„Bist du verrückt?" Avery schlug mich erneut, wirkte jetzt eher sauer als traurig.
Man, es machte mich immer so an wenn sie wütend war...
„Nein, ich bin realistisch Honey.
Wenn ihr hier drin seid könnt ihr mir nicht helfen, wenn ich mir nicht mal selbst helfen konnte. Dann müsst ihr dafür sorgen, dass Unterstützung kommt.
Und auch wenn ich Alec so gut wie täglich mehrmals in die Fresse schlagen will, weiß ich, dass er dich in Sicherheit bringen kann, wenn ich es von ihm verlange. Hörst du?"
Ihr kleines Lächeln beruhigte mich grad mehr als alles andere.
"Versprich mir, dass du mit ihm gehst wenn was sein sollte. Nur wenn."
Sie sah zu ihm, der sie zustimmend ansah.
„Mal schauen."
Ich küsste ihre Stirn und drehte mich zu Alec.
„Ich glaube dir muss ich nicht mehr sagen oder?" er schüttelte den Kopf. Er verstand.

Dann öffnete sich die Zimmertür.
Was mir direkt auffiel war, dass kein Klicken zu hören war, sondern ein kleiner Signalton.
Ein etwa Ende dreißig jähriger Mann in Alec's Größe betrat den Raum.
Sein Haar war etwas länger, glatt und schwarz, außerdem streng zurück gekämmt.
Er wirkte auf dem ersten Blick wie ein Autor oder so, und auf jeden Fall Russisch, was sich laut seines Akzents dann auch bestätigen sollte.
„Guten Tag die Damen und Herren."
Jetzt sah er uns zum ersten Mal an, lächelte, stoppte kurz bei mir, zuckte mit den Mundwinkeln und sah dann weiter zu Avery.
Der kleine Blitz in seinen Augen verriet mir alles. Er wusste ganz genau wer ich war.
Das gute war, dass ich mir sicher sein konnte, dass er keine Ahnung hatte wer Alec war
„Der Regen hat sie aber gut erwischt was?" er machte einen Schritt auf uns zu, um Avery einen Stapel Klamotten zu reichen.
„Sie sollten sich vor der Behandlung besser umziehen." er mied meinen Blick. 
„Wollten sie hier jemanden besuchen?"
„Kann man so sagen." antwortete ich matt, woraufhin sich unsere Augen trafen, ineinander stachen.
„Also gut, ich komme in zwei Minuten wieder und fange dann mit den Untersuchungen an. Ich bin übrigens Doctor Andrey."
Dann verließ er den Raum wieder.
Sofort drehte ich mich zu den beiden, die laut ihres Gesichtsausdrucks keine Ahnung hatten was hier gerade vor sich gegangen ist.
„Er kennt mich."
„Dreck." war alles was Avery gerade einfiel, was es so ziemlich zusammenfasste.

~_~

Die Klamotten die man uns gab, bestanden aus Jogginghose und Pullover in grau, die ungefähr vier Nummern zu groß wirkten und in denen man sich so in etwa wie ein Insasse vorkam. Ich ließ meine nasse Jeans lieber an.
Avery sah jedoch süß aus. Sie versank wortwörtlich in diesem Pullover.
„Sagte er nicht zwei Minuten?"
Das tat er, und trotzdem war er nach genau 8 Minuten und 37 Sekunden immer noch nicht wieder da gewesen.
Alec erschien neben uns und schüttelte nur vorsichtig mit dem Kopf.
„Ich weiß du sagst wir sollen einfach mitspielen, aber wie weit wollen wir gehen?"
Ich zuckte bloß mit den Schultern.
„Wenn er dein Fieber messen will, lass ihn dein Fieber messen, und wenn er dir tatsächlich eine Beschneidung empfehlen sollte, dann lass ihn wortwörtlich zugreifen." Bevor auch nur einer von den beiden vor Lachen in Tränen ausbrechen konnte, betrat der russische Schriftsteller wieder den Raum.
„So, da bin ich wieder.
Am besten setzt sich jeder von Ihnen auf eine Liege und ich schaue mir jeden einmal schnell an."
Alec verschwand hinter dem ersten Vorhang, ich jedoch setzte mich direkt neben Avery.
„Wir bleiben zusammen. Sie hat etwas Angst vor Ärzten." scherzte ich.
Die Stimmung war stickig.
„Also schön. Bei wem soll ich beginnen?"
Sofort hob ich meine Hand.
Er zögerte kurz, nahm dann sein Thermometer, steckte es in seine linke Brusttasche und hielt sich ein Blutdruckmessgerät in der gleichen Hand bereit.
„Könnten sie vielleicht ihr Oberteil ausziehen? Ich würde gerne ihren Blutdruck messen und ihr Herz abhören."
Ich verdrehte die Augen, weil ich den Pulli ja eben erst angezogen hatte, trotzdem spielte ich weiterhin brav mit, ließ mein Herz abhören und meinen Blutdruck messen.

Only Us, HoneyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt