27| Enthüllt

628 50 40
                                    

-Nathans Sicht-

Es gongte zum Schulende. Mich streckend gähnte ich herzhaft und stellte mich bereits darauf ein, zu meinem Vater zu gehen und ihn zur Rede zu stellen. Er verheimlichte etwas, denn unter keinen Umständen würde er einen Nebenjob als Hausmeister beginnen, wenn er doch der Firmensitz eines national sehr bekannten Unternehmens war. Dazu war er ein nicht schlecht aussehender Mann, die Menschen in Erinnerung behalten würden, wenn sie ihn in einer Zeitschrift sahen. Zwar hatte er mit der Zeit aufgehört und allein Mutter modelte noch regelmäßig, doch gab es dennoch keinerlei Grund für ihn, an meiner Schule beruflich etwas anzufangen.

„Wir sehen uns nachher, oder? Ich werde Claire sagen, dass du mit deinem Vater irgendwas machst."

Dankbar nickte ich Jason zu und beantwortete damit ebenso seine Frage. Wir verabschiedeten uns mit einem flüchtigen „Bye", ehe ich meine Tasche packte und zum Hausmeisterbüro lief. Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, an die Tür zu klopfen, sondern riss sie auf und unterbrach meinen Vater dabei bei seinen Arbeiten am Computer.

„Oh", brachte er erschrocken heraus, klickte schnell auf seine Maus und versuchte, unschuldig zu gucken, „hallo. Mit dir habe ich nicht gerechnet."

Verstört schüttelte ich den Kopf. Er benahm sich, als wäre ich sein Vater und hätte ihn beim Anschauen schmutziger Fotos erwischt. Der Gedanke ließ mich angeekelt das Gesicht verziehen.

„Ach, verdammt. Eigentlich wollte ich der sein, der dieses Gesicht ein einziges Mal so verziehen wollte wie du. Aber deswegen bist du bestimmt nicht hier. Also, mein Sohn, was führt dich hierher?"

Seufzend lehnte ich mich an seinen Schreibtisch und verschränkte die Arme. „Was suchst du hier?"

„Also, bei allem Respekt, Knirps, du bist hier in meinem Büro aufgetaucht, ich bin immer hier-" – „Dad", unterbreche ich ihn und schaute ihn vorwurfsvoll an. Wir führten einen kurzen Kampf mit unseren Blicken, aber ich kannte meinen Dad. Er gab immer nach, weil er wusste, dass ich mir auch anders Antworten verschaffen konnte.

Ich meinte, ein leises „Warum war ich so dumm und habe Jason und dich ausbilden lassen?" von ihm gehört zu haben und bezog es augenblicklich auf all die Stunden, in denen Dad oder sein Arbeitskollege mit Jason und mir den Umgang mit Elektronik gelehrt hatte. Darunter gehörten das Hacking, Programmieren und Manipulieren technischer Daten.

Behutsam schwieg ich, damit er nicht auf die Idee kam, irgendein gesagtes Wort von mir zu missbrauchen, das Thema zu wechseln.

Noch zu genau erinnerte ich mich an das Gespräch, in welchem ich ihn gefragt hatte, warum Mutter immer über andere Menschen herzog. Er hatte die Frage gar nicht erst beachtet, sondern mir fasziniert zugestimmt, dass jeder Mensch tatsächlich komplett anders war. Ich war während seines Monologes aufgestanden und gegangen.

„Du bist so stur!", schmollte mein Dad – ich konnte mir ein überhebliches Grinsen nicht verkneifen aufgrund des Wissens, gewonnen zu haben – und seufzte schwer.

Er ließ seine Hand in seine Hose wandern – ich verbat es mir, auch nur irgendwie einen Bezug auf die anfängliche Situation zu finden – und deutete mir mit der freien Hand an, näher zu kommen. Dad blickte mir dabei konzentriert und mit einem Mal viel zu ernst in die Augen.

Ich spürte meine Mimik sich verkrampfen, meine Augenbrauen sich zusammenziehen und die Skepsis, wie sie Besitz von mir ergriff. Mir ein ungeduldiges „Dad" verkneifend wartete ich darauf, dass er seine Hand endlich aus der Hose zog.

„Christian Williams. Leiter von „Acarcum liberti", Geheimnis der Freiheit, stets zu ihren Diensten."

Stille.

„Das war ein Witz, mein Sohn." Sein Kichern folgte und ließ mich meine verkrampfte Haltung ein wenig lösen, doch ein Glück, dass ich mich noch nicht entspannt hatte. Die plötzliche Starre meines Körpers hätte sonst sicherlich so abrupt bleibende Schäden verursacht, als er meinte: „Ich bin nicht der Leiter, nur ein Mitglied der Organisation. Das wollte ich dir eigentlich nicht sagen, aber ich schätze, dass deine Hilfe ganz hilfreich sein könnte." Und während der einfach so weitersprach, hörte ich ihn nicht zu. Zu sehr betäubte mich das kalte Wasser, in welches er mich ohne Vorwarnung geworfen hatte.

„Dad, warte." Ich suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, die ich ihm um die Ohren werfen wollte, damit er die Fragen in meinem Kopf entfernte. Stattdessen kam ein hilfreiches „Was?!" aus meinem Mund heraus.

Er seufzte erneut, was augenblicklich das Blut in meine Adern schießen ließ. Er schien dies bemerkt zu haben, weil er nun aufstand und sein Overall autoritär glattstrich. „Nun setz dich und reiß dich zusammen, mein Sohn. Du hast es nicht in die Eizelle deiner Mutter geschafft, weil du ein Loser schwer von Begriff bist, sondern weil du schnell versteht, worum es geht. Hoffe ich. Ich muss dir das wohl erklären und das wird dir nicht gefallen. Vor sechs Jahren, erinnerst du dich noch daran, als ich mit Carl das vom Brand zerstörte Distrikt betrachten gehen wollte, um den Aufbau neu zu planen?"

Ich erinnerte mich. Vater war zu der Zeit sehr beschäftigt gewesen, Pläne von Architekten mit seinem Berater Carl durchzugehen. Sobald ich wusste, hatte mein Dad ihm den Posten als Oberhaupt der Firma übergeben und stattdessen den Sitz als Berater eingenommen.

Um ihn zu signalisieren, dass ich ihm folgen konnte, nickte ich und er fuhr direkt fort: „Er hatte mir zu der Nacht abgesagt wegen des Gewitters und seiner neugeborenen Tochter, die Fieber zu haben schien. Wir konnten uns aber keine Zeit lassen, weil das Okay für einen Wasserleitungsumbau gebraucht wurde und wir uns einen Eindruck schaffen mussten. So kam es also, dass ich alleine dahinlief und die Gegend betrachtete. Dieser einsame verlassene Distrikt, in welchem sich keiner freiwillig aufhalten vermag. Und genau in diesem traurigen Ort hörte ich das Weinen und Schreien eines Mädchens. Nate, mein Junge, das war vor sechs Jahren am 14. Januar."

Wer hat es kommen sehen und wer sieht, was jetzt passiert?

Und was glaubt ihr, wie wird Nathan reagieren?

Ah, ich bin zufrieden mit der Umsetzung meiner Idee hehe, frohe Ostern euch allen♥ xxT

Please, once againWhere stories live. Discover now