Kapitel 22 - Die Städte der Hoffnung

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Er zuckte nicht zusammen, als die Knochen der Kleinen knackten. Er war darauf gefasst gewesen und konnte sich beherrschen, während der Sturmdämon ein weiteres unschuldiges Leben beendete. Wotans Männer konnten sich nicht so gut zusammenreißen wie er. Der junge Soldat hinter ihm umfasste sein Schwert fester. Wotan konnte hören, wie sein Atem zwischen den zusammengepressten Zähnen zischte. Nur die Anweisung des Königs hielt den jungen Mann davon ab, laut aufzubrüllen und der Bestie den Kopf abzuschlagen. Währenddessen hatte sich der Sturmdämon umgedreht und schlurfte in die Richtung aus der er gekommen war. Dabei sammelte er ein herumliegendes Schwert ein und schwang es wie ein einfacher Stock durch die Luft. Der Dämon grunzte, während er das tat, ein Lied. Was er sang konnte ein Mensch nicht verstehen. Schließlich war er um die Häuserecke verschwunden. Langsam schlich Wotan aus seinem Versteck, die Ecke immer im Blick, und bedeutete seinen Rittern ihm zu folgen. Bei der Hausecke blieb Wotan stehen und lugte vorsichtig um die Ecke. Gerade noch sah er die Schwanzspitze des Dämons im Nebel. Doch sang das Monster laut genug, um ihn auch mehrere Straßen weit weg noch gut hören zu können. Auf der Hut, bewegte sich Wotan weiter dem Sturmdämon hinterher. Doch dann packte ihn etwas an der Schulter. Als sich der König umdrehte, blickte er in die Augen des jungen Soldaten. Sie waren voller Zorn.

„Warum habt Ihr ihn das tun lassen?", fragte er zähneknirschend. „Wir sind genug Krieger um einen von denen auszuschalten. Das Mädchen hätte nicht sterben müssen!"

„Vielleicht nicht", entgegnete Wotan ruhig. Er konnte die Wut des jungen Mannes gut verstehen. „Aber glaubst du sie hätte ein glückliches Leben führen können nach all dem, was sie durch machen musste? Die Vergewaltigung und der Tod ihrer Familie hätte sie für den Rest ihres weiteren erbärmlichen Lebens verfolgt. Sie wäre auf der Straße gelandet und dort verhungert."

„Es hätte aber auch anders kommen können!"

„Ja, aber das werden wir nie herausfinden, wenn wir die Monster nicht ein für alle Mal vernichten. Der Dämon weiß nicht, dass wir hier sind. Er wird uns geradewegs in das Lager von ihm und seinen Freunden führen, ohne dass er etwas ahnt. Es herrscht Krieg. Wir müssen abwägen, was besser ist. Das Leben eines einzigen Mädchens, was mit großer Wahrscheinlichkeit trotzdem irgendwann gestorben wäre, oder der Frieden und somit das Leben aller? Wofür entscheidest du dich, Soldat?", knurrte Wotan nun und sah den Mann an, dessen Wut langsam der Einsicht wich. „Im Krieg müssen ab und zu Opfer gebracht werden. Deshalb heißt es Krieg und nicht Frieden."

Damit beendete Wotan seine kurze Ansprache und schlich weiter, nun mehr dem Gesang nach, denn der Sturmdämon war vollkommen vom Nebel verschluckt. Seine Männer folgten ihm leise, peinlich darauf bedacht kein Geräusch zu machen. Es dauerte nicht sonderlich lange, da hörten sie auch schon munteres Gelächter und weitere Schreie. Nach ein paar weiteren Häusern erhellte das warme Licht eines Feuers die Gassen der Stadt. Während der verfolgte Dämon lautstark von seinen ebenfalls betrunkenen Freunden begrüßt wurde, drehte sich Wotan zu seinen Leuten um. Auf dem Weg hierher hatte er sich einen Plan ausgedacht. Er war riskant und definitiv nicht sein bester Plan, doch er hatte nichts anderes vor zu weisen. Wotan wies daraufhin seine Männer an, sich weiträumig um das Lager der Sturmdämonen zu verteilen. Er würde währenddessen das Signal für die anderen, den brennenden Pfeil, in die Luft schießen. Damit wüssten die anderen Gruppen, wo sie waren und könnten aufschließen. Seine Männer gingen leise los und waren schon bald im Nebel nicht mehr zu sehen. Mithilfe eines dagebliebenen Ritters zündete Wotan den Pfeil an. Es war nicht einfach. Durch den Nebel war alles feucht geworden und ließ sich nicht ohne weiteres entzünden. Nur halb konzentrierte Wotan sich auf die Aufgabe eine Flamme zu entfachen. Immer wieder guckte er in die Richtung des Lagers. Die Schreie verrieten ihm, dass noch mehr Menschen vergewaltigt wurden. Jederzeit konnte also ein Dämon aus der Gasse treten. Mit einem jungen Spielzeug, an dem er kein Gefallen mehr fand und es nun wegwerfen wollte. Das Monster würde sie hier sofort entdeckten. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit sprangen endlich ein paar Funken über und der Pfeil brannte auf. Schnell nahm Wotan den Pfeil und legte ihn an. Seine Männer mussten mittlerweile in Position sein. Daher atmete er einmal ruhig aus und ließ den Pfeil nach oben schnellen. Lautlos glitt er durch den dicken Nebel. Der brennende Pfeil schaffte es sogar ziemlich hoch, bevor das kleine Flämmchen erlosch. Nun konnten sie nichts anderes tun als warten und hoffen, dass die Sturmdämonen den Pfeil nicht gesehen hatten. Doch das Glück war nicht auf ihrer Seite. Denn kaum war die Flamme erloschen, hörte Wotan Schritte und ein Schluchzen näher kommen. In dem Moment als der König in die Gasse schaute, tauchte die Gestalt eines Dämon in dem Nebel auf. Er hielt eine alte Frau, die halbtot zu sein schien, in seiner Klaue und stockte abrupt, als er die beiden Männer sah.

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⏰ Last updated: Jul 26, 2016 ⏰

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