Kapitel 1 - Bögen und Schwerter

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Sie beobachtete die Herde schon seit Tagen. Es waren wunderschöne Tiere. Sie sprangen mit ihren langen, dünnen Beinen in hohen Bögen durch das Knie hohe Gras, rannten um die Wette, tollten umher und riefen sich gegenseitig mit ihren hellen Lauten, die von Tier zu Tier anders klangen, zu. Die dunklen und hellen Streifen, auf dem Rücken und der Bauchseite, hoben sich stark vom restlichen brauen Fell ab und glänzten in der Mittagssonne. Die drei, zwei Hand langen Hörner trugen die Erwachsenen Tiere mit stolz und zeigten damit welchen Rang sie in der Herde hatten.

Majorie war jetzt schon mehr als einen halben Mondlauf hinter diesen Tieren her. Eigentlich wollte sie zusammen mit Fares die Gruppe verfolgen und ein oder zwei von den Tieren töten, um das Fell und das Fleisch schließlich zu verkaufen, doch Fares hatte einen Auftrag von jemanden bekommen, der sein Haus noch vor dem nächsten Winter Wetterfest haben wollte. So musste der Zimmermann Majorie erstmal allein auf die Jagd gehen lassen und würde erst später zu ihr stoßen können. Majorie hatte während der Tage schon mehrmals versucht wenigstens ein Jungtier zu erledigen, aber ihre Erfahrungen mit Pfeil und Bogen waren noch nicht sonderlich gut und ihre Fallen konnten noch nicht mal eine Wühlmaus erschrecken. So hatte sie sich Zwangsweise in den letzten Tagen von Wurzeln, Beeren und dem getrockneten Obst ernähren müssen.

Trotz allem gab sie nicht auf. Sie war schon immer dickköpfig gewesen und sie würde auch dieses Mal nicht eher aufhören zu versuchen ein Dhorrka zu fangen, bis sie es letztendlich geschafft hätte.

Nun saß sie also hinter einem Busch mit süßen Beeren auf einer kleinen Anhöhe, den Finger an die Sehne ihres Bogens, den Pfeil angelegt, wartend, dass ein unvorsichtiges Tier sich zu weit von der Gruppe entfernen würde.

Dann war es endlich soweit. Die Sonne schien ihr schon heiß in den Nacken und sie war kurz davor den Finger weg zu ziehen, als schließlich ein junger Bock auf sie zu kam, um im Schatten des Hanges vor der Sonne zu fliehen. Der Bock nahm kurz den Kopf hoch um nach Gefahr zu wittern, doch der Wind kam nicht aus Majories Richtung und so konnte er sie nicht riechen. Mit angehaltenem Atem beobachtete Majorie den jungen Dhorrka, wie er sich, den Kopf auf die Beine, hinlegte. Lautlos stand sie auf, damit sie besser zielen konnte, nahm den Bogen ein Stückchen höher und hielt die Pfeilspitze auf die Schulter des Tieres. Sie hoffte inständig, dass der Wind nicht drehte oder eins der anderen Tiere den Kopf hob und sie entdeckte. Doch diesmal schien das Glück ihr Verbündeter zu sein. Sie spannte die Sehne, zielte und ließ dann den Pfeil los. Dieser flog mit einem leisen Summen durch die Luft, scheuchte ein paar Mücken auf, störte einem rot-gelben Schmetterling in seiner Flugbahn und traf dann mitten in die Schulter.

Das Dhorrkamännchen schrie vor Schreck auf und rannte los. Majorie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es schließlich nicht mehr konnte und im Wald verblutete. Also nahm sie ihre Sachen und rutschte die Anhöhe hinunter. Unten angekommen schaute sie sich kurz nach der Herde um. Dhorrkas waren treue Familientiere und es konnte schon mal vorkommen, dass die Herde auf den Jäger los ging. Man musste sich vor diesen wütenden Tieren hüten, wenn sie mit ihren kräftigen Hinterbeinen zu schlugen. Doch die Herde war zu weit entfernt, um den Schrei zu hören.

Majorie sah sich nun die Erde unter ihren Füßen an. Das Dhorrkamännchen hatte Blutspuren hinterlassen, denen Majorie folgen wollte, um es zu finden. Also lief sie in den Wald Ah'Llon. Der Ah'Llon verbannt vier große Reiche miteinander. Da war einmal das Reich Khim'hia. Khim'hia hatte den größten Anteil des Ah'Llons. In diesem südlichen Teil des Waldes stand auch der Amar'dahi. Dies war ein großer Berg in dem eine der beiden Quellen des To'hana Flusses entsprang. Des weiteren stand der Ah'Llon auch in den Reichen Kä'anuh, Ka'dar und Awerill.

Nachdem Majorie eine Weile der Blutspur durch das Unterholz nach gelaufen war, fand sie endlich das tote Tier neben einem umgestürztem Baum. Sie machte sich daran, die Beine des Tieres so an den Körper fest zubinden, dass diese ihr beim tragen des Dhorrkas nicht im Weg waren. Nachdem sie es geschafft hatte die Beine zusammen zu binden, nahm sie das Ende des Seils, um das Tier ziehen zu können. Es ging sehr langsam voran. Der Dhorrka war zwar noch jung und seine drei Hörner waren noch lange nicht ausgewachsen, aber er hatte sich schon einiges an gefressen und wog sicherlich schon so viel, wie ein älteres Tier. Hinzu kam, dass der Dorka noch sehr weit in den Wald laufen konnte, nachdem der Pfeil ihn getroffen hatte. Sie schleppte das Tier aus dem Wald und hinaus auf die Ebene. Langsam dämmerte es und das überraschte sie, da sie angenommen hatte, sie wäre nur ein oder zwei Stunden hinter der Spur hinterher gelaufen.

Perle des LichtesWhere stories live. Discover now