Kapitel 18

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Den Überraschungseffekt sei dank schubste ich ihn auf seinen Rücken, kletterte rittlings auf ihn und schlug mit der flachen Hand auf seine Brust, während ich ihn beschimpfte. Er sah mich aus großen Augen an. Zwischenzeitlich hob ich meine Hand zur Faust, bereit sie in sein Gesicht zu rammen.
„Nein, das machst du nicht" schnauzte er mich an und drehte uns so, dass ich unter seinem schweren Gewicht gefangen war. Wie am Spieß schreiend versuchte ich mich zappelnd zu befreien. Grob drückte er meine Handgelenke auf die Matratze. Zum zweiten Mal seit ich aufgewacht war, befand ich mich in dieser zwecklosen Position.
„Ich hasse dich!" schrie ich immer wieder.
„Wer nicht?"
„Du bist ein Monster!"
„Noch was?"
„Eine Ausgeburt der Hölle!"
„Aha"
„Du glaubst du bist was Besseres!" knurrte ich, da ich nun in fahrt gekommen war. „Aber du bist nichts. Dein Leben hat nicht im Entferntesten einen Funken Wert." Mir war bewusst das ich ihn physisch nicht verletzen konnte, deshalb gab ich mir größte Mühe, um ihn wenigstens mit Worten zu treffen. Ich war eine Bitch und dazu stand ich. Er hatte es nicht besser verdient. Umso wütender war ich, dass meine Worte ihn kalt ließen. Also blieb mir nichts anderes übrig als weiter zu Schimpfen und hoffen, dass ich irgendwo einen Nerv traf.
„Wie ist es zu wissen, dass dich keiner vermissen würde, wenn du verschwindest? Das dich keiner da oben bedauert. Keine Liebe, keine Freunde oder Familie. Nur Angst und Hass."
„Bist du fertig" fragte er amüsiert.
„Noch lange nicht. Stimmt es, dass du von Gott immer nur zweitrangig behandelt wurdest? Ich habe gehört, dass du Eifersüchtig warst und deshalb den Himmelskrieg angezettelt hast. Armer Luzifer, bekam zu wenig Liebe und entpuppte sich als die größte Enttäuschung allem Himmlischen. Und jetzt würdest du für alle Ewigkeit in der Hölle vergammeln."
Ha! Schwachpunkt gefunden, denn das schiefe Grinsen und sein amüsiertes Funkeln wurden ihn damit aus dem Gesicht gewaschen. Zurück blieb eine mordlustige Maske, die mir dennoch keine Angst einjagte. Er würde mich nicht töten, zumindest redete ich mir das ein. Selbst wenn, es war mir egal.
„Also, stimmt es," sprach ich einfach weiter. „Du solltest deinen Namen von „Luzifer, der Morgenstern" in „Luzifer, die größte Enttäuschung Gottes" ändern."
Er drückte meine Handgelenke fester zusammen, während er auf die Wand hinter mir starrte. Bei meinen Worten huschte kurz ein verletzlicher Ausdruck über seine ansonst perfekt gemeißelte Maske. Anders als erwartet befriedigte es mich nicht. Ich fühlte mich auf der Stelle schuldig. Diese Verletzlichkeit passte nicht zu dem König der Hölle, sie ließ ihn fast menschlich wirken.
„Ich glaube du solltest dich ausruhen. Das alles war wahrscheinlich zu viel für dich." meldete er sich schließlich abgestumpft zu Wort, ließ los und verschwand so schnell aus dem Raum, dass mein menschliches Auge es nicht erfassen konnte. Mein menschliches Auge, das angeblich gar nicht menschlich war. Was ein Tag. Ausgelaugt starrte ich auf die Decke. Vielleicht war ich zu weit gegangen. Eigentlich war er ganz okay, zumindest manchmal. Inanna, flüsterte ich leise den Namen, einfach nur umzuhören, wie er aus meinem Mund klang. Noch immer wollte ich nicht wahrhaben, dass sie angeblich meine Mutter sein sollte, beziehungsweise konnte ich nicht akzeptieren, dass meine Mutter kein Mensch war. Was war ich? Oh Mann, wenn mein Vater sich als einer dieser schleimigen Hirnlosen niedrigen Dämonen entpuppte, konnte man mich Einweisen. Müde kroch ich unter die Decke, hob diese bis zu meinem Kinn und kuschelte mich tief in das Kissen, welches stark nach dem Engel roch. Gefallen oder nicht, am Ende war er wohl mehr Engel als Dämon. Diese Erkenntnis verwirrte mich zu tiefst. Mein Hirn war matsch. Luzifer war alles andere als ein Engel. Engel waren gut und beschützten die Menschen. Doch verkehrte er einst in eben dieser Gemeinschaft. Er war wohl nicht ohne Grund ausgestoßen worden. Ich seufzte laut. Er hatte recht, dass alles war viel zu viel für mich. In Gedanken ging ich die Fakten, welche ich kannte, durch. Satan wollte meinen Tod, ich lebte in der Hölle, währenddessen gab sich Ben wahrscheinlich die Schuld und ließ sich vom VT umbringen und das Highlight, meine Mutter war eine Dämonenfürstin. Ich durfte nicht vergessen, dass Luzifer irgendetwas plante. Etwas Großes und ich spielte eine Rolle darin. Welche musste ich unbedingt herausfinden. Mein Herz stockte, während ich den heutigen Tag erneut durchlief. Wir waren uns oft viel zu nahe gewesen. Das war nicht gut und meine Gefühle waren noch schlimmer. Dieses Kribbeln musste aufhören, sofort. Es war nicht nur unpassend, sondern total hirnrissig. Ich schob es auf meine weiblichen Hormone. Luzifer sah gut aus, das war es auch schon. Dieses Kribbeln hatte keine Bedeutung und beruhte auf irrationales weibliches Verlangen. Ich war sowas von am Arsch. Erschrocken zuckte ich zusammen, da ich nicht bemerkte, dass jemand den Raum betreten hatte. Erst als dieser Jemand sprach und mir somit den Schrecken des Jahrhunderts verpasste.
„Die Katze ist aus dem Sack." stellte Foras ruhig fest und sah mich aus seinen haselnussbraunen Augen neugierig an. Sein schwarzes Haar hatte er zu einem Zopf gebunden, was sein ausdrucksstarkes Gesicht gut zur Geltung brachte. Sprachlos stellte ich fest, dass er normale Klamotten besaß. Er trug eine graue knielange lockere Hose und ein schlichtes schwarzes Shirt. Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Ein Dämon gekleidet wie ein Mensch, es war zu komisch.
Foras schlenderte gemütlich zur Sitzecke und fläzte sich auf den Wohnzimmersessel. Abwartend musterte er mich. Ich fühlte mich unwohl, nur in diesem Shirt und der verdammt kurzen Hose, stand aber trotzdem auf und setzte mich ihm Gegenüber auf das Sofa.
„Wo ist Luzifer?" fragte ich ihn, da mir nichts Besseres einfiel. Gut, das war nicht der einzige Grund.
„Wütend wie er war, wahrscheinlich bei Lilith." Bei dem weiblichen Namen klingelte etwas in mir. Etwas was ich im Dämonikon gelesen hatte.
„Die Gattin Satans?" flüsterte ich mehr zu mir selbst.
„Richtig."
„Was mach er bei ihr?" ein brennendes Gefühl verbreitete sich in mir, welches alles andere als passabel war.
„Wahrscheinlich eine Succubi aufsuchen."
„Succubi?" Davon stand im Dämonikon nichts.
Foras sah mich belustig an ehe er glucksend erklärte: „Succubus ist ein weiblicher Dämon, welcher vor allem für ihr lüsternes Verhalten bekannt ist. Für andere Dämonen unschädlich, aber äußerst problematisch für einen männlichen Menschen. Lilith regiert über die Succubi."
Einfach gesagt, höllische Prostituierte. Angewidert schnalzte ich mit der Zunge, was Foras wiederum heiter zum Lachen brachte. Das brennen in mir war ungemein angestiegen. Traurig, selbst männliche Dämonen oder Engel waren nicht besser als die Menschlichen. Allerdings ergab sich damit eine einmalige Chance für mich. Katzenhaft sah ich den breiten Dämon vor mir an.
„Foras, wir sind doch Freunde..."
„Sind wir das?" unterbrach er mich misstrauisch. Er war schlau, das würde nicht einfach werden.
„Von allen hier kann ich dich am Besten leiden. Du kommst einen Freund am nächsten. Also..."
„Dämonen haben keine Freunde." erneutes unterbrechen seinerseits. Frustriert holte ich tief Luft.
„Du schon, mich. Also, ich habe eine Frage an dich und da wir Freunde sind, musst du sie ehrlich beantworten." brachte ich den Satz endlich zu Ende. Foras nickte mir missmutig zu, woraufhin ich weitersprach: „Könnte ich meine, ähm, Erzeugerin sehen?" Ich würde sie nicht als meine Mutter bezeichnen, dass fühlte sich irgendwie falsch an.
„Wenn du es richtig angehst, dann könntest du sie eventuell sehen. Allerdings würde Luzifer es nicht erlauben und ohne ihn kommst du nicht weit."
„Was ist mit dir?" Lachend schüttelte er den Kopf, so leicht würde ich nicht aufgeben.
„Niemals." brachte er amüsiert hervor.
„Wieso nicht? Scheust du dich vor der Herausforderung?" Mein Gefühl verriet mir, dass ich ihn nur so herumbekommen könnte. Er war ein stolzer Krieger, welcher sicherlich nicht als feige durchgehen wollte.
„Das wäre keine Herausforderung. Es wäre ein unkluger Zug, während du etwas gewinnst, verliere ich die Gunst Luzifers." erklärte er sachlich. Ich konnte ihn nichts anbieten, was diese Sache wert wäre. Verbissen musterte ich die hellen Narben an seiner dunklen Haut und dachte verzweifelt über etwas nach. Irgendwie musste ich ihn dazu bewegen können mir zu helfen.
„Und wenn er es nicht herausfindet?" versuchte ich verzweifelt.
„Er findet alles heraus." Foras sah mich so intensiv an, dass ich meinen Blick von seinen narbigen Armen hob und ihn fragend in die Augen sah. Etwas undefinierbares schimmerte in ihnen, ließ das helle braun mysteriös schimmern.
„Freunde. Meintest du das ernst?" Der Wüstendämon sah mich interessiert an und neigte seinen Kopf leicht zur Seite.
„Wieso denn nicht?" gab ich ehrlich als Antwort. Er war mir gegenüber immer sehr neutral und schien, anders als alle anderen, meine Fragen zu schätzen. Außerdem schadet ein Freund aus der gegnerischen Partie nie.
Er zuckte mit den Schultern, während er gestand: „Ich hatte noch nie einen Freund. Verbündete, ja." Es stimmte mich fast traurig, anderseits war das die Hölle und Dämonen fühlten nicht wie Menschen. Ehe ich etwas erwidern konnte sprach Foras weiter.
„Steh auf!" befahl er, währenddessen hievte er sich selbst aus dem Sessel.

„Inanna findet sich nicht von alleine."

Apokalypse - BittersüßWhere stories live. Discover now