Kapitel 18

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Kapitel 18 - Mut

Narie wacht mit einem schrecklichen Gefühl in ihrer Seite auf und stöhnt leise, als sie sich dreht. Sie riecht eine seltsame Kräutermischung, die ihr seltsam vertraut vorkommt.

Narie spürt einen leichten, aber stetigen Druck auf ihrer Hand und öffnet die Augen zögerlich. Das Licht blendet sie, doch sie kneift die Augen nicht zusammen, sondern sieht auf die Person, die vor ihr sitzt und ihre Hand hält, während sie schläft.

„Blight.", krächzt Narie und versucht den Sieger auf sich aufmerksam zu machen. Ihre Stimme klingt schrecklich und sie fragt sich innerlich weshalb.

Blight scheint durch ihr Krächzen wach geworden zu sein und hebt den Kopf leicht an, wahrscheinlich um nachzusehen, ob sie auch wirklich wach ist, oder er sich das eben eingebildet hatte. Als er sieht, dass Narie ihn aus schwachen Augen ansieht, setzt er sich langsam aufrecht hin.

»Hey, Kleine... wie geht es dir?«, fragt er besorgt und Narie sieht ihn einen Augenblick stumm an. Sie hatte bemerkt, dass Blight und sie in letzter Zeit immer eine seltsame Distanz und Spannungen zwischen sich hatten und erinnert sich an die vielen Male, die sie sich in letzter Zeit gestritten hatten. So oft, wie in den letzten paar Wochen, hatten sie sich nicht gestritten, seit sie befreundet waren. Doch jetzt, als sie Blight ansieht, spürt sie nichts mehr von dieser Distanz und sie sieht wieder den Blight vor sich, der er noch vor wenigen Wochen war.

»Ging mir schon schlechter.«, gibt Narie schwach zurück und Blight drückt ihre Hand sanft.

»Du warst echt mutig, dich den Friedenswächtern zu stellen.«, lächelt er sie an und Narie schmunzelt.

»Hätte ich es nicht getan, dann würde ich jetzt nicht hier liegen, sondern meine Eltern oder Rosie. Es war das mindeste, was ich tun konnte.«, antwortet Narie und bekommt langsam ihre Stimme wieder. Blight erwacht endlich aus seiner Starre und realisiert, was ihr fehlt. Schnell eilt er mit einem Glas Wasser heran und gibt es ihr.

»Danke.«, bedankt sie sich und nimmt einen tiefen Schluck aus dem Glas, dann stellt sie es wieder ab.

»Narie, hör mal... ich weiß, dass ich in letzter Zeit wirklich nicht ganz fair zu dir war... das tut mir schrecklich leid. Als ich vorhin gesehen habe, wie der Friedenswächter dich geschlagen hat, habe ich realisiert, dass ich unter normalen Umständen an deiner Seite gewesen wäre, um dich zu beschützen.«, spricht Blight plötzlich und Narie richtet sich auf, damit sie ihn besser ansehen kann.

»Blight, ich weiß, dass du momentan mehr Zeit mit Johanna verbringen möchtest und das verstehe ich. Es ist momentan einfach eine schwierige Situation für uns alle und du musst dich für nichts entschuldigen. Wirklich nicht.«, gibt sie zurück und Blight steht auf, dann fällt er ihr in die Arme. Er achtet penibel darauf, ihre Seite nicht zu berühren, da er sich denken kann, dass sie Schmerzen empfinden muss. Narie beginnt wie irre zu lächeln, als sie realisiert, was das alles hier zu bedeuten hat: Sie hat ihren beste Freund wieder zurück und muss das alles nicht mehr alleine durchstehen.

*

Rosie verlässt mit gesenktem Kopf das Schulgebäude und versucht die anderen Kinder zu ignorieren, die sich einen Weg an ihr vorbei bahnen und sie dabei fies ansehen. Sie sieht auf ihre Schuhspitzen und bewundert ihre neuen Schuhe erneut, die Narie ihr gekauft hatte. Ihr Vater hätte sich diese Schuhe niemals leisten können und wäre Narie beinahe in die Arme gefallen, als sie Rosie dieses Geschenk gemacht hat.

Rosie wird aus ihren Gedanken gerissen, als sie geschubst wird und beinahe das Gleichgewicht verliert. Sofort sieht sie auf und muss den panischen Blick in ihren Augen verbergen.

»Na, bist du schon nicht mehr so stark, ohne deine Narie?«, fragt ein Mädchen mit feuerroten Haaren Rosie fies. Rosie sieht eingeschüchtert weg und das Mädchen beginnt zu lachen.

»Schicke Schühchen hast du da... die sehen teuer aus. Seit wann kann dein niederer Vater sich so etwas leisten?«, fragt sie dann und Rosies Blick wird beinahe schon wütend. Sie sieht über die Schulter des Mädchens und entdeckt Narie in der Ferne, die scheinbar kommt, um Rosie von der Schule abzuholen. Rosie überlegt einen Moment, ob sie einfach warten soll, bis Narie bei den beiden angekommen ist, doch entscheidet sich schlussendlich dagegen. Sie hat die Nase voll davon, dass Narie immer wieder zu ihrer Rettung kommen muss und die Mädchen weiterhin gemein zu ihr sind, sobald Narie nicht in der Nähe ist. Rosie nimmt all ihren Mut zusammen und sieht das Mädchen vor sich böse an.

»Sag nie wieder etwas gegen meinen Vater!«, meint sie laut und bestimmt und sieht, dass Narie erstaunt in der Bewegung innehält. Wahrscheinlich ist auch sie überrascht von Rosies Ausbruch. Denn so laut hatte noch nie jemand Rosie reden hören.

»Ich kann damit leben, dass du mir immer wieder das Leben zur Hölle machen willst, aber zieh meinen Vater da nicht mit rein. Und vor allem nicht, weil du neidisch bist!«, warnt Rosie. Schallend, aber mit einem nervösen Unterton beginnt das Mädchen zu lachen.

»Wieso sollte ich neidisch auf dich sein?«

»Weil du von deinen Eltern nicht geliebt wirst. Das war es doch schon immer, oder? Du konntest es noch nie ertragen, dass mein Vater immer für mich da ist und deine Eltern sich einen Dreck um dich scheren. Du kannst es nicht ab, dass andere glücklich sind und du es nicht bist!«, Rosie spürt, dass sich ihre Atemfrequenz erhöht und sie wütend wird. Wütender als eben.

»Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden?!«, kreischt das Mädchen unsicher los und lacht danach zögerlich auf.

»Ich rede nur so mit dir, wie du es mit anderen machst. Du kannst die Menschen in deiner Umgebung nicht wie Dreck behandeln und erwarten, dass sie dich behandeln, wie etwas besseres. Denn wach auf: Du bist kein Stück besser, als irgendeiner von uns. Deine Eltern haben die gleichen Jobs, wie unsere Eltern auch. Du wohnst in der gleichen Bruchbude, wie alle von uns. Du hast genau so wenig Geld wie wir. Dafür haben wir aber etwas, das du niemals haben wirst: Liebe. Unsere Eltern lieben uns. Unsere Freunde lieben uns. Wir sind glücklich. Und wenn du dich weiter so verhältst, als wärst du etwas besseres, dann wirst du niemals Liebe erfahren. Dann wirst du sehen, wie es ist alleine zu sein und niemanden mehr zu haben, der zu dir steht.« Mit diesen Worten lässt Rosie das Mädchen mitten auf dem Schulhof stehen und geht auf Narie zu. Die bewundernden Blicke, die Rosie hinterher sehen, und sich wünschen, dass sie selbst auch den Mut gehabt hätten, dem Mädchen die Stirn zu bieten, bekommt sie gar nicht mehr mit, denn sie erzählt Narie stolz, dass die Lehrerin sie heute im Kunstunterricht gelobt hat.



So, das war erst Mal das letzte Kapitel für heute. Habt ihr schon eine Idee, wer am Ende der Reihe mit Narie zusammenkommen wird? Denkt ihr, dass wir den Charakter schon kennen? Oder ist es am Ende jemand, den wir gar nicht erwarten? 

Oder bin ich fies und lasse jemanden sterben, der als Naries potentieller Partner in Frage käme? :D 

Rebel || Hunger GamesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt