Kapitel 36

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Dieser zynische Idiot hatte nicht den leisesten Schimmer, wie sehr er mich quälte. Wie sehr sich mein Herz nach ihm verzehrte, doch war ich schlauer. Aus mehreren Gründen kam sein Liebensgeständnis zu spät. Mein dummes labiles Herz konnte sich noch so sehr nach ihn sehnen, es änderte nichts daran, dass ich ihn aufgeben musste. Dass ich ihn nicht verzeihen konnte. Der Egoist in mir dachte daran, dass er wenigstens nicht alleine sterben musste, dass er bei mir sein würde. Es war furchtbar verkehrt, denn ich hatte eine dunkle Vorahnung, dass diese Geschichte, unsere Geschichte kein gutes Ende nehmen wird.
„Wir sollten hinunter gehen und nachsehen was los ist," sagte er und erinnerte mich an den krachenden Lärm, welchen ich bereits vergessen hatte. In meinem Kopf wiederholte eine Stimme immer wieder, dass er mich liebte. Er liebte mich und er wusste, dass es dafür zu spät war. Noch immer schweigend sah ich ihn an, wischte mir meine Tränen aus dem Gesicht und seufzte.
„Wieso jetzt? Wieso sagst du mir das ausgerechnet jetzt?" fragte ich ihn leise, dennoch angesäuert. Er musste immer alles verkomplizieren. Heiliger Frühstücksspeck er liebt mich!
„Aus Angst, dass es danach dafür zu spät wäre. Natürlich weiß ich, dass es für so ziemlich alles zu spät ist und ich hasse mich dafür. Ich hasse mich, dass ich dich verletzt habe und ich hasse mich, dass ich dir nicht besser zeigen konnte und es nie richtig könnte, wie sehr ich dich liebe." er flüsterte, sah mich dabei nicht an, als wäre es zu Schmerzhaft, dann wandte er sich von mir ab und stieg über die am Boden liegende Tür nach draußen. Ich legte meine Hand aufs Herz und versuchte meine Gedanken zu sammeln, dann verließ ich ebenfalls den Raum und musste erstaunt feststellen, dass er vor der Treppe auf mich gewartet hatte. Keine Spur seiner Maske, deutlicher denn jäh sah ich stattdessen Gefühle in seinem Blick. Er war gebrochen, wie ich und daran gab es nichts mehr zu ändern, dennoch sah er mich, und allein das brachte mich fast dazu ihm in die Arme zuspringen, voller Liebe an. Er ließ wohl zum ersten Mal in seinem Leben bewusst Gefühle zu. Ich weiß nicht warum ich es tat, doch ich streckte meine Hand nach seiner und umschloss fest unsere Finger. Irritiert sah er auf unsere ineinander geschlungenen Hände, ehe er mich, schon fast schüchtern, anlächelte. Gemeinsam begaben wir uns nach unten. Ich kann nicht sagen was ich erwartet hatte, definitiv einen Kampf. Das hatten die Geräusche schon längst verraten. Trotzdem hatte ich niemals mit dem gerechnet, was ich im Wohnzimmer auffand. Es war mehr als Chaos ausgebrochen. Foras kämpfe gerade gegen einen in einer weißen Robe gekleideten fremden Mann, nein Engel, denn er hatte Flügel, und schrie irgendetwas unverständliches. Währenddessen hetzte Nina ihre Schlangen auf einen weiblichen Engel, denn diese wollte gerade Inanna von hinten angreifen, welche wiederum einen anderen mit einem scharfen längeren Dolch den Kopf abtrennte.
„Ach du," murmelte ich perplex und drückte Luzifers Hand fester. Hier und dort lagen tote Engel in weißgoldenen Roben und der Boden war getränkt von silbrig glänzenden Blut, mir wurde sofort schlecht. Foras, der wie aus dem Nichts eine Art Axt hervorgezogen hatte schwang sie hoch, sprang in die Luft, zog sie nach vorne und, ach du scheiße, halbierte den männlichen Engel. Er sah dabei verstörend und majestätisch zugleich aus. Luzifer beobachtete das Schlachtfeld, stellte sich schützend vor mich, ehe er sprach: „Kann ich auch mitspielen?" Seine tiefe Stimme strotzte vor Spott und ließ die Kämpfenden innehalten. Ich starrte ihn ungläubig auf den Rücken.
