Kapitel 15 - Nach dem Kampf ist vor dem Krieg

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Die Sonne schien am wolkenlosen Himmel. Vögel flogen munter durch die frische Luft und sangen ihr Lied. In Khi'rhan war es ruhig geworden. Die Kämpfe hatten aufgehört. Die letzten Sturmdämonen waren getötet oder zurückgeschlagen worden. Trotz des momentanen Friedens feierte keiner, zu groß war der Schock über den plötzlichen Angriff, zu tief saß die Trauer um die Gefallenen. Die Erinnerungen an die Nacht waren zu schmerzhaft, als dass man sie so schnell vergessen könnte. Der beißende Geruch der Verwesung und des Blutes ließen die schrecklichen Momente immer wieder hochkommen. Egal, wo man hin ging und egal, wo man hin sah, überall saßen trauernde Menschen, weinende Kinder, Verletzte und Tote.

Lokhan stieg über die Leichen, die über dem Innenhof verstreut lagen. Am Eingang des Schlosses waren der König, Majorie, Fares und eine handvoll Ritter aufgetaucht. Den Rittern stand die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben. Beim Anblick des Chaos auf dem Hof verließ ihnen die letzte Kraft und einige sanken zu Boden, wissend, dass dort unten nicht nur die Toten des Gegners lagen, sondern auch Freunde und Familie. Der König stand mit ausdruckslosem Gesicht auf der obersten Stufe der Treppe. Schließlich hatte Lokhan die Gruppe erreicht. Fares nickte ihm zur Begrüßung zu und er lächelte.

„Das werden sie bereuen“, meinte Wotan leise und sein Griff um den Schaft seines Schwertes verstärkte sich.

„Ihr werdet also mit uns gegen die Atiye und seine Armee kämpfen?“, fragte Lokhan und hob eine Augenbraue.

Der König nickte und erteilte dann Anweisungen. Die Verletzten mussten allesamt versorgt werden. Suchtrupps sollten die Stadt auf Überlebende durchsuchen und irgendwie musste man die Toten bestatten. König Wotan ließ außerdem Briefe an die Truppen außerhalb der Hauptstadt und des Landes verschicken. Sie alle sollten sich auf den schnellsten Weg nach Hause machen. Schnell kam wieder Bewegung in die Menschen. Während die Leichen der Gegner vor die äußere Stadtmauer getragen, auf einem Haufen zusammen gelegt und schließlich in einem riesigen Scheiterhaufen verbrannt wurden, so errichtete man für die eigenen Kameraden Massengräber vor den Toren und um den See herum. Man wollte den Toten die Chance geben, selbst auf der anderen Seite, auf den großen wunderschönen See zu gucken und die Stadt schützend im Rücken zu haben. Die Männer, aber auch Frauen und Kinder, hatten tapfer gekämpft und so wollte der König und die restliche Stadt ihnen die letzte Ehre erweisen.

Auch Lokhan und Fares halfen mit die großen Körper der toten Sturmdämonen weg zu schaffen. Man schaffte Pferde und Karren heran. Auf diesen schmissen die Übriggebliebenen achtlos die Leichen. Als die Karren voll waren, trotteten die Pferde los und man fuhr durch die zerstörte Stadt. Es würde einiges an Arbeit, Schweiß und Geld kosten, die Häuser und Kirchen wieder aufzubauen. Viele Häuser lagen als Staubkörner verteilt auf den Straßen. Im Vorbeifahren fand man weitere Leichen, Gegner und Freund. Es würde noch einige Zeit dauern, bis alles wieder normal war. Draußen vor den Toren liefen Lokhan und Fares Ijob und Sihry über den Weg. Die Oberbefehlshaberin koordinierte die Verteilung der Massengräber und die Aufschichtung des Scheiterhaufens für die Gegner. Ijob hingegen half die Baumstämme und das trockene Stroh mit ein paar anderen Freiwilligen aufzustellen. Fares lenkte den Karren mit den Dämonen zu den Scheiterhaufen.

„Ijob“, begrüßte Fares seinen Freund und der Seemann guckte auf. „Ist bei dir alles in Ordnung?“

„Ja, mach dir keine Sorgen. Es war ja nicht das erste Mal, dass ich ihnen begegnet bin“, meinte Ijob und lächelte schief. „Wie geht es den anderen? Sind alle wohl auf?“

„Soweit ich weiß, ja“, antwortete Fares, während er mit Hilfe eines Soldaten die Leichen von dem Karren holte. „Wir ziehen jetzt übrigens in den Krieg, falls du es noch nicht wissen solltest.“

„Ha, hab ich mir schon gedacht. Nach dieser Nacht bleibt dem König ja fast nichts anderes mehr übrig.“

„Hey, ihr beiden!“, rief Lokhan zu ihnen herüber. „Die Leichen verbrennen sich nicht von sich selbst.“

Perle des LichtesWhere stories live. Discover now