35| Auf der Spur

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„Wir sind wo?!", rief ich außer mir und betrachtete fassungslos die ernst dreinblickenden Jungs vor mir. Der Freitagnachmittag war schneller gekommen als es mir im Nachhinein lieb war. Denn hätte ich gewusst, dass die beiden Jungs mich mit auf deren Verdächtigten-Jagd mitnehmen würden, dann hätte ich entweder mit einem „Nein!" geantwortet oder es so lange wie möglich in Verzögerung gezogen.

Denn wer konnte schon ahnen, dass nach zwei wohlentspannten Tagen, einer mit Dean am Hafen und einer mit Aidan daheim, ein rapider Stimmungsumschwung erfolgen würde. Eine vermeintlich humorgefüllte Autofahrt voller gespielt eifersüchtiger Streitereien zwischen Jason und Nathan endete mit einem Nachmittagsbesuch im Hause von Milows Mutter. Und wir redeten hier nicht von Nathalie, sondern von seiner leiblichen Mutter, die von wo auch immer auf einmal aufgetaucht war und uns nun mit skeptischem Schweigen musterte.

Mein Blut brodelte. Nicht, weil ich wütend war, sondern weil ich kein Eierflattern haben konnte und meine Nervosität und Angst irgendwie anders von meinem Körper verarbeitet werden musste. Umso mehr ich meine Gedanken auf etwas anderes lenken wollte, umso stärker nahm ich leider die pochenden Kopfschmerzen wahr, die sich in meinem Schädel ausgebreiten wie ein Lauffeuer.

„Und... Ihr seid nun weshalb hier?", brach die schieflächelnde Frau unser Stummsein. Daraufhin räusperte sich Christian und fuhr sich mit seinen schwitzigen Händen über seine Oberschenkel, was eine leichte Schweißspur hinterließ.

„Nun, Mrs. Ronald. Es tut mir Leid, es Ihnen mitteilen zu müssen, aber Ihr Sohn wurde kürzlich tot aufgefunden."

„Ich habe keinen Sohn. Und auch keinen Mann, nennen Sie mich Miss."

Eine Gänsehaut legte sich bei dieser eisigkalten Monotonie ihrer Stimme über meine Haut, dass ein Schauer direkt meinen Körper hinunterrann.

„Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise. Es geht hierbei um ihren biologischen Sohn, welchen sie mit drei Jahren zur Adoption freigegeben hatten. Sie müssen wissen, dass Milow zum Zeitpunkt seines Todes zur Rehabilitierung in einer Psychiatrischen Anstalt eingewiesen war aufgrund von diversen Straftaten und-"

„Sie brauchen mir bei Gott nicht erzählen, was mit ihm ist. Ich dulde diese Teufelsgestalten nicht mehr in meinem Hause, für mich haben sie nie existiert, und ich danke des Herren Güte, mich vor ihnen gerettet zu haben. Der Wahnsinn ist mit ihnen durchgegangen", flüsterte sie unbeeindruckt, doch in ihren Augen sah ich den puren Schmerz. Ich spürte ihre Angst, ihr Leid, als sie sich aus dem Unterbewusstsein an die Ärmel griff und diese runterzog.

„Wie meinen Sie das? Könnten Sie das genauer ausführen, Miss?", fragte Jason mit einem solchen Ernst, dass mich ein Schauer überfuhr. Man sah Jason selten, sehr selten ohne einen Funken von Humor. Interessiert beugten sich alle drei Jungs vor und zogen die Augenbrauen zusammen.

Trotz der Umstände musste ich über diese eingespielte Synchronisation lächeln. Es war unglaublich wohlig, sich diese Harmonie anzusehen.

„Wer sind Sie, dass Sie glauben, mich sowas fragen zu dürfen?!"

„Wir arbeiten für einen Sicherheitsdienst und befinden uns in Kooperation mit der Polizei. Es besteht der Verdacht auf einen Mord, Miss. Wir haben Besorgnis, dass sich der Täter noch auf freien Beinen befindet und der anwesende Ms. Lanster etwas anzutun gedenkt." Ruhig griff er in seine Jacke und holte einen Ausweis heraus, welchen sie skeptisch beäugte und sie einem spöttischen Grinsen brachte.

„Und wenn schon! Sie sollen zur Hölle, wo sie hingehören! Und nun verlassen Sie mein Haus. Wenn Sie in Kooperation mit der Polizei stehen, dann haben Sie sicherlich gesehen, dass ich bereits zu dem Fall vor sechs Jahren meine Aussagen gemacht habe. Also verschwinden Sie! Von allen guten Geistern wäre ich verlassen, freiwillig diese Teufelsbrut aufzusuchen." Plötzlich wendete sie sich an mich und eine Milde legte sich um ihre Mienen, die zuvor von Härte verdrängt worden war, „Wenn Gott es geplant hat, so wird er Dir beistehen, Mädchen. Trau dem Herrn, er tut Guten nichts Böses."

