5| Eifer sucht

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-Claires Sicht-

„Claire, dein Freund ist da!", rief Aidan durch das ganze Haus. Genervt verdrehte ich die Augen, erhob mich dennoch aus dem Schneidersitz. Während ich nebenbei nach meinem Handy griff, schaltete ich mit der kleinen Fernbedienung die Musikanlage aus. Das Kribbeln, welches durch das langweilige Sitzen im Schneidersitz ausgelöst wurde, ließ meine Beine gefährlich wackeln, doch dennoch versuchte ich erhobenen Hauptes die Treppen hinunter zu stolzieren.

Auch, wenn meine innere Stimmung mir eher riet, weit weg von Nathan zu sein, weil ich mich nicht mehr so wohl neben ihm fühlte, wie ich es vor einer Woche noch getan hatte.

Seit dieser gottverdammten Verabredung mit Ivy – auch, wenn da noch andere dabei gewesen sein sollten– war er mir auf eine absurde Weise so fern.

Oder ich einfach nur eifersüchtig.

Ein breit grinsender Jason stand vor der Tür und wank mir leicht zu.

„Yuch? Jason, du hier? Wo ist Nathan?", fragte ich ihn direkt und lächelte dabei freundlich. „Er ist im Auto, wollte noch irgendwas holen gehen", erwiderte dieser mit einem Zwinkern, ehe er in das Haus eintrat und in der Küche verschwand. Ich vernahm noch die Stimme meines Bruders, doch wurde dann von jemand Bestimmten in meinem Spionageakt unterbrochen.

„Bereit für Mrs. Minegold?", pustete mir jemand in mein Ohr. Instinktiv schleuderte ich meine Hand gegen die Quelle, als wäre sie eine nervige Fliege, jedoch traf diese auf Wiederstand.

Oops.

„Tut mir leid", entschuldigte ich mich halbherzig, fing jedoch augenblicklich an zu lachen, als ich seinen Gesichtsausdruck voller Schock und Verwirrung entdeckte. Zu süß sah er in dem Moment aus. „Und ehrlich gesagt, ja, bin ich. Ich glaube, ich fühl mich heute bereit genug."

Überrascht blickte er mich an. Ich erkannte in seinem Blick, dass er sich eigentlich für den Schlag rächen wollte, diesen Plan nun aber verworfen hatte. „Was?" – „Ja, du hast richtig gehört. Es bringt mir nichts, darüber zu schweigen, es ist an sich ja nicht einmal etwas Schlimmes. Ich habe nur das bisher für mich behalten, weil es mir ein Gefühl von Sicherheit gegeben hat. Und weil meine Vergangenheit mich dazu zwingt."

Leicht lächelte ich ihn an, um zu beweisen, dass ich die Wahrheit aussprach: „Ich fühle mich immer noch unwohl, das will ich nicht leugnen. Ich meine, auch, wenn drei Monate vergangen sind seit... Milow, kann man das, was davor war – all die Zeiten voller Qualen, Hoffnung, Realität und Prägung – nicht einfach so löschen. Aber naja, irgendwie kann ich ja nicht ständig alles für mich behalten. Wobei ich eigentlich zugeben muss, dass ich viele Ereignisse nicht erzählen möchte und in gewisser Weise gehört dieses dazu, weil ich noch heute nicht weiß, was ich davon halten soll. Außerdem habe ich ja noch dich als mentale Unterstützung. Oh Gott, ich rede zu viel, Entschuldigung."

Mit warmen Wangen blickte ich zu ihm hoch und schlug dabei meine Handinnenflächen sachte gegen mein Gesicht, in der Hoffnung, meine Röte davonjagen zu können.

Wie jedes Mal, wenn ich mich in seiner Nähe befand, redete ich ohne Ende. Wie jedes Mal, fühlte ich mich derartig wohl bei ihm, dass ich gar nicht erst überlegte, was ich sagen wollte; ich sprach einfach. Und man sollte das einfache Drauflosreden nicht unterschätzen. Unglaublich, wie viel Dummheit aus einem hinausströmen kann.

