Kapitel 17

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Ich raste in seine Richtung, packte einen seiner Arme fest, da ich Angst hatte, dass er einfach abhauen könnte, und versuchte mich schleunigst zu sammeln. In mir schwirrten so viele Fragen, dass ich nicht wusste wo ich beginnen sollte.
„Fia, lass mich los." warnte er mich mit noch immer zugedrehten Rücken.
„Meine Mutter?" Mir war alles egal. Ihm könnte ein zweiter Kopf wachsen, ich würde ihn nicht loslassen. Meine Mutter hieß Inanna und sie kannte anscheinend Satan, welcher meinen Tod beauftragte.
„Du machst alles kaputt!" schreiend schoss er eine Energiewelle in die ihm gegenüberliegende Wand. Unsicher musterte ich den Riss im Putz. Anschließend packte ich seinen Arm noch fester und zog ihn entschlossen in meine Richtung. Zum Glück ließ er gewähren, sodass ich ihm auf seine allbekannte Shirt-lose Brust starren konnte. Jeder Muskel schien angespannt zu sein. Meine Hand, die nicht seinen Arm umklammerte, legte ich dort wo sein Herz sein sollte, wenn er überhaupt eines hatte, ab. Der schnelle Rhythmus war mir nicht Aussagekräftig genug.
„Wie kann ich alles kaputt machen? Ich will doch nur Antworten. Luzifer, du kannst mich nicht erpressen mitzugehen, dann verlangen, dass ich all die komischen Sachen ignoriere. Wieso will Satan meinen Tod? Was sollen diese geheimnisumwobenen Aussagen? Warum spricht er von meiner Mut- von Inanna als würde er sie persönlich kennen?" flüsterte ich und starrte verbissen auf meine Hand an seiner Brust. Ich wollte nicht in seine Augen sehen. Wollte nicht wissen ob sie mich kalt anstarrten oder eine unerklärliche Gefühlsregung in ihnen glitzerte. Als er nichts erwiderte seufzte ich erschöpft und stütze meinen Kopf ergäben an seinem Oberkörper ab. Die Kopfschmerzen waren mittlerweile noch schlimmer geworden. Hätte nicht gedacht, dass das möglich war. Müde schloss ich meine Augen, das Licht war viel zu grell. Wieso konnte man mir nicht einfach sagen was los war. Was war so schlimm daran, wenn ich wenigstens das mit meiner angeblichen Mutter näher erfahren würde?
Luzifer befreite den Arm, welchen ich umschlossen hatte, hob diesen und legte ihn an meinem Kreuz ab, sodass er mich näher an sich zog. Danach hob er auch seinen anderen Arm, welcher bis dahin einfach schlaff vor sich hin baumelte. Er drückte mich kurz fest an sich, danach hielt er mich einfach in seinen Armen. Ich beschloss meinen freien Arm um seine Hüften zuschließen und erwiderte damit die Umarmung. Die Stimme der Vernunft beschimpfte mich wüst, doch kümmerte es mich nicht. Das Kribbeln in meinen Bauch war alles was ich wahrnehmen konnte. Es war so stark und penetrant, dass ich glaubte, er könnte es vielleicht ebenfalls spüren. Verdammt, ich durfte nicht vergessen wer oder was er war. Ich musste mich immer wieder erinnern, dass er kein Freund war. Dass er mich genötigt hatte mit zu kommen. Einerseits wollte ich ihn schlagen und mich von seiner warmen Umarmung lösen. Anderseits schien es als würden wir sie beide benötigen. Wie lang war es her seit ich umarmt wurde? Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Gedankenverloren schmiegte ich mich an ihn, nahm seinen außergewöhnlichen Geruch, der mich an Wald und Nadelbäume erinnerte, in mir auf und lauschte seinem Herz. Ähnlich wie mein eigenes schlug es erstaunlich schnell und unregelmäßig.
Luzifers Stimme durchbrach den Nebel in meinem Kopf und erschütterte damit auf ein Neues meine Welt: „Inanna. Sie ist kein Mensch." Mein Körper erstarrte. Er wollte mich verarschen, das konnte gar nicht sein. Ich war ein Mensch ergo meine Mutter war ein Mensch. Anders ging es nicht.
„Ich weiß, dass du mir nicht glaubst. Hör mir einfach zu, okay?" fragte er ruhig und legte sein Kinn an meinen Kopf nieder. Mir wurde erneut bewusst, dass wir viel zu innig aneinandergeschmiegt waren. Doch konnte ich mich nicht von ihm abwenden. Er, so dämlich es war, war gerade mein einziger Halt, deshalb drückte ich mich noch näher an ihn.
„Inanna ist eine Dämonenfürstin. Früher allerdings ehrten die Menschen sie als eine Göttin. Genauer gesagt als eine Fruchtbarkeitsgöttin. Sie war die Königin des Lebens. Wie ich dir schon einmal erklärt habe, glauben Menschen alles zu wissen. Jeder hat seine Religion und oft wird die des anderen als falsch anerkannt. Tatsächlich gibt es sowas wie falsch oder wahr nicht. Menschen wissen, was wir sie wissen lassen, das wars aber auch schon. Ich bin Luzifer, der Morgenstern aber ich war auch viele andere. Wie auch immer, Inanna war, wie ich, vor langer Zeit ein gesegnetes Geschöpf. Gesegnet vom einzig wahren, Gott. Bis sie in Ungnade gefallen ist." Während er sprach zog er mich kraftvoll an seinen Körper. Hielt mich bei Passagen, die meine Füße zum Zittern brachten besonders entschlossen. Ich legte meinen Kopf in den Nacken, suchte in seinen Augen nach einer Lüge, die ich nicht fand. Er strahlte eine kalte aber neutrale Ehrlichkeit aus, welche mir Tränen in die Augen trieb.
„Ungnade?" wisperte ich nach einer kleinen Ewigkeit.
Nickend sprach er weiter: „Sie schenkte den Menschen Liebe, gab ihnen Kriege und Streit, denn wofür, wenn nicht um der Liebeswillen kämpfen? Demgegenüber regte sie vor allem zur Unzucht an. Junge adelige Damen, die sich mit Schäfers-Jungen auf der Weide vergnügten oder Ehepartner, die betrogen. Inannas Spiel beraubte den Himmel die wahrhaft reinen und das bis heute. Noch vor dem Krieg der Engel wurde sie in die Hölle verbannt. Wo sie ihre rechtmäßige Aufgabe bekam."
„Sie war eine Göttin und jetzt ist sie eine Dämonin?"
„Nein und ja. Wie gesagt, ihr gabt uns diese Titel. Göttin, Dämon, Engel, das alles sind Wörter aus eurer Sprache, um etwas zu beschreiben, was unbeschreiblich ist. Wir akzeptieren eure Titel und haben sie selbst eingeführt, doch ist es anders. Inanna war früher, für die Menschen, eine Göttin als es mehr als Gott gab aber strenggenommen ist sie immer nur eine Assistentin gewesen."
„Das kann nicht stimmen. Ich bin ein Mensch." argumentierte ich verzweifelt.
„Du bist das Produkt eines in Ungnade gefallenen Wesen. Sowenig Mensch, wie alles andere." gab er okkult von sich. Nein ich war ein Mensch. Ich war wie Ben und Rhi. Er selbst hatte behauptet, dass ich uninteressant wäre, wenn das alles stimmen würde, wäre ich alles andere als uninteressant.
„Ich bin ein Mensch. Du hast mich selbst Mensch genannt!"
„Fia, ich habe dich glauben gelassen, dass zu sein, was du zu sein dachtest."
„Ich bin kein Dämon!" begann ich hysterisch zu stammeln. Meine Lungenflügel zogen sich schmerzlich zusammen und nahmen mir, wie immer bei einer Panikattacke, den Atem. Mehr frustriert als wütend riss ich mich aus seiner Umarmung, fühlte mich auf der Stelle einsam, und stolperte kleinere Schritte nach hinten. Mein ganzer Körper zitterte, während mir laute Schluchzer entkamen. Es konnte nicht sein. Ich war so oft mit Weihwasser in Berührung gekommen, übernachtete sogar auf heiligen Boden, dass alles sprach gegen einen Dämon. Ja, weil ich verdammte scheiße noch einmal ein Mensch war. Ich war ein Mensch.
„Das habe ich auch nicht gesagt." Luzifer, welcher mein Bedürfnis nach Distanz anscheinend nicht verstand oder schlichtweg ignorierte, machte größere Schritte um den Abstand zwischen uns wieder zu verringern. Panisch machte ich bei jedem Schritt, den er nach vorne ging, einen nach hinten, bis ich auf das Bett fiel. Ich kroch schnell weiter rückwärts, doch dann spürte ich das Kopfende im Rücken und war damit gefangen.
„Geh weg!" wimmerte ich aus tränenverschwommener Sicht, da sich der König der Hölle vor mich auf seine Knie gesetzt hatte.
„Nein."
„Ich bin kein bösartiger unschuldiger Menschenfressender Dämon!"
„Nein, das bist du nicht aber menschlich bist du auch nicht." Er log, doch wieso sahen seine Augen dabei so ehrlich aus? Nein, er log.
„Du wolltest wissen, wer deine Mutter ist. Jetzt weißt du es."
„Nein, das macht keinen Sinn. Wieso sollte ein Dämon sein ungewolltes Kind in ein menschliches Krankenhaus bringen und das lange vor der Ankunft? Töten ist doch die Devise der Hölle. So vieles ergibt keinen Sinn." redete ich mich in Rage. Ich konnte, dass was er gesagt hatte, einfach nicht akzeptieren. Insgeheim wollte ich nicht einmal eine Antwort hören, wollte das alles einfach ignorieren. Niedergeschlagen wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht, was nicht viel brachte, da immer mehr dazu kamen. Luzifer beäugte meinen Nervenzusammenbruch still und brachte mich damit fast zum Explodieren. Er hätte mich damals in Ruhe lassen sollen. Das alles war seine Schuld. Ohne ihn wäre ich noch bei Ben, unwissend und frei von diesen verdammten Kopfschmerzen. Ich würde im Diner arbeiten. Meine größte Sorge das VT und nicht ob meine Mutter womöglich eine beschissene Kreatur war. Von Wut zerfressen, schmiss ich den letzten Fetzten Verstand über Board und stürzte mich schreiend auf ihn. Wild entschlossen, dass Adonis-Gesicht zu verunstalten. 

Apokalypse - BittersüßWhere stories live. Discover now