Betretene Sprachloslosigkeit verbreitete sich unter uns, in mir zudem noch unbändige Wut. Wut, weil ihre Worte nichts waren als Ausreden, um sich die schlechten Ereignisse im Leben zu erklären. Doch ich war zu ihrem Bedauern nicht gläubig. Ich war nicht so naiv zu denken, diese Nacht habe einen guten Grund gehabt. Und niemandem wünschte ich es, Erinnerungen und Trauma ähnlich meinen zu haben, denn sie würden einen immer verfolgen und zerstören. Das hatte nichts mehr mit Gottes Plänen zutun sondern allein mit der Grausamkeit der Welt und dem Mangel an Menschlichkeit. Himmel, nein, ich glaubte keineswegs an den Determinismus.

Das resignierte Seufzen von Nathan brach die Stille und nickend erhob er sich, was uns zu dem gleichen Handeln veranlasste. Freundlich aber distanziert lächelnd reichte er der Frau die Hand. „Auf Wiedersehen, Miss." Sie erwiderte das Nicken.

„Und?" Neugierig legte ich den Kopf schief und versuchte, die Gedanken der Jungs abzulesen, doch sie blickten sich nur mit einem Pokerface an, ehe Christian ein Büchlein rausholte und mit einem Stift etwas niederschrieb. Zur gleichen Zeit griff Jason sein Handy und rief Liz an, welche er lauthals begrüßte und nach dem heutigen Abendessen fragte. Nathan hingegen lehnte sich gegen das Auto und lächelte ein wenig verschmitzt. „Was?", stellte ich eine erneute einsilbige Frage und lächelte auch leicht, als ich seine Grübchen wahrnahm. Er zuckte mit den Schultern und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe er seine Hand meinen Arm hinunterstreichen ließ und seine Finger mit meinen verschränkte.

„Claire", wurde unser Moment von Christian zerstört, bevor er sich bilden konnte, „ich hoffe, es ist nicht schlimm, dass ich auf dein Mitkommen bestanden habe. Aber es ist wichtig, die Reaktion der Leute zu sehen, wenn sie dich sehen. Zum Beispiel können wir jetzt definitiv sagen, dass Miss Ronald es sehr wahrscheinlich nicht war. Und warum?"

Verblüfft über diese Feststellung, die mir zwar logisch erschien, aber nicht geheuer war, legte ich den Kopf leicht schief. Zu meinem Glück war die letzte Frage nicht an mich gerichtet gewesen, sondern an seinen Sohn, welcher einen fragenden Blick zugeworfen bekam.

„Kurz gesagt, sie lebt in Verachtung und Hass für die Smiths, aber noch viel mehr in Angst vor ihnen. Womöglich würde sie sich lieber das Leben nehmen, als ihnen freiwillig wieder zu begegnen."

Dito.

Als hätte Nathan mein inneres Verständnis gespürt, drückte er meine Hand kurz und blickte mich argwöhnisch von der Seite an. Ich konnte ihn daraufhin nur unschuldig anlächeln, weil ich es nicht verleugnen würde, dass diese zwei Kreaturen mir mein Leben zur Hölle gemacht hatten und ein drittes Mal würde ich nicht durchgehen können. Nicht, ohne psychisch als totales Wrack wieder rauszukommen, wenn überhaupt.

„Bingo. Also gehen wir zur nächsten Person", nickte die ältere Version meines Freundes stolz und schenkte seine Aufmerksamkeit wieder dem kleinen gebundenen Buch in seiner Hand, womöglich um die nächste Person rauszusuchen.

Doch meine Gedanken hingen weiterhin bei Miss Ronald, die eine so hasserfüllte Angst in ihren Augen hatte, dass mir nur bei dem Widerruf der Erinnerungen ein Schauer über den Rücken lief. Ich kannte diesen Ausdruck nur zu gut. Er schrie nach Rache. Vielleicht sollte ich Nathan meine Bedenken mitteilen.

„Nathalie Sonroe ist dann wohl die Nächste auf der Liste", gab Christian bekannt und zog meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, bevor ich mich an meinen Zweifeln manifestieren konnte. „Womöglich diejenige mit dem naheliegendsten Motiv. Rache für ihre Tochter."

Es stimmte. Ein offensichtlicher und logischer Zug, doch ein flaues Gefühl umgab mich. So einfach konnte es nicht sein. 

Da bin ich wieder! Und das Kapitel, welches ich vor einer Woche fertig geschrieben habe, kann auch endlich Mal hochgeladen werden>.< Denn ratet, wer absolut kein Wlan in der Wohnung hat? Bingo! Ich :3 Aber zum Glück kann ich mich auch ohne Wlan vergnügen:D ~xT

Please, once againWhere stories live. Discover now