Halloween

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„ 31. Oktober 1994, Salem
Der Regen prasselte gegen meine Fensterscheiben und die Scheibenwischer waren schon auf Stufe 3 gestellt, aber das Unwetter schien kein Ende zu nehmen.
Mit so wenig Gas wie möglich bog ich im zweiten Gang am Ortsschild vorbei.
Was für manche Menschen aufgrund seiner Geschichte eine der interessantesten Städte der Welt war, war für mich nur der nächste Ort neben meiner Heimat.

Ich passierte die Kleinstadt, die im ganzen Jahr einen Kürbis vor ihre Beschriftung stellte und mit einem Hexenbesen den Namen unterstrich.
Im Radio spielte gerade das Lied Zombie, als mein Wagen abrupt stehen blieb.
Ernsthaft jetzt? War das nicht ein bisschen klischeehaft?
Ich verdrehte die Augen. Naja, den restlichen Weg bis zum Tierheim könnte ich jetzt auch zu Fuß gehen.
Seufzend stellte ich fest, dass ich keinen Regenschirm dabei hatte, also müsste ich wohl die Nässe über mich ergehen lassen.
Mit großem Kraftaufwand bekam ich die Tür auf, und wurde sofort von einer peitschenden Bö kaltem Regenwasser erfasst. Windig war es also auch noch.
Genervt riss ich die hintere Türe meines gelben Fords auf und schnappte mir die noch leere Katzentransportbox. Vielleicht hätte ich mir den falschen Tag ausgesucht, eine Katze zu adoptieren, aber ich hatte mich so gefreut, mir eine Katze zuzulegen, jetzt wo ich meine eigene Wohnung hatte, dass ich mich durch ein wenig Sturm nicht davon abbringen lassen würde.

Ich schloss also meinen Wagen ab und wollte mich gerade auf den Weg machen, als ich schon wieder von einem Windstoß erfasst wurde, welcher mir mein rotes Beret vom Kopf wehte und noch dazu fast den Mantel auszog. So schlecht war das Wetter doch sonst nicht? Genervt hob ich meine Baskenmütze vom Boden auf und versuchte, so gut es ging die matschige Erde abzuklopfen.
Die Straßen von Salem waren wie ausgestorben, da sich niemand (außer mir) bei diesem Wetter vor die Türe traute, und dass, obwohl Halloween war!
Die Kürbisse faulten leer vor sich hin, da die Kerzen längst vom Regen erloschen waren, weshalb einzig und allein die paar Straßenlaternen gelbliches Licht abgaben, das durch den diesigen Nebel hindurch zu mir hin strahlte.
Es tat mir leid für die Kinder, die auf diesen Abend hingefiebert hatten, und sich Erfolge beim „Süßes oder Saures" erhofft hatten, denn das fiel ja jetzt wortwörtlich ins Wasser.

Selbst auf dem Bürgersteig hatten sich schon kleinere Pfützen gebildet, deren Harmonie meine Chelsea Boots zerstörten. Wo genau kam man nochmal zum Tierheim? Und hatten die bei diesem Wetter überhaupt auf?
Beziehungsweise um diese Uhrzeit?
Ich hätte mich früher auf den Weg machen sollen, aber bei der Arbeit hatte ich nicht früher weg gekonnt, und jetzt hatte ich den Schlamassel - vor drei Stunden hatte das Unwetter definitiv noch nicht diese Ausmaße angenommen.
Zielstrebig bewegte ich mich weiter, und beim Blick aufs Straßenschild merkte ich auch, dass ich links abbiegen müsste, um zum Tierheim zu gelangen.
Von irgendwoher konnte ich die Rufe einer Eule hören. Was hatte meine Oma früher gesagt? Eulen kündigten den Tod an?
Lieber nicht drüber nachdenken.

Frierend zog ich meinen Mantel enger, an meinen Körper mit der Illusion, dass der soweit schon komplett durchnässte Tweed mich noch wärmen können.

Müde und überfordert vom dem aufgewirbelten Laub, der mir durchgehend ins Gesicht schlug, umklammerte ich den Käfig, als würde mein Leben daran hängen und dann fand ich die Adresse.

Für eine Sekunde vergass ich Sturm um mich herum das Haus von der alten Lady mit der ich Telefoniert hatte wohnte nicht in irgendeinem Haus...
Es war schwarz.
Schwarz wie die Nacht.
Schwarz, wie die Seele seines Besitzers.

Dort drin hatte Judge Jonathan, während der Hexenprozesse gelebt. Er war einer der die schlimmsten Urteile vergeben hatte.

Im obersten Fenster blendete Licht, ohne Vorwarnung wurde es gelöscht und ein schwarzer Vorhang wird zu geschlagen. Ist das die richtige Adresse? Sie musste es sein, ich hatte mir erst vor 20 Minuten von meinen Arbeitskollegen erklären lassen, wie gehen musste.
Zögernd und mit einem mulmigen Gefühl im Bauch betrat ich den Garten.
Dort standen keine Kürbisse, dort brannten keine Lichter, die Pflanzen waren tot, abgestorben.

Sobald ich ihn betrat, schien der Sturm sanfter zur werden und mein Blick fiel auf eine Statue, die fast von Moos überdeckt war, sie sah aus wie ein Totenkopf.
Ich schüttelte meinen Kopf und fokussierte mich auf die Veranda.
Der Lack, mit dem das Holz lackiert war, blätterte an allen Stellen bereits ab, und ich fragte mich, warum die Frau, die hier lebte, nicht mal ein paar Dollar in einen guten Malermeister investiert hatte.
Neben der alten Holztür suchte ich nach einer Klingel, jedoch war da keine, nichtmal eine altmodische Metallklingel.
Dann müsste ich wohl mit dem Türklopfer vorlieb nehmen: Er war geformt wie ein Golem, ein Gesicht mit Hörnern und einem nach oben gezwirbelten Schnurrbart. Bei näherer Betrachtung war es vielleicht auch der Teufel selbst.

Ich nahm einen tiefen Atemzug und klopfte dreimal mit dem schweren Eisenring auf das dunkle Holz. Laut war das Geräusch auf jeden Fall.
Ein paar Sekunden lang geschah nichts. Ich drehte mich kurz um, für einen Moment froh, dass das Dach der Veranda, wenn es auch morsch war, mich wenigstens vor dem Großteil des Sturms und Regens bewahrte.
Umso überraschter war ich, als die Türe abrupt geöffnet wurde.

Mein Herz blieb stehen und ich wagte es nicht zu atmen.
Es war kein Geist in der Tür und auch keine Mörderin...
Überfordert blickte ich auf den kleinen schwarzen Kater hinab der genüsslich in einem altem Korb ( hast du ne coolere Idee wo er drin liegen kann?" ) vor sich hin schnurrte, als er mich sah bildete ich mir ein, dass er mich anlächelte und sofort wurde mir wieder wärmer ums Herz.
Vorsichtig bückte ich mich und musste aufpassen nicht auf den rutschigen Dielen auszurutschen.
Vor ihn war ein lila Briefpapier gelegt : Bezahlung auf mein Konto und dann stand dort noch die Nummer. „ ich stoppte und sah zu meiner Tochter hinab. „ Und was ist dann passiert?" aufgeregt sah sie mich an „Ich hab ein Taxi gerufen und bin zusammen mit dem Kater in meine Wohnung gefahren" Das Leuchten in ihren Augen erlosch. „ Das kann doch nicht alles sein! Was ist mit deinem Wagen oder was ist mit der Stadt ?" Ich musste lachen, ich hatte gedacht die Geschichte würde sie langweilen. „ Das Auto hab ich am nächsten Tag abholen lassen. Ich war wohl so vom Wetter fasziniert, dass ich vergessen hatte zu Tanken und die Stadt, nun ja" in dem Moment sprang mein schwarzer Kater auf ihren Schoß. „Die Stadt ist jetzt der Name unseres Katers" „Salem"

Kurzgeschichten 2019Donde viven las historias. Descúbrelo ahora