Es war Foras der die Warnung schrie, doch war es zu spät, denn plötzlich wurde ich, nicht gerade sanft, von Luzifer weggezogen. Verdutzt schrie ich auf, während ein ziemlich großer dunkelhaariger Engel mich fest gepackt hatte und von den anderen abschirmte. Die übrigen Engel begaben sich sofort auf seine Seite. Wie zur Hölle hatte er sich anschleichen können.
„Lasst sie los oder ich reiß euch alle in Stücke und verspeise eure Herzen zum Frühstück," knurrte Luzifer wild. Ich hoffte inständig, dass er nicht wirklich Herzen aß, das wäre widerlich.
„Wir sind hier um den Herold zu holen," sprach ein großgewachsener weiblicher Engel aus einer unglaublich sanften Singstimme.
„Tja, Pech ihr bekommt sie nicht." Sein ganzer Körper bebte, instinktiv wusste ich, dass es gleich Tote geben würde. Ich formte einen Gedanken, sendete ihn nach draußen und beobachtete, wie der dunkelhaarige Engel, welcher mich immer noch fest gepackt hatte, gegen die Wand hinter uns flog, die anderen lähmte ich indem ich an fesseln dachte, dann hastete ich zurück zu Luzifer. Dieser legte seine Hände auf meine Wange, blickte mir intensiv in die Augen und küsste meinen Haaransatz. Ich hörte das empörte Keuchen, während er mich hinter sich und vor Foras schob. Man musste mich nicht beschützen, dass konnte ich gut selber.
„Sei vernünftig Morgenstern," bellte der dunkelhaarige und klopfte sich den Putz von der Robe.
„Vernunft liegt mir nicht so im Blut."
„Wir wurden von den mächtigen Brüdern gesandt, um dich mit uns zu nehmen. Herold, du musst wählen." erklärte der weibliche Engel. Ihre Haut war so weiß, dass man sich ernsthafte Sorgen wegen Vitamin D Mangel machen sollte und ihr feuerrotes Haar ließ sie ziemlich erstaunlich aussehen.
„Wählen? Nicht schon wieder. Dauernd wird mir gesagt, wähle. Du musst wählen aber niemand sagt wie!" gab ich genervt von mir. Trotzdem keimte in mir Hoffnung auf und ich wusste, dass das Kriegsbeil beiseitegelegt werden musste, damit wir vorankamen. Weder die Hölle noch der Himmel wollten, dass ich damit weitermachte. Wobei ich eigentlich nicht wirklich was tat, es passierte von alleine.
„Wie kann ich das Stoppen?" fragte ich also erschöpft und trat neben Luzifer, welcher mich strafend ansah. Nina und Inanna standen hinter Foras, wobei letztere nicht gerade hilfreich war. Getränkt in Engelsblut blickte sie ins Leere. Wo auch immer sie war, es schien sie eingenommen zuhaben.
„Dein Herz ist verdorben, es ist zu spät." sprach der Mann wieder. Die anderen, drei, Engel blickten stumm mit gezogenen Schwertern auf meine höllischen Begleiter. Verwirrt blickte ich zu rothaarigen, würde sie mir jetzt tatsächlich mit den gleichen Mist, wie die anderen kommen, würde ich sie alle umbringen.
„Ambrose will damit sagen, dass nur noch der schwere Weg geht, da dein Herz sich bereits entschieden hat. Du, Herold, bist das Kind des Lichts und der Dunkelheit, trägst beides gleichermaßen in dir und nun musst du, um alles zu retten, alles opfern." sprach sie neutral, unbekümmert, dass neben ihr ihre Leute in Blutlachen lagen. Diesen Ambrose war es anscheinend nicht so egal, denn er blickte verbissen auf den in zwei hälften geteilten Toten und dann zu Foras. In seinem Blick schwang purer Hass.
„Was ist alles?" fragte ich und sah sie lange an. Luzifer verspannte sich sichtlich und warf mir einen warnenden Blick zu.
„Unsere Zeit ist abgelaufen. Du wirst zu Morgengrauen am Ölberg erwartet, nur so kannst du alles aufhalten." Ambrose klang etwas genervt und riss seinen Blick von Foras los. Ehe sie verschwanden sprach er: „Ben lässt dich Grüßen." Dann waren sie weg. Bei der Nennung meines besten Freundes wurde mir ganz anders. Gehetzt sah ich zu Luzifer, der meinen Gesichtsausdruck deutete und seine Augen zusammenkniff.
„Nein!" stellte er noch bevor ich etwas sagen konnte fest. Meine Augen verdrehend blickte ich zu den anderen. Sie waren alle mehr oder weniger okay. Foras musterte mich, schloss seine Augen und nickte. Ja, ja, er würde mir helfen. Ninas Loyalität gehörte Luzifer, dennoch sah sie mich bereit an, wenn Luzifer einlenkte, wäre sie dabei und Inanna, naja, sie starrte immer noch ins Leere. Langsam machte sie mir Angst, vor allem, da sie nicht auf ihren Namen reagierte. Egal wie oft ich ihn rief, sie blickte weiter ins Nichts.
„Mutter!" rief ich schließlich und bekam tatsächlich eine Reaktion. Ihr Kopf schnellte zu mir und sie sah mich aus großen Augen an. Inanna konnte so wenig glauben, dass ich sie so genannt hatte, wie ich selbst.
„Alles okay?" fragte ich sie.
„Ja. Auf mich kannst du zählen, was auch immer es ist."
„Wir gehen nicht zum Treffen," bellte Luzifer und packte mich fest an den Schultern, entgeistert sah ich ihn an.
„Du hast gesagt, dass du mir eine letzte Chance gibst."
„Vielleicht ist sie das." erwiderte ich sanft, strich ihn eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht, dann wanderte mein Blick zu Foras, der auf meine Hand sah und leicht lächelte.
„Wir gehen," sagte ich zu ihm. Mit oder ohne Luzifer, solange der Wüstendämon an meiner Seite war, würde ich gehen.

Der Ölberg hat sowohl im Christentum, Judentum als auch im Islam eine besondere Bedeutung, dass wir uns ausgerechnet dort treffen sollten, gab mir also nicht gerade unbegründet ein mulmiges Gefühl. Noch bevor wir uns auf den Weg dorthin begaben, versprach ich, nein schwor ich, dass ich alles tun würde, alles, um den ganzen Bockmist aufzuhalten.
„Foras," flüsterte ich, da wir gerade alleine waren. „Ich weiß, dass du nicht willst, dass ich sterbe. Ansonsten hättest du niemals Luzifer geholt, dennoch musst du mir versprechen, dass falls es darauf hinausläuft und er mich aufhalten will, du ihn irgendwie ausschaltest."
Mein höllischer Freund sah mich unergründlich an und murmelte ein versprochen, ehe die anderen zu uns kamen. Wir befanden uns im Keller des Hausen, da Nina dort ein Portal aufzeichnete, damit wir rechtzeitig am Ölberg ankamen. Luzifer war alles andere als begeistert, dennoch lenkte er letztendlich ein. Er wusste, dass ich so oder so gehen würde. Immer wieder schwankten meine Gedanken zu Ben. Was hatte es zu bedeuten, dass er mich grüßen lässt? War er tatsächlich gestorben und im Himmel? Vielleicht Trank er Tee mit seinen verstorbenen Lieblings Stars. Als wir noch jünger und naiver waren, meinte er einmal, dass er genau das tun würde wenn er starb. Der Gedanke, dass er genau das tat, gefiel mir. Es beruhigte mich irgendwie.
„Mir gefällt das gar nicht," sagte Luzifer und stellte sich neben mich hin, während Inanna mit Foras sprach. Sie tuschelten leise, geheimnisvoll. Ich runzelte meine Stirn und beobachtete sie weiter, konnte allerdings nicht hören, was sie sagten.
„Dir gefällt nichts," erwiderte ich, noch immer auf die zwei Dämonen blickend.
„Doch, du gefällst mir."
„Luzifer, nicht." ich sah ihn strafend an, dafür war jetzt keine Zeit und viel wichtiger war es einfach zu spät.
„Ich weiß," murmelte er und sah mich ebenfalls an.
„Fertig!" schrie Nina und klatsche selbstgefällig in die Hände.

Es war an der Zeit, das Schicksal zu ändern koste was es wolle.  

Apokalypse - BittersüßWhere stories live. Discover now