Sein Lachen ertönte. Sanft ergriff er meine Handgelenke und zog sie an seine Brust, während er meinen Blick intensiv erwiderte.

Ich brauche definitiv ein Mädchengespräch mit Ash! Oder Dean.

„Du weißt, dass ich dein verpeiltes Durcheinander im Kopf liebe, Prinzessin. Und du musst es mir nicht sagen, ich verstehe dich auch ohne Worte. Wenn die Zeit gekommen ist, dann werde ich da sein und bis dahin verbringen wir die Zeit mit ganz viel Aktivität. Und ja, ich bin für dich da. Und ich bin stolz auf dich", grinste er mich an.

Definitiv.

Dankend erwiderte ich seinen Blick – auch wenn meiner mit Sicherheit sehr viel schüchterner aussah als seiner –, welcher seine Sorge und die damit verbundenen nachdenklichen Fäden verstecken sollte.

„Awwww!"

Überrascht drehten wir uns um. Ein Jason. Yeay.

„Okay, Schluss jetzt, ihr beiden. Ihr seid echt nur noch am Flirten und so sehr ich Clathan auch liebe, euer Termin ist in genau", er schaute kurz auf seine Armbanduhr, „genau in 40 Minuten und ihr fahrt 30 Minuten. Hopp, hopp beeilt euch", unterbrach Jason Nathan, als dieser gerade zum Sprechen.

Augenblicklich sah ich das Aufleuchten in dem wunderschönen Farbspiel seiner Augen. Wie konnte es sein, dass sie mich jedes Mal aufs Neue faszinierten?

Abseits davon, wie kann es sein, dass ich mich wie ein verliebtes Kind anhöre?

„Wir flirten nicht, als wenn. Sie starrt mich nur an, das kann wohl mal so wirken", erwiderte Nathan mit dem frechen Glitzern in seinen Augen, welches ich viel zu selten zu sehen bekam. Nichtsdestotrotz konnte ich seine Worte nicht einfach ignorieren, weshalb ich meine Hände entriss und ihm empört meinen Ellenbogen in die Rippen stieß. „Halt die Klappe, ich starre dich nicht an!"

„Du hast Recht, du frisst mich mit deinen Blicken auf. Schmecke ich zumindest?", erwiderte er zwinkernd, weshalb ich ihn erneut schlug. Seine Arroganz stieg wieder zu hoch.

Grinsend beugte er sich zu mir hinab, schlang den Arm um mich und führte mich zu seinem Auto. „Schluss mit Ärgern, wir müssen jetzt los, sonst kommen wir zu spät", tadelte er gespielt.

Gerade wollte ich etwas erwidern, als ein Anruf dazwischenfunkte. „Steig schon mal ein, ich muss da rangehen", lächelte er mir flüchtig zu, doch alles, worauf ich mich konzentrieren konnte, war das Klingeln seines Handys.

„Wer ruft an?", versuchte ich unauffällig zu fragen, aber meine Neugierde war anscheinend zu offensichtlich. Zumindest, wenn man von seinem argwöhnischen Blick ausging. Sein genervtes Seufzen verunsicherte mich dabei zusätzlich und seine Antwort umso mehr: „Niemand Wichtiges."

Also Ivy? Okay, nein, stopp. Nein, Claire, hör auf. Vergiss nicht, dass Ivy nett ist.

Da er ohnehin meinem Blick auswich, kehrte ich ihm einfach den Rücken zu und setzte mich in das Auto hinein. Ich beobachtete ihn nicht, aber mir war klar, dass er gerade mit irgendwem wütend flüsterte; so, wie er es immer tat, wenn er den Anrufer nicht preisgab.

Das tat er bereits die ganze Woche über und es störte mich. Obwohl ich nicht einmal das Recht dazu hatte. Nathan, was tust du nur mit mir?

Jetzt will ich aber Vermutungen hören, Leute! :D
Was glaubt ihr, wie ist Claire von der Gasse aus nach Hause gelangt, ohne, dass irgendwer ahnen konnte, dass sie Zeugin eines Mordes geworden ist? xxT~

Please, once againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt