Kapitel 2

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Fia, Fia, Fia. Sang eine klare Stimme. Wo war ich? Fiaaa. Hörte ich sie erneut. Es war zu dunkel um etwas erkennen zu können. Ich sah nicht einmal meine eigene Hand. Auf einmal wurde es strahlend hell. Ich riss meine Hände vors Gesicht um meine Augen vor dem plötzlichen Lichtstrahl zu schützen. Was ging hier vor sich? Panik breitete sich in mir aus, schien mich zu lähmen. Jeder Versuch einen Schritt vorwärts zu gehen war erfolglos. Als wäre ich am Boden festgenagelt. „Ben?" schrie ich panisch. Hoffend, dass meine Augen sich bereits ans Licht gewohnt hatten, nahm ich meine Hände vom Gesicht. Ich sah die Umrisse einer Gestalt, welche wie es scheint durch und durch aus Licht bestand. Lang konnte ich sie nicht anstarren, das Licht war viel zu grell. Komisch, es schien als wäre dieses Geschöpf das einzige helle. „Dein Ben wird dich nicht hören." sprach es kalt, was einen Widerspruch zu dem gab, was es war. „Wo bin ich?" Meine Stimme zitterte und brach am Ende. „Dasselbe wollte ich dich Fragen." Das nächste was ich hörte war ein Schnipsen, ehe ich mich irgendwo in einem Wald befand. „Was zur Hölle," verwirrt sah ich mich um. „Hölle trifft es tatsächlich ziemlich gut," hörte ich es schemenhaft hinter mir. Erschrocken zuckte ich zusammen und drehte mich um. Anstelle einer gigantischen Lichtgestallt, saß ein Mann auf einem Baumstumpf und aß genüsslich einen Apfel. Er war groß, bestimmt um die 1.90 Meter, hatte schwarzes Haar, welches ihm in alle Richtungen abstand und Himmel, goldene Augen. Er trug nur eine Leder Hose, die ihn für meinen Geschmack zu tief hing. Nicht einmal Schuhe. Ohne frage, er sah verdammt gut aus. Sein Körper war ein reines Muskelspiel. „Habe ich dir die Sprache verschlagen?" seine kalte Stimme triefte vor Arroganz. Mein Blick wandere von seinen Bauchmuskeln zu seinem Gesicht und gequellt musste ich feststellen, dass er auch dort nicht den Hauch eines Fehlers zeigte. Es war ebenmäßig und markant, seine Kieferpartie gut ausgeprägt und die Lippen voll. Ich habe noch nie einen so schönen Menschen gesehen. „Ich bin kein Mensch," angewidert verzog er das Gesicht. Gütige Mutter Theresa, konnte er? „Ja. Und sie war nicht wirklich so gütig." „Wer bist du?" erneut brach meine Stimme. Langsam verfluchte ich mich. „Wo bist du?" fragte er und ignorierte mich einfach. „Das würde ich auch gerne wissen?" Ich machte mir langsam echt Sorgen um meinen Geisteszustand. „Menschen sind so dumm. Können Illusionen nicht von der Wirklichkeit unterscheiden. Du bist dort wo du bist und ich muss wissen wo es ist." „Illusion?" „Ja und jetzt beantworte meine Frage, ich verliere die Geduld." Die Kälte seiner Stimme ließ meine Haare zu Berge stehen. „Du stehst vor mir." Der Mann musterte mich als wäre ich der dümmste Mensch, mit dem er je gesprochen hatte. „Nein. Ich habe mich in deinen Traum geschlichen als ich erfuhr, welchen Namen du trägst." antwortete er als wäre es selbstverständlich. Ich wollte etwas erwidern als er vom Baumstamm aufstand und die Reste seines Apfels einfach in Luft auflösen ließ. „Du verschwendest meine Zeit. Riechst nach Mensch," erklärte er. Als er vor mir stand, nahm er eine meiner Haarsträhnen in die Hand und wickelte sie sich um seine Finger. Ich musste meinen Kopf in den Nacken legen, um ihn in diese seltsamen Augen zusehen. Als wären sie kleine Sonnen, glitzerten sie in dem verschiedensten Gold, Gelb und Orangetönen. „Nein ich kann es fühlen, du bist die die ich suche." Ich entriss ihn meine dunkelbraune Haarsträhne und machte einen Schritt weiter nach hinten. „Ich sehe, dass ich dich wohl suchen muss. Katz und Maus." „Wer bist du?" fragte ich zum gefühlt tausendsten Mal. „Die Schlange oder in unserem Fall die Katze." zwinkerte er mir zu. „Ich finde dich, kleine Maus."

Erschrocken riss ich hoch. Was war das? Panisch drehte ich mich nach rechts. Erleichterung durchflutete meine Venen als ich Ben neben mir liegen sah. Friedlich schlief er, eine dünne Decke bedeckte seinen nackten Körper grob. Mit zitternden Händen schnappte ich nach der Wasserfalsche über mir und trank sie hastig aus. Die Sonne war bereits aufgegangen und durchflutete die kleine Kapelle mit zartem Licht. Seufzend sammelte ich meine Kleidung vom Boden und roch an ihnen. Nicht all zu schlimm. Als ich meine schwarze Hose, welche den Schnitt einer Militärshose besaß, und das dunkelgrüne Tanktop anhatte, kramte ich im Rucksack nach meiner Zahnbürste und ging die Stiegen des Todes hinab. Ich setzte mich vor die Tür der Kapelle und begann in Gedanken versunken meine Zähne zu putzen. Was hatte dieser Traum zu bedeuten und wer war er? Rhiannon, welche die Angewohnheit hatte Träume zu deuten, würde mir bestimmt etwas von Angst und dem Gefühl vom Gejagt sein erzählen. Ich war mir aber ziemlich sicher, dass es definitiv kein normaler Traum war. Ich finde dich, kleine Maus. Was meinte er damit? „Hey, da bist du ja." Ben setzte sich lächelnd neben mich, ebenfalls eine Zahnbürste in der Hand. Ihn in die Augen sehend überkam mich die pure Reue. Am Ende würden wir uns noch zerstören. „Alles gut?" fragte er mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Klar, ich bin nur müde." „Vielleicht solltest du dir für heute frei nehmen?" Schüttelnd verneinte ich. Seit meinem fünfzehnten Lebensjahr arbeitete ich im Rickson's, einem kleinen Diner mitten in der Stadt, denn obwohl die Welt am Rande ihrer Existenz war und jeden Tag duzend Menschen starben, musste man irgendwie Geld verdienen. „Wir brauchen das Geld." erklärte ich wissend, dass das sein wunder Punkt war. Ben hasste es, dass ich arbeite und er nicht. Irgendwie wollten die Leute ihn nicht einstellen und er schwor darauf, dass es an der Narbe lag. Sie schreckte andere anscheinend ab. Ich persönlich fand sie cool. Okay, sie erinnerte an eine schreckliche Nacht aber beweist jeden Tag aufs Neue, dass er ein Kämpfer war. Anders als normal, wenn ich dieses Argument brachte, zuckte Ben nicht zusammen. Nein, er schenkte mir stattdessen ein breites Grinsen. „Ben du Dreckssack, hast du einen Job?" Freudig klatschte ich in die Hände als er lachend nickte. „Seit wann?" „Na, das war der Grund wieso ich zu spät kam. Ich musste gestern die Tauglichkeitsprüfung bestehen und danach noch auf das Ergebnis warten." Kälte packte mich. Ungläubig schaute ich ihn an. „Was?" „Ich bin offiziell ein Mitglied der VT's" Die VT, Venatores Tenebris, waren eine Elitegruppe des Militärs, deren Schwerpunkt der Jagt der Dämonen gewidmet war. Die Aufnahmeprüfung war verdammt schwer und der Psychotest meiner Meinung nach fast unmöglich zu bestehen. Außerdem sah es in einen Kampf gegen Dämonen meistens für den Menschen schlecht aus. „Du hast dich nicht wirklich verpflichtet?" meine Hände begannen zu zittern als ich mich so hindrehte, dass ich ihm in die Augen sehen konnte. Eine Verpflichtung des VT's konnte nur mit dem Tod des Mitglieds gebrochen werden, da die Soldaten sowieso nicht alt wurden. „Ich bekomme richtig viel Geld und du kannst deinen Job aufgeben. Außerdem kann ich dadurch endlich was machen. Verstehst du, nicht mehr einfach nur zusehen." „Ich mag meinen Job zwar nicht aber aufgeben würde ich ihn sowieso nie." erklärte ich. Er wollte gerade zu sprechen ansetzen als ich meine Hand in die Luft riss und ihm so mitteilte seine Klappe zuhalten. Wut vermischt mit Angst ließ meine Stimme erzittern. „Ben du hast dein Todesurteil unterschrieben! Du kennst doch die Statistik." „Mach dir keine Sorgen, Fia. Ich werde nicht in einer Statistik enden." „Woher weißt du das?" schrie ich. „Woher willst du wissen, dass du gegen einen Dämon kämpfen kannst oder gleich mehrere auf einmal?" „Weil ich das schon geschafft habe!" schnauzte er mich nun an, stand auf und ging vor mir auf und ab. „Und was hat es dich gekostet?" Tränen bannten sich einen Weg nach draußen. Er war so naiv. „Die Narbe ist nichts." „Du weißt das ich nicht von der bescheuerten Narbe spreche." Die Verzweiflung trieb mich zu folgenden Worten. „Das letzte Mal wären wir alle fast abgekratzt. Zur Hölle, siehst du Rhiannon?" Er zuckte zusammen, sah mich aus weit aufgerissenen Augen an. „Das ist nicht fair." Nein, war es nicht aber verflucht nochmal die Wahrheit. Ich stand ebenfalls auf, umklammerte seine Arme als wäre ich am Ertrinken und er mein Rettungsring. „Du musst das wieder gerade biegen. Bitte, sag mir, dass du die Papiere noch nicht unterschrieben hast." Er mied den Augenkontakt, sah in den Himmel und holte tief Luft. „Ben." „Nein Fia, hör mir mal zu. Ich habe unterschrieben, weil ich daran glaube. Die Situation von damals war komplett anders als zu der jetzt. Ich bekomme Training, lerne sie zu bekämpfen und kann dadurch auch dich beschützen." „Was nützt das alles, wenn du am Ende tot bist." „Komm wir müssen los, deine Schicht beginnt bald," änderte er das Thema. Ich begann zu hyperventilieren, krallte meine Nägel voller Angst in seinen Arm. „Scheiße" murmelte mein Gegenüber. Meine Lunge brannte als wäre ich am Ersticken. Wie ein Fisch am Land. Ich ließ mich zu Boden fallen, versuchte vergebens meine Atmung zu kontrollieren. Ich werde ihn verlieren, schoss mir durch den Kopf. Er wird mich, wie alle anderen verlassen und für was? Eine Sache, die sowieso unmöglich war zu gewinnen. Ben, der ebenfalls am Boden saß, zog mich auf seinem Schoss um mich fest in den Arm zunehmen. „Du musst dich beruhigen," nuschelte er in mein Haar. Er wird sterben, einen anderen Weg gab es für Mitglieder des VT's nicht. Ben umfasste sanft mein Kinn, zog es nach oben und zwang mich in seine ebenfalls tränenden Augen zusehen. „Beruhig dich" sagte er ein weiteres Mal, bevor er seine Lippen auf meine presste. Ohne zu zögern erwiderte ich den Kuss. Fokussierte mich auf seine weichen Lippen. Auf die Zunge die um Eintritt bat. Meine Hände zitterten noch immer als ich sie um seine Wangen legte. Unbewusst strichen meine Finger um die Narbe, die er den Klauen eines Dämons verdankte. Mit seiner rechten Hand stützte er meinen Hinterkopf, während die linke fest meine Hüfte umschlang. Anschließend lies er seine Stirn auf meiner Ruhen, zog mich währenddessen noch dichter an sich. „Es ist schon lange her als du deine letzte Panikattacke hattest." „Ja," flüsterte ich. „Es tut mir leid aber ich muss es tun." „Ich weiß." „Komm wir müssen los." Gemeinsam standen wir auf, danach holte Ben unsere beiden Rucksäcke und wir gingen los. Ich müsste im Diner unbedingt mein Handy aufladen. Schweigend gingen wir nebeneinander, jeder mit seinen eigenen Sorgen beschäftigt. , wie ich diese Organisation verfluchte. Alles aufgeblasene Idioten, die junge Männer in den grausamen Tod schickten. Offiziell durften auch Frauen Mitglieder werden aber keine einzige hatte es bis jetzt geschafft. Überzeugt, dass es frauenfeindliche Arschlöcher waren, machten sie die Prüfungen für sie besonders schwer. Natürlich gab das das VT nicht zu. Ich warf Ben, der Gedankenverloren auf den Grund des Waldes starrte, einen Blick zu. Das er die Prüfung geschafft hatte verwunderte mich nicht wirklich. Er war schon immer sehr athletisch. Etwas auf einem Baum lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Eine Schlange. „Ben, da ist eine Schlange." Verwirrt fragte er wo. „Auf dem Baum da hinten," ich zeigte mit meiner Hand auf einen Baum seitlich von Ben, doch in diesem Moment kroch die Schlange zischend in die Baumkrone. „Naja wir sind im Wald." „Seit wann gibt es hier Schlangen?" „Wahrscheinlich schon immer?" Er zuckte desinteressiert mit den Schultern. Ein Instinkt, von dem ich nicht wusste, dass er existiert, riet mir zur Vorsicht. Mein Traum. Konnte das sein? Vielleicht war der Mann ein Dämon und ich sein nächstes Opfer? „Alles Okay?" Ich bejahte, was soll ich auch schon groß sagen. Ben ich habe von einem komischen Mann geträumt und glaube er war die Schlange? Bestimmt nicht. Wir erreichten den Waldrand als Ben stehen blieb. „Ich muss in die andere Richtung als du." „Zu unserem alten Versteck?" In der anderen Richtung war so gut wie nichts außer einer verlassenen Schule, in dessen Keller unser altes Versteck war, einer Kirche und einem Friedhof. „Ich möchte unseren Vorrat an Weihwasser auffrischen und werde wahrscheinlich noch ein paar Sachen aus dem Loch holen." Das Loch, so nannten wir die alte Hausmeisterkammer im Keller. Sie war dezent schäbig aber uns immerhin ein gutes Zuhause gewesen für fast ein ganzes Jahr. „Könntest du auch ein paar Bücher mitnehmen?" Als die Schule schloss, weil zu wenig Schüler „die Ankunft" überlebt hatten, machte sich der Staat nicht die Mühe die Sachen auszuräumen. Zu meinem Glück, war die Bibliothek ziemlich gut erhalten geblieben. „Klar," sagte Ben, dann gingen wir beide getrennte Wege. Tief im inneren wusste ich, dass das nicht alles war. Er verschwieg mir irgendetwas und wenn ich richtig lag, dann hatte es was mit dem VT zu tun. 

Apokalypse - BittersüßWhere stories live. Discover now