TWO

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[by @highonvelvet; @story-of-light]


Seulgi konnte ihren Augen kaum trauen, als sie die Frau vom Glühweinstand sah.

Juhyun war wieder atemberaubend. Im Gegensatz zum gestrigen Tag trug sie heute ein schlichtes Outfit, einen langen, hellbraunen Mantel und einfache, schwarze Jeans. Die hochhackigen Stiefel, die sie zu dem Mantel in einem dunkleren Ton kombiniert hatte, standen ihr ausgezeichnet und Seulgi fragte sich wieder, warum sie bei einem Weihnachtsmarkt Alkohol ausschenken musste (auch wenn Seulgi fand, dass der ziemlich lecker schmeckte).

Seulgi merkte beinahe nicht, dass sie an Ort und Stelle stehengeblieben war, während Juhyun mit raschem Tempo durch die menschenbefüllte Stadt schritt. Schnell stapfte sie durch den Schnee, um Juhyun einzuholen. Dabei fühlte sich die Serviette in ihrer Handtasche angenehm warm an.

„Warte!“, keuchte sie. Als Juhyun sich zu ihr umdrehte, hätte sie am liebsten ein Foto gemacht. Das weihnachtliche Szenario der festlich geschmückten Innenstadt Seouls im Hintergrund und Juhyun mit von der Kälte rosig gefärbten Wangen wären perfekt für ein professionelles Fotoshooting gewesen, wie Seulgi fand.
Stattdessen beugte sie sich leicht und versuchte, etwas Luft wegen des kurzen Sprints zu schnappen.

„Oh“, sagte Juhyun und bückte sich zu ihr hinunter. „Geht’s wieder?“, fragte sie besorgt. Seulgi nickte. „Geht schon“, ihre Antwort war eher ein beschämtes Murmeln anstatt einer richtigen Aussage.

„Schön, dich wiederzusehen“, meinte Juhyun mit einem charismatischen Lächeln und Seulgi fühlte sich, als könne sie vor lauter Wärme in ihrer Stimme schmelzen. „Finde ich auch“, stimmte Seulgi freudestrahlend zu.

Daraufhin folgte unangenehme Stille.

Seulgi war es mittlerweile fast schon peinlich, Juhyun angesprochen zu haben, ohne sich davor überlegt zu haben, worüber sie überhaupt mit ihr sprechen wollte.

Glücklicherweise war Juhyun anscheinend geschickt darin, solche Situationen zu vermeiden.

„Willst du vielleicht ein Stück mit mir gehen?“, bot sie an, woraufhin Seulgi energisch nickte und begann, zusammen mit Juhyun durch die verschneiten Straßen Seouls zu gehen.


Irgendwann hatten die beiden sich in ein kleines Café in der Nähe von Seulgis Wohnung begeben. Glücklich nippte Seulgi an ihrem Chai Latte, während Juhyun sich irgendeine exotischere Kaffeesorte genehmigte, die die Jüngere nicht kannte.

Es stellte sich heraus, dass Juhyun großes Interesse an Seulgis Leben hatte. Zumindest hörte sie Seulgi aufmerksam zu, als sie über ihr Studium, ihre viel zu kleine Wohnung und ihre Freundinnen erzählte.

„Erzähl mir noch etwas über dich!“, forderte Seulgi nach einem etwas zu lange geratenen Monolog über Erlebnisse mit Seungwan, Sooyoung und Yerim. „Du arbeitest ja bei dem Stand?“

Für eine Sekunde lang sah Juhyun so aus, als wäre sie nicht sonderlich erfreut, über dieses Thema zu sprechen. Nichtsdestotrotz lächelte sie wieder in ihren Kaffee hinein. „Ja, das stimmt, aber es ist nur ein Nebenjob“, erwiderte sie, ohne den Blick von ihrem Getränk abzuwenden.

Ausgerechnet über Juhyuns Beruf musste Seulgi sprechen! Sie musste irgendwie versuchen, ein anderes Thema anzuschneiden und nicht an den Job am nächsten Tag zu denken.

„Du warst mit deinen Freundinnen beim Weihnachtsstand, nicht wahr?“, lenkte Juhyun ab und konnte damit erfolgreich einen weiteren Monolog von Seulgi erzielen.

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Juhyun winkte Seulgi zum Abschied noch zu, bevor die Jüngere in dem Haus, in dem sich scheinbar ihre Wohnung befand, verschwand.

Sie mochte Seulgi, sie entsprach Juhyuns Geschmack auf den Punkt genau: jung, hübsch, allerdings etwas naiv. Allein schon die Art, wie schockiert Seulgi über Juhyuns Job war, zeigte, wie realitätsfern sie dachte. Diese kleinen Aufträge, die Juhyun annahm, waren notwendig, damit sie überhaupt einen Teil ihrer Wohnung bezahlen konnte. Sie tat es ja nicht freiwillig.

Vorallem der morgige Job bereitete Juhyun schon seit einigen Tagen Kopfschmerzen.

„Das Leben ist nicht so einfach wie du denkst“, teilte Juhyun Seulgi in Gedanken mit – darüber bewusst, dass sie es nie erfahren, geschweige denn glauben würde – und fuhr erschöpft zum Weihnachtsmarkt.

●•vivid°seulrene•●Where stories live. Discover now