Kapitel 5

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»Wie geht's?«, fragte er und kam lässig zu mir geschlendert. Er wirkte noch recht nüchtern, aber vielleicht hatte er auch durch die ganze Vorübung ein Talent dafür entwickelt, Nüchternheit vorzutäuschen.

»Wieso interessiert dich das?«, stellte ich als Gegenfrage und kniff misstrauisch die Augen zusammen. Wenn man es genau nahm, kannten Banks und ich uns nicht einmal wirklich. Um ehrlich zu sein, konnte ich mich kaum daran erinnern, jemals mehr als ein Wort mit ihm gewechselt zu haben; mit Ausnahme der letzten Tage, in denen ich das Gefühl gehabt hatte, dass Banks mich irgendwie verfolgte.

»Weil es eben mich eben interessiert«, erwiderte er schulterzuckend und entlocke mir dadurch ein genervtes Augenrollen. Vielleicht war meine offensichtliche Abneigung ihm gegenüber aber auch der Grund, warum jegliche Kontaktaufnahme zwischen uns sowieso nie Früchte getragen hätte und ich seine Gegenwart bis aufs Äußerste mied.

»Geht schon«, rang ich mich dann doch zu einer Antwort durch. Gerade als ich noch etwas anmerken wollte, was sicherlich einem schnippischen Kommentar sehr ähnlich gekommen wäre, wurde ich durch den zugegeben lustigen Auftritt von Banks' Kumpel unterbrochen.

»Bruder«, ertönte es über die laute Musik und ich drehte meinen Kopf zur Seite, um zu sehen, wer die Quelle dieser lauten Stimme war: Grey kam auf uns beide zu gestolpert und schwenkte dabei eine Flasche mit durchsichtigem Inhalt, als wäre es die Flagge unseres Heimatlandes. Wobei sein Gang kaum mehr als stolpern, sondern mehr als das Fallen von einem Fuß zum anderen betitelt werden konnte. »Hier.«

Enthusiastisch reichte er Banks die Flasche, die sich nun als Wodka identifizieren ließ, und lief torkelnd davon. Er bog nach rechts ab und nur wenige Sekunden später beobachtete ich, wie er eine Treppenstufe verfehlte und die restlichen wie ein Ball in den Garten hinunterrollte.

Mein Blick wanderte zurück zu Banks, der anders als ich nicht seinen gefallenen Freund beobachtete, sondern die Zeit meiner Unaufmerksamkeit dazu genutzt hatte, mich einmal intensiv von oben bis unten zu mustern. Scheinbar empfand er meine Kombination aus Jeans und Shirt nicht als zu wenig für eine Party, sondern eher als zu viel.

»Prost«, sagte Banks, nachdem er seinen Scan abgeschlossen hatte und hob die noch halbvolle Flasche in meine Richtung. Skeptisch zog ich eine Augenbraue nach oben und sah ihm dabei zu, wie er den klaren Inhalt der Flasche seinen Rachen hinunterlaufen ließ. Ich wollte nicht sagen, dass mich diese Fähigkeit beeindruckte, jedoch gehörte ein gewisses Maß an Talent und Schmerzunempfindlichkeit dazu, Schnaps in dieser Menge zu trinken, ohne dabei das Gesicht zu verziehen.

»Willst du nicht mal nach deinem Freund sehen?«, fragte ich, nachdem Banks die Flasche wieder heruntergenommen hatte und nun eine leichte Röte auf seinen Wangen auszumachen war.

»Das passiert öfter mal«, erwiderte er, winkte ab und ließ mich dadurch meine Augenbraue noch ein Stück höher ziehen. Wenn an Greys Stelle Lia dort einen Abgang hingelegt hätte, wäre ich vermutlich vollkommen ausgerastet. Nicht, dass sie so ein zierliches Mädchen war, das weinte, wenn es sich den Ellbogen stieß, trotzdem würde ich mir erhebliche Sorgen um sie machen.

In Gedanken an Lia bekam ich für einen Moment nicht mit, was um mich herum geschah und war deshalb dementsprechend verwundert als ich realisierte, was gerade in diesem Augenblick passierte - und ich musste mir heftig das Lachen verkneifen.

Manchmal meinte es das Schicksal wirklich gut mit mir und ich musste nichts dafür tun, dass das Karma von allein zuschlug. Just in dieser Sekunde übte das Karma von selbst Gerechtigkeit aus und schaffte es gleichzeitig, mich so heftig zu amüsieren wie schon lange nicht mehr.

Wie ein Tsunami schwappte die laute Partymenge nach draußen und ließ Banks den gesamten Inhalt der Wodkaflasche über seinem teuer aussehenden Hemd entleeren. Entsetzten machte sich auf seinem Gesicht breit, während ich hart gegen ein Grinsen ankämpfen musste. Die Waschmaschine würde die Flecken schon wieder herausbekommen, jedoch war die Situation für Banks, der definitiv nicht geplant hatte, so bald nach Hause zu gehen, nicht optimal.

RachegöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt