Kapitel 23

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Ich saß gemeinsam mit Nina im Wohnbereich und aß Hühnchen mit Soße, während sie unruhig mit ihren Krallen am Tisch klackerte. Zwei Tage waren vergangen, dachte ich zu mindestens, seit ich wusste was ich war. Innerhalb dieser zwei Tage wurde die Dämonin zu meiner besten Feindin. Sobald Luzifer ging, stand sie auf der Matte und beobachtete mich bis dieser wiederkam. Was jetzt passieren sollte, wusste ich nicht. Luzifer hatte mir erklärt, dass Inanna mich nach meiner Geburt mit einem Schutz-und-Blockadezauber belegt hatte. Diese Art von Schutzbann war angeblich eine ziemlich harte Nuss, doch war er positiv gestimmt. Ich glaubte, dass er die Blockade insgeheim nicht aufheben möchte, denn dann hätte er mich einfach zu Inanna gebracht, welche ich schon gesehen hatte und somit ein Teil, um meine Kräfte, was auch immer sie waren, zu befreien, erledigt war. Dies konnte Luzifer allerdings nicht wissen. Es fehlte nur noch mein biologischer Vater. Mir wollte allerdings niemand sagen, wer er war. Der Dämonenkönig behauptete sogar, dass man nicht wüsste, wer es war, was ganz klar eine Lüge war. Von Uriel wurde ich nicht mehr in meinem Traum besucht, dafür erschien Satan gestern unerwartet. Geheimnisvoll begab er sich mit Luzifer in einen anderen Raum, um anschließend wütend wieder zugehen. Man verschwieg mir den Grund seines Besuches. Eigentlich wurde ich nur belogen, was die Sache mit dem Vertrauen schwer machte. Ich hielt einzig allein für Ben durch, denn er hatte mehr verdient als ein Leben in der Hölle, nach seinem Tod. Die Sache mit dem Regieren der Reiche irritierte mich, doch beließ ich es dabei. Das war nicht meine Baustelle.
„Könntest du das lassen?" zischte ich die hellhaarige an, da mich das stätige Klacken wahnsinnig machte. Sie war ungewöhnlich zappelig. Nina sah mich wütend an, stand auf und begann im Raum auf und ab zulaufen. Ich vermisste Foras, denn der hatte mich nie um den Verstand gebracht. Ihn hatte ich seit unserem Ausflug nicht mehr gesehen, was mir große Sorgen bereitete. Seinen Namen konnte ich bei Luzifer nicht ohne angebrüllt zu werden erwähnen und wenn ich fragte, wo mein dämonischer Freund war, wurde ich verächtlich gefragt, ob zwischen uns etwas lief. Jede Argumentation war zwecklos. Nina selbst zuckte bei Foras Namen nur mit den Schultern.
„Du meine Güte, Nina!" motzte ich mit vollem Mund. Ihr Benehmen war nicht nur merkwürdig, sondern unerträglich nervig. Am liebsten würde ich sie an einen Stuhl ketten, damit sie ruhe gab.
Zornig blieb sie stehen, die Schlangen um ihren Körper zischen mich warnend an, während sich die größte von ihnen, Oculus, von ihrem Körper herunter schlängelte und sich mir näherte. Dieses Mistviech wusste ganz genau, dass ich es hasste, wenn er mich mit seiner Zunge peitschte, tat es wahrscheinlich aus genau dem Grund immer wieder. Er war seiner Besitzerin ungemein ähnlich.
„Was ist denn los?" fragte ich, beäugte das blaue Reptil dabei kampflustig.
Nina schwieg lange, ging wieder auf und ab, ehe sie endlich mit der Sprache rausrückte.
„Etwas hat sich verändert. Ich kann es fühlen, meine Schlangen fühlen es." erklärte sie nicht gerade aufschlussreich. Eine provokante Aussage lag mir auf der Zunge, bettelte regelrecht ausgesprochen zu werden und doch zwang ich mich, sie herunter zu schlucken. Was auch immer es war, es beschäftigte sie.
„Und was genau?" Um ehrlich zu sein interessierte es mich nicht im Geringsten. Ich hatte meine eigenen Probleme und mochte sie nicht einmal sonderlich. Etwas in mir zwang mich aber, ihr meine Hilfe anzubieten, auch wenn diese nur darin bestand, dass ich ihr zuhörte.
„Die Energie hat sich verändert. Zuerst dachte ich, dass es nichts sei. Doch kann ich es jetzt klar spüren. Deine Aura fühlt sich anders an und ich komme einfach nicht darauf woran es liegt." stöhnte sie genervt. Ein Damm war wohl in ihr gebrochen, denn sie begann sich in rage zureden. „Du stößt etwas Kraftvolles aus, wobei du früher nicht einmal einen funkten dieser Energie besessen hattest. Ich bin sogar überzeugt, dass deine Augen noch dunkler geworden sind." Normalerweise wäre ich in Gelächter ausgebrochen, jedoch hatte sie nicht ganz unrecht. Mir selbst war heute, während ich mich frisch gemacht hatte, aufgefallen, dass meine dunkelbraunen Augen fast schwarz waren. Mein Spiegelbild betrachtend fühlte ich mich sofort an die Uriels zurückerinnert, denn nur die seinen waren ebenfalls so dunkel. Die Tragweite dieses kleinen Details wusste ich nicht. Wahrscheinlich war es ein Zufall.
„Vielleicht ist meine Energie anders, weil ich alles weiß? Das mit den Augen könnte am Licht liegen," argumentierte ich wenig überzeugend. Nina schien es mir zumindest nicht abzukaufen, nickte trotzdem und warf dann meinem Essen einen gefährlichen Blick zu.
„Isst du das noch?" Ich wusste es!
„Ja...Aua!" schrie ich auf, da mich Oculus nicht mit seiner Zunge, sondern seinem Schwanz peitschte. Nebenbei schnappte sich Nina mein Hühnchen mit Soße und begann es zu essen. Ich hasse die beiden. Fluchend sah ich beide nacheinander an, versprach ihnen, dass sie das bereuen würde.
„Was ist mit Foras passiert. Also mit seinem Gesicht?" Mich quälte diese Frage schon lange, denn was auch immer geschehen war, es musste grausam gewesen sein. Eigentlich hatte ich nicht das Recht eine andere Person dazu zu fragen. Es war seine Geschichte, doch würde ich ihn nie persönlich danach fragen können und am Ende war ich einfach zu neugierig.
„Cacus wurde auf ihn losgelassen, hat ihn seine linke Gesichtshälfte fast komplett abgefackelt. Ziemlich schade, wenn du um meine Meinung fragst."
„Wieso und wer ist Cacus?"
„Er spuckt Höllenfeuer, wird selten als Bestrafung losgelassen aber Foras hatte es dann doch erwischt." schmatzte sie, die letzte Bissen meines Hühnchens herunterwürgend. „Warum genau wusste ich nicht. Angeblich eine Affäre mit Lilith, daran glaubte ich aus mehreren Gründen nicht. Lilith schlief so gut mit jeden, regelmäßig sogar mit Luzifer und keiner wurde jemals deshalb bestraft. Außerdem glaube ich das Foras nicht auf weiblich steht." Mein Bauch rumorte, bei der Vorstellung, dass Luzifer Sex-Dates mit Lilith hatte. Letztens war er wahrscheinlich mit ihr und keiner Succubi beschäftigt gewesen. Beides gefiel mir nicht. Das Foras auf Männer stehen sollte überraschte mich nicht wirklich, da ich mehrfach beobachtete wie er den Hinterteil Luzifers begutachtet hatte.
„War das auf Satan oder Luzifers Mist gewachsen?" fragte ich sie unbehaglich.
„Satan, Luzifer hatte ihn rausgeholt und seit dem stand Foras in seiner Gunst. Er hatte wohl einst einen großen Gefallen an Luzifer erwiesen, sonst hätte er ihn nicht befreit." Bei diesen Worten atmete ich erleichtert aus. Ich wusste nicht, wie ich reagiert hätte, wenn Luzifer ihn so gequält hätte, denn ich hatte mir geschworen, denjenigen dafür büßen zu lassen. Damit war das Gespräch beendet und ich nahm mir selbst das Versprechen ab, Foras, von wo auch immer er gerade war, zu befreien. Die Schlangenbeschwörerin stellte den leeren Teller auf den Tisch und begann augenblicklich wieder mit den nervenden klackern. Genervt stöhnte ich auf. Zu meiner Erleichterung betrat in diesem Moment jemand den Wohnraum. Wie so oft bei seinem Anblick blieb mir die Luft weg. Sein schwarzes Haar stand wild in alle Richtungen ab und rahmte sein Gesicht ein. Er trug ein schwarzes Hemd, welches er an den Ärmeln hochgekrempelt hatte, und eine schwarze enge Jeans. Sein dunkler Look ließ seine unglaublich hellstrahlenden orange-goldenen Augen hervorstechen. Luzifer grinste mich schief an. Ohne ein Wort verließ Nina samt Reptilien den Raum. Ich konnte ehrlich nicht sagen, was zwischen ihm und mir lief, falls da überhaupt etwas lief. Die meiste Zeit brachte er mich zum Ausrasten und ich wollte nichts lieber als ihn zu Brei zuschlagen. Es waren die Momente des echten, fühlenden Luzifers, die die Schmetterlinge in mir erweckten und mich süchtig machten. Diese Tatsache jagte mir einen gewaltigen Schrecken ein, denn tief in mir drinnen wusste ich, dass das nicht gut gehen konnte. Trotzdem gab es diese naive Stimme, die um seine Aufmerksamkeit bettelte. Die sich einreden versuchte, dass daraus vielleicht etwas werden könnte, wenn erst einmal alles vorbei war. So lächerlich war ich. Jetzt mal ehrlich, wie konnte auch nur ein kleiner Teil sich zu ihn hingezogen fühlen. Sich einbilden, dass er es vielleicht erwiderte und nicht nur Lust empfand. Wow, wow. Empfand ich denn mehr? Luzifer riss mich aus meinen Gedanken, denn er kniete inzwischen vor mir und nahm meine Hände in seine.
„Ich gefalle dir." stellte er fest und streichelte mit seinem Daumen über meine Hände. Was war denn in ihn gefahren? Nach dem kurzen Kuss waren wir uns nicht mehr nähergekommen. Manchmal dachte ich sogar, dass er mich extra mied.
„Nein." log ich und stahl ihn damit ein ehrliches Lächeln. Ein Lächeln, das die Grübchen in seinem Gesicht zum Vorschein brachte und ein aufregendes Kribbeln in mir auslöste, denn er lächelte nie. Zumindest nicht ehrlich.
„Doch und weißt du was? Du gefällst mir auch." flüsterte er mir tief in die Augen schauend. Mir wurde unglaublich warm. So warm, dass ich ein Eisbad nehmen sollte. Unfähig etwas Sinnvolles von mir zugeben, öffnete und schloss ich meinen Mund immer wieder. Wer ist das, und was hat man mit Luzifer gemacht?

Apokalypse - BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt