Kapitel 28

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Jede Art von Schmerz, die ich jemals in meinem Leben gefühlt hatte, war nichts gegen das, was mich erwartete, als ich aus meinem Schlaf erwachte. Als ich meine Augen ein Stück öffnete, hielt ich mir augenblicklich die Hand vor das Gesicht, da mich das kalte, grelle Licht so stark blendete.

Nach wenigen Sekunden hatten sich meine Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt und ich konnte somit einen Blick auf meine rechte Hand werfen, die noch immer wie ein Schutzschild zwischen mir und der Deckenlampe in der Luft schwebte. Um meine Fingerknöchel prangte ein dicker, weißer Verband und mit einer leichten Kopfbewegung stellte ich fest, dass dies ebenso auf meine linke Hand zutraf.

Ich ließ meine Augen weiter über meinen Körper wandern und betrachtete mein rechtes Bein, welches in einen Gips eingeschlossen war und steif auf der weißen Bettdecke lag. Gleichzeitig spürte ich einen leichten Druck an meinen Brustkorb, welcher vermutlich auch in einen Verband gehüllt war.

Mein Kopf fühlte sich so an, als hätte mein Gehirn Pingpong mit der Innenseite meines Schädels gespielt, wobei meine Schläfen schlimmer pochten als nach jedem Kater, den ich in meinem bisherigen Leben gehabt hatte.

Und trotz allem – trotz meines zerschundenen Körpers, meines schmerzenden Schädels und dieser hässlichen Krankenhauskleidung – war ich noch nie so glücklich gewesen. Ich hatte überlebt. Zwar knapp und mit einigen Einschränkungen, aber ich hatte überlebt. Die Angst, die mich zusammen mit meinem Lebenswille immer weiter angetrieben und mich nicht hatte aufgeben lassen, hatte sich bezahlt gemacht.

Ohne es zu beabsichtigen, musste ich lachen, während mir zugleich Freudentränen über die Wangen liefen. Einige Zeit lang saß ich auf meinem Krankenbett und lachte und weinte und zitterte vor Ekstase. Als ich mich ein wenig beruhigt hatte, sah ich rechts neben mich.

Neben meinem Bett stand ein leerer Stuhl und auf einem kleinen Tisch daneben lag ein Buch. Wer auch immer Der Große Gatsby gelesen hatte, konnte noch nicht lange weg sein. Neben dem alten Buch stand ein leerer Pappbecher und der Geruch von Kaffee verriet mir, dass daraus vor nicht allzu langer Zeit getrunken wurde.

Gerade als ich nach dem Buch greifen wollte, öffnete sich die hellbraune Tür, die sich gegenüber von meinem Bett befand und eine große Gestalt in einem schwarzen Pullover trat hinein. Im ersten Moment wusste ich nicht, wer da gerade mein Krankenzimmer betreten hatte und tippte instinktiv auf Noah, doch als ich genauer hinsah und realisierte, wer dort im Türrahmen stand, konnte mein Erstaunen nicht zurückhalten: »Was machst du denn hier?«, klang ich entrüsteter als beabsichtigt.

»Ich freue mich auch, dich zu sehen«, begrüßte er mich mit einem sarkastischen Unterton. Den neuen Kaffeebecher, den er bis gerade eben noch in der Hand gehalten hatte, stellte er auf den Nachttisch neben seinem Vorgänger ab und ließ sich selbst auf dem Stuhl nieder.

»Wie geht es dir?«, fragte er und sah mich ernst an. Kurzzeitig war ich von seiner bloßen Anwesenheit so überrascht, dass ich nicht antworten konnte und ihn einfach anstarrte. Als mir dann jedoch schmerzlich bewusst wurde, dass ich gerade Cole Banks ansah wie eine Verrückte, räusperte ich mich, wandte den Blick von ihm ab und straffte die Schultern.

»Ganz gut eigentlich«, sagte ich und ignorierte das Hämmern in meinem Kopf gekonnt. Wie ein Flipperautomat, nur ohne jegliche Gewinnchancen.

»Du musst vor mir nicht so tun, als wärst du stark und unverwundbar. Jedem würde es in deiner Lage beschissen gehen, also kannst du ruhig die Wahrheit sagen«, erwiderte er und nahm einen Schluck Kaffee aus dem Pappbecher.

Was war das? Zeigte Cole Banks etwa gerade Mitgefühl? Oder sogar Fürsorge? Den kalten, arroganten Ausdruck in seinen Augen suchte ich vergebens, denn stattdessen erkannte ich Wärme und aufrichtige Besorgnis in seinen Zügen.

RachegöttinTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon