28| target subject: maya swan.

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[zielperson: maya swan.]

Ruckartig schloss sich die Tür hinter mir und der schwarze Lieferwagen düste davon. Der kalte Wind peitschte mir ins Gesicht. Eine leichte Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus.

»Von jetzt bist du auf dich gestellt.«, hörte ich Tom in meinem Ohr.

Ich überquerte die Straße und verschwand in dem U-Bahnhof. »Bin am Bahnsteig.«, sagte ich in meinen Jackenkragen.

»Die Bahn kommt in zehn Sekunden. Du musst weiter nach links.«, informierte mich Logan und behielt recht.

Zehn Sekunden später rollte die U-Bahn in den Bahnhof und kam quietschend zum Stehen. Ich stieg in die volle Bahn und seufzte. Es würde auffallen, wenn die IT-Abteilung in den nächsten Minuten das Videomaterial löschen würde.

»Lauf für fünfeinhalb Sekunden nach rechts. Du musst den Wagon wechseln, der ist zu voll. Das würde nur unnötig für Aufsehen sorgen.«

Ich tat wie angewiesen und stellte mich vor die Tür. Die Bahn rollte in den nächsten Bahnhof ein. Ein kleiner Junge neben mir bestätigte den Knopf für die Tür, als dieser grün aufleuchtete und hechtete hinaus. Ungewollt wurde ich durch einen Gedanken an Lemon abgelenkt und angerempelt.

»Maya!«, vernahm ich die lauten Stimmen von Tom und Logan in meinem Ohr.

»Sorry!«, sagte ich und hetzte aus den Türen.

Ein großgewachsener Mann stellte sich in meinen Weg, behinderte mich beim Aussteigen. »Entschuldigung, Sir.« Er ließ von mir ab, flüchtete in die Bahn.

»Scheiße!«

»Fuck!« Tom und Logan fluchten gleichzeitig in meinem Ohr.

Die Türen schlossen sich und die Bahn fuhr ohne mich weiter. Erschrocken über diese Tatsache starrte ich den Mann an, der grinsend in der Bahn wegfuhr. Es war niemand Geringes als Sam, die zweite Hand von Jayden Bourne. Er hob die dunkle Hand, salutierte, ehe der Tunnel ihn verschluckte.

Sofort suchte ich systematisch meine Taschen ab. Wo war es? Wo war der Hinweis, dass das passierte, was ich befürchtete? Das weiße Blatt Papier fiel aus meiner Tasche auf den Boden. Hektisch faltete ich es auseinander. Jemand sagte einmal: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben, stand dort geschrieben.

»Was steht auf dem Zettel?«, wollte Logan wissen.

»Du musst die nächste Bahn nehmen und dann rennen! Fuck, wir sind im Verzug! Wenn jemand anderes an diese Datenträger kommt, dann wäre das ein Desaster.«

Ich zerknüllte den Zettel und warf ihn auf dem Weg zu der gerade kommenden Bahn in einen Mülleimer.

Konzentration, befahl mein innerer Teufel und ließ seine Nacken knacken.

Die U-Bahn war leerer als die davor und stellte damit kein Problem dar, die Frequenzen, in denen ich zu sehen war, zu löschen. Mit einer Verspätung von einigen wichtigen Minuten kam ich in der Nähe des Zielortes an. Schnellen Schrittes verließ ich den Bahnhof und eilte in das Einkaufszentrum Westfield London.

»Sie ist im Westfield.«, sagte Logan sachlich in mein Ohr und wartete einige Sekunden auf die Rückmeldung der Zentrale. »In fünfundzwanzig Sekunden nimmst du die Treppe auf der linken Seite.«

In Gedanken zählte ich die Sekunden herunter und stieg dann die Rolltreppe hoch in den ersten Stock.

»Halt dich links. Für die Ablenkung ist gesorgt. Wenn es knallt, gehst du durch die graue Tür, die du ansteuerst. Du musst dann den Treppen bis zur grünen Notausgangstür folgen, das Päckchen sicher entgegennehmen und deine Mission erfolgreich beenden.«

Ein lauter Knall ertönte hinter meinem Rücken, sorgte für panische Rufe meiner Mitmenschen. In meinen Ohren fing es unangenehm an zu piepsen.

»Hättet ihr mich nicht warnen können, wenn es knallt? Jetzt piept es in meinen Ohren!«, informierte ich meinen Bruder und meinen Ex-Partner unzufrieden.

Ruckartig stieß ich die schwere, graue Tür, die zum Treppenhaus führte, auf und sprintete die Treppen, die vor mir lagen, hoch.

»Die Kameras im gesamten Gebäude sind für die nächsten drei Minuten deaktiviert.«

Die frische, kühle Luft empfing mich, als ich auf das Dach trat und unmittelbar meiner Mission gegenüber stand.

»Maya Swan. Man hört viel über Sie und Ihren Werdegang zu einer geschickt brutalen Profikillerin.«, begrüßte mein Gegenüber mich.

»Über Sie kann ich bedauerlicherweise nichts Gutes sagen.«, entgegnete ich und umfasste meine Pistole fester.

Der junge Mann brummte und kratze sich durch die schwarze Sturmmaske am Kopf. »Der Deal, den ich mit Ihnen eingegangen bin, steht noch?«

»Natürlich. Ein Schwan, so weiß wie unberührter Schnee mit einem edlen, reinen und stolzen Aussehen lässt keine Deals platzen. Sie geben mir das Päckchen und dürfen im Gegenzug Ihre restlichen Tage weit weg vom MI9 verbringen.«

»Sie halten Ihr Versprechen und ich meins.« Er löste seine Hände hinter seinem Rücken und hielt mir das braune, kleine Päckchen hin.

»Das ist alles?«, hakte ich misstrauisch nach.

»Haben Sie erwartet, das die Rettung Englands in einem großeren Päckchen ist?«

»In gewissermaßen: Ja.«, sagte ich ruhig und nahm das kleine Paket entgegen.

Ein kurzer Blick in das Innere verriet mir, dass das Gesagte meines Gegenübers stimmte; in meinen Händen befand sich nun die nationale Sicherheit Englands. Ich verstaute das Päckchen in meiner Jackentasche und zuckte meine P99.

»Vielleicht hätte ich erwähnen sollen, dass ich der schwarze Schwan bin und keinen Engeln Flügen schenke, sondern den Teufeln.«, sagte ich sachlich und drückt ab. Mission erfolgreich erfüllt!

»Maya, es gibt Probleme. Unserer Zielperson war klar, dass du dich an den Deal nicht halten würdest. Seine Männer haben dich als Freiwild eingestuft und sind auf den Weg zu dir. Das MI9 hat Alarmstufe Gelb ausgerufen und versucht Schadenbegrenzung durchzuführen. Tom macht sich auf den Weg zu dir. Du musst ... Maya, renn um dein Leben und wehe jemand löscht deinen Lebenswillen aus.«

Während Logan mit mir sprach, rannte ich bereits das Treppenhaus nach unten und schaffte es unbemerkt aus Westfield. Ich lud meine Pistole und schaute mich nun auf offener Straße paranoid um. Scheiße, so was musste ja passieren.

»Maya, beweg dich!«

Ich scannte meine Umgebung wachsam, achtete auf die kleinste Unregelmäßigkeit, etwas, das die Männer, die mich jagten, von den anderen abgrenzte. Nur ein winziger Hinweis, und ... da war es! Das Aufblitzen einer auf Hochglanz polierten Pistole.

Noch immer die Ruhe in Person nannte ich Logan die Position meiner Entdeckung und lief los, verschwamm mit der Menschenmasse. Das Blut in meinem Körper gefror, als ein markerschütterndes Geräusch ertönte – dicht gefolgt etlichen dieser Töne.

Schüsse.

Sie und ErWhere stories live. Discover now