Kapitel 12 - Träume

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Sie stand am Fenster des Gemachs in dem Penelope und sie die Nacht verbringen sollen. Noch schien der Mond hoch am Himmel, doch man konnte schon am Horizont die Sonne langsam aufgehen sehen. Ein kleiner oranger Streifen blickte über die Baumwipfel im Osten. Es war schön mit anzusehen, hier oben in den sicheren Gemäuern des Schlosses. Doch es reichte ihr nicht. Sie hatte das Gefühl eingesperrt zu sein. Dann auf einmal kam ein Windstoß. Es war ein kräftiger und warmer. Er brachte den Geruch von hohen Nadelbäumen und Regen mit. Mit gewaltiger Kraft schon er durch ihr Haar und zerzauste es. Dabei flüsterte er in ihr Ohr. Es war eine Bitte, ihm zu folgen. Er würde ihr die Welt zeigen, aufregende Orte und die Freiheit zu fliegen.

Sie konnte nicht anders sie musste ihm folgen. Also stieg sie auf den Fenstersims, darauf bedacht, dass sie Penelope nicht durch ein lautes Geräusch weckte, und griff nach dem Wind. Er streckte ihr eine warme, windige Hand entgegen und zog sie von dem Gestein herunter.

Doch sie fiel nicht. Schwerelos schwebte sie neben dem Wind mitten in der Luft. Der warme Wind lachte kraftvoll und wirbelte dabei ein paar Blätter vom Boden auf. Sie flogen hoch in die Luft und tanzten dem Wind von ihr voraus. Auch sie lachte, zusammen mit dem Wind, den Blättern und den Sternen am Himmelszelt.

Es ging gen Norden. Der Wind zog sie mit dich mit. In Windeseile hatten sie den Wald erreicht. Vorsichtig, um nicht zu schnell zu werden, beugte sich der Wind nach vorne um im nächsten Moment durch die Bäume zu flitzen. Es sprang leichtfüßig über Wurzeln, duckte sich elegant unter tiefhängenden Ästen hindurch und forderte Blumen und Gräser zum Tanz auf. Sie schaute ihm zu und klatschte im Takt mit.

Alles hätte so schön sein können, hätte sie nicht auf einmal einen starken Geruch in der Nase gehabt. Es roch nach Asche und verbranntem Holz und letztendlich siegte ihr Neugierde über die Vernunft und sie ging dem dem beißenden Geruch nach. Der Wind merkte dies und wollte sie aufhalten, flüsterte ihr zu, dass sie sich darum keine Sorgen machen dürfte. Hier beim ihm könnte ihr nichts passieren und sie sollte lieber da blieben und mit ihm und den Bewohnern des Waldes weiter spielen. Doch sie riss sich von ihm los und hörte nicht auf ihn. Dem warmen Wind, dem jetzt etwas kühles dem Rücken hinunter lief, blieb nichts anderes übrig als ihr nach zu geben. Er schwang sie beide wieder in den Himmel.

Dort oben über den Bäumen erkannte man die Rauchfahnen trotz dieser schwarzen Nacht sehr gut. Eilig drängte sie den Wind sie dorthin zu fliegen, was der widerwillig machte.

Hätte sie nur auf den armen warmen Wind gehört, so wäre ihr dieser Albtraum erspart geblieben und sie hätte, wenn die Sonne aufging lächelnd in ihrem gemütlichen Bettchen neben Penelope aufwachen können. Doch wie in allen Träumen hat man Einfluss auf sein Schicksal. Anders als im realen Leben können ihr sogar Erwachsenen bestimmen, was mit ihnen passiert. Wir können entscheiden, ob wir einen guten oder schlechten Traum träumen wollen. Majorie ahnte es nicht, als sie den Rauch in ihre Nase bekam, erst als sie die großen Bestien sah, die an den Feuern saßen, ihr Äxte schärften und ungeduldig mit ihren Schwänzen wedelten, begriff sie, dass sie sich geradewegs in einen Albtraum katapultiert hatte. Aus einem Albtraum kann man nicht so einfach entfliehen. Man sagt sich immer, man müsse nur aufwachen und schon wäre alles vorbei. Aber dies ist nicht so leicht. Man kann nicht einfach aufwachen. Man muss erst eine Lösung für das Rätsel lösen, bevor man in Sicherheit ist. Und selbst wenn man es geschafft hat, begleitet einem die Erfahrung sein Leben lang. Denn ist es nicht so, dass ein kleines Kind selbst im hohen Alter immer noch weiß, was sein schlimmster Albtraum war? Auch Majorie musste nun eine Lösung finden.

Nur was war die Lösung? Sie dachte darüber angestrengt nach, während sie weiterhin mit dem Wind zusammen in der Luft schwebte und auf diese Armee hinab blickte. Es war nicht weit bis zum Schloss. Sie müsste sich beeilen, damit sie ihre Freunde warnen konnte. Dann merkte sie, wie etwas an ihrem Ärmel zupfte, erst vorsichtig und sanft, schließlich immer stärker als sie nicht reagierte. Nun sah sie den warmen Wind an. Ernst sah er ihr in die Augen. Er wollte wissen, was sie jetzt vorhatte.

Perle des LichtesWhere stories live. Discover now