecht verwundert.
"Ähhm, ich wohne zwei Straßen weiter und war noch kurz ein Bento kaufen", stotterte sein Gegenüber und sah auf seine Füße.
"Wusste gar nicht das du hier in der Nähe wohnst", sagte Kageyama und blickte ungeduldig Richtung Anhöhe. Wieso konnte der kleine nicht einmal pünktlich sein?
"Wartest du auf jemanden"?
Oh man, konnte dieser Einfallspinsel nicht einfach zur Schule gehen, wie konnte man nur so lästig sein, überlegte Tobio und warf ihm einen genervten Blick zu.
"Nein".
"Ohkeey, ja dann kommst du mit zur Schule? Ich gehe normalerweise mit Tsukki aber der hat heute verschlafen und..."
Der anderere plapperte wie ein Wasserfall und er konnte nicht anders als die Augen zu verdrehen. Normalerweise hätte er ihn einen Blick zugeworfen, der ihn sofort zum schweigen gebracht hätte und wäre dann einfach gegangen, doch das ging heute nicht. Gerade als er den anderen unwirsch darauf hinweisen wollte, das es ihn sowas von gar nicht interessierte was dieser gerade von sich gab, erkannte er in der ferne einen kleinen orangenen Punkt der schnell näher kam. Na endlich.
Außeratem blieb der Spiker mit seinem Fahrrad vor ihm stehen. "Entschuldige, ich wurde aufgehalten. Natsu..."
"Hey Hinata wie gehts deiner Nase", fragte Yamaguchi und man merkte direkt wie sich sein Blick aufhellte.
"Hey Yamaguchi, was machst du denn hier? Und äh meiner Nase gehts schon besser, morgen kommt schonmal die Schiene runter und nächste Woche darf ich wieder spielen. Das wird super."
"Ja auf dem Spielfeld sein ist wirklich toll".
Kageyama wurde das langsam zu bunt. "Können wir jetzt losgehen", fragte er deshalb mit einem missgrämmigen Ton und machte sich ohne Antwort der beiden einfach auf den Weg.
Das hatte er sich deutlich anders vorgestellt. Die Hände in den Taschen vergraben und mit deutlich schlechter Laune setzte er seinen Weg fort und hörte hinter sich die beiden anderen fröhlich quatschen. In seinem Hals saß ein Klos und er konnte ihn einfach nicht runterschlucken.

Die Schule war wie geahnt langweilig und Widerwillen versuchte er trotzdem etwas aufzupassen, damit seine Noten nicht ganz in den Keller fielen. Das einzige das seine Laune etwas hob war die Aussicht auf das Training heute Nachmittag.
In der Mittagspause saß er hinter der Turnhalle und trank ein Päckchen Milch und aß ein gekauftes Bento, als sich plötzlich Hinata zu ihm setzte.
"Hey, da bist du ja, du warst vorhin so schnell weg", sagte er und lies sich wie selbstverständlich neben ihm sinken.
Er kramte in seiner Umhängetasche und zog eine rote Bentobox heraus, die offensichtlich selbst gemacht wurde und begann strahlend zu essen.
"Was wollte Yamaguchi denn heute morgen von dir", fragte der Kleine mit vollem Mund und sah ihn mit schräg gelegtem Kopf an.
Gerade als Tobio antworten wollte kamen auf einmal Tanaka und Noya um die Ecke.
"Hey Hinata, wie gehts dir. Kannst du heute schon wieder mittrainieren?", rief Tanaka.
"Nein, noch nicht, aber nächste Woche, da schlage ich euch wieder die Bälle um die Ohren", schrie Hinata und fuchtelte mit seinen Händen. "So wuush, bähm."
"Und ich werde sie annehmen", sagte Noya überzeugt und auf dem Gesicht des kleinen Spikers erschien komplette Bewunderung.
"Du musst dir auch unbedingt den Clubraum anschauen, Daichi hat gesagt, das die uns neue Spinte eingebaut haben und wir jetzt einen Duschraum bekommen, damit wir nach dem Training gleich duschen können."
"Wooow", freute sich Hinata übertrieben und schlang sein Mittagessen hinunter.
"Wäre echt cool, nicht mehr komplett verschwitzt nach Hause zu gehen", meinte Noya.
"Meinst du wir können Daichi den Schlüssel abluchsen und schonmal vorher einen Blick reinwerfen", rief er dann gleich.
"Also meinen Charme kann er bestimmt nicht widerstehen", sagte Tanaka grinsend und Noya und Hinata sahen ihn nur kopfschüttelnd an, waren dann aber gleich Feuer und Flamme und Sekunden später schmiss sich der Zwerg die Tasche um und war mit den anderen Vollidioten verschwunden.
In seiner Brust breitete sich ein so enges Gefühl aus, das er am liebsten jemanden geschlagen hätte. Was war blos los? Er wusste ja, das der Mittelblocker deutlich beliebter war, aber musste er ihn deshalb links liegen lassen.
Pötzlich wurde ihm klar, warum er so ein beklemmendes Gefühl hatte.
Er musste Hinata jetzt wieder teilen. Die vergangene Woche hatten sie fast jeden Tag miteinander verbracht, doch hier in der Schule hatte er viele Freunde und Klassenkameraden, mit denen er sich gut verstand und die alle mit ihm spielen oder mit ihm quatschen wollten.
Ätzend einfach ätzend.
Seine Hände zitterten und deshalb ballte er sie schnell zu Fäusten . War er wirlich so besitzergreifend? Hinta war nun mal ein netter Kerl, klar das er viele Freunde hatte und mit denen musste er ihn Wohl oder übel teilen. Doch gerne tat er das nicht.
Genervt von sich selbst warf er sein leeres Trinkpäckchen gegen den Mülleimer und versuchte die kochende Wut in sich hinunter zu schlucken.
Wenn er ihn schon in der Schule teilen musste, musste er eben nach der Schule einen Weg finden, mit ihm allein zu sein.
Sie müssten ja nicht gleich... Aber so eine Umarmung die seinen Körper von innen wärmste, wäre schon nett gewesen.
Oh man, was war blos aus ihm für ein Schwächling geworden. Er sehnte sich nach den Berührungen des kleinen Idioten und hasste sich selbst dafür. Innerlich forderte er sich auf etwas mehr Rückgrat zu beweisen, er wollte kein weinerlicher Beziehungsfanatiker sein, der seinem Freund wie ein bedürftiges Hündchen hinterher lief.
Kageyama atmete tief durch und fasste einen Entschluss. Ja er und Hinata waren jetzt zusammen, doch hieß dies nicht, das er sich selbst dabei vergessen würde.

kagehina kribbeln im BauchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt