Kapitel 14

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Kapitel 14 – Familienehre

Distrikt 1

»Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich mal so wenig freue, dass ich zu Hause bin.«, stellt Marvel fest, als er mit Narie auf dem Weg zu sich nach Hause ist. Seine Eltern wollten Narie unbedingt kennenlernen, obwohl Marvel weiß, dass das in einer riesigen Katastrophe enden wird. Schließlich kennt er seine eigenen Eltern.

»Na ja, nach den Spielen hat sich so einiges geändert für dich.«, stellt sie nur fest und ignoriert die Blicke der Leute, als sie das Dorf der Sieger betreten.

»Alleine bei den Blicken der Leute, könnte ich schon kotzen.«, grummelt er und Narie muss sich ein Lachen verkneifen.

»So, da wäre wir. Willkommen in der Hölle.«, sagt Marvel und hält Narie die Tür auf. In den letzten paar Wochen war dieses Haus für ihn persönlich wirklich eine einzige Hölle geworden.

»Danke.«, murmelt sie und sieht sich im Flur um, als zwei Gestalten auf sie zukommen. Ganz klar Marvels Eltern.

»Guten Tag Mr. und Mrs. Sanford.«, begrüßt Narie die beiden, erntet aber nur einen abfälligen Blick und verdreht innerlich das erste Mal die Augen, obwohl sie weiß, dass sie ihre Augen heute noch häufiger verdrehen wird.

»Marvel, deine Rede war aber auch nicht die beste. Du hättest ruhig mal etwas mehr Dankbarkeit zeigen können.«, meint seine Mutter und Marvel wendet den Blick von ihr ab.

»Das hatten wir doch schon alles, Mutter.«, murmelt er kleinlaut und Narie sieht ihn überrascht an. So hatte sie Marvel noch nie erlebt.

»Bei dir habe ich auch nicht so viel Dankbarkeit gesehen, Narie.«, stellt sein Vater dann fest und Narie beschließt, dass sie mit offenen Karten spielt. Seine Eltern sind ihr jetzt schon so unsympathisch, sie verdienen es nicht, dass sie ihnen gegenüber freundlich bleibt.

»Nun ja, wo keine Dankbarkeit ist, kann man auch keine Dankbarkeit zeigen.«, sagt sie und sieht provokant zu den beiden, die mit der Antwort offensichtlich nicht zufrieden sind.

»Aber das Kapitol ist doch so gut zu uns.«, sagt die Mutter erstaunt und Narie lacht spöttisch.

»Zu ihnen in Distrikt 1 vielleicht. Die anderen Distrikte haben kaum genug zum Überleben. Wir sind dem Kapitol egal.«

»Kann man es dem Kapitol denn auch verübeln? Seht euch doch an. Die Hungerspiele zeigen dem Kapitol, wer es verdient gefördert zu werden. Die Spiele trennen die starken, von den schwachen Distrikten. Wann hatte Distrikt 7 zuletzt einen Gewinner?«, fragt Mr. Sanford und Narie fragt sich augenblicklich, wie man so dumm sein kann. Ist es wirklich schon so weit mit der Manipulation des Kapitols?

»Distrikt 7 hat genug Gewinner und ist wahrscheinlich sogar noch besser, als ihr Distrikt.«, sagt Narie kalt und sieht kurz zu Marvel.

»Ach ja? Was bringt ihr euren Kindern denn bei? Wie man Bäume fällt?«, spöttisch sieht Marvels Vater sie an und Narie spürt förmlich den Hass, der von ihm ausgeht.

»Na ja, wissen sie was? Bei uns in 7 bekommt man Kinder, weil man sie liebt. Und nicht, damit man brutale Killermaschinen aufziehen kann, die die Ehre der Familie retten sollen, weil man es selber nicht geschafft hat!«, meint Narie laut und ehe sie auch nur den Hauch einer Chance hat, sich zu wehren, hat Marvels Vater ihr eine Backpfeife gegeben. Während Marvel und seine Mutter noch geschockt auf das ganze sehen, reagiert Narie schon. Sie tritt dem Mann in die Kniekehlen, verdreht seinen Arm auf den Rücken und drückt ihn so zu Boden. Dann beugt sie sich zu ihm herunter.

»Ich hoffe für sie, dass das das letzte Mal war, dass sie mich, Marvel, oder ihre Frau geschlagen haben. Ansonsten werde ich sicherlich zurück kommen und ihnen dabei helfen.«, zischt sie ihm dann noch ins Ohr und merkt, dass er sich anspannt.

»Marvel, hast du ihr etwa erzählt, dass ich-«, beginnt er, doch Narie unterbricht ihn sofort.

»Marvel hat mir gar nichts über sie erzählt. Aber es ist offensichtlich, dass sie ihre Frau und ihren Sohn unterdrücken und ihnen keine Liebe schenken.«, sagt sie und als er beginnt sich zu wehren, verdreht sie den Arm noch ein Stückchen weiter.

»Und falls es ihnen nicht aufgefallen sein sollte: Ihr Sohn ist dabei fast draufgegangen. Bei dem Versuch sie stolz zu machen.«, sagt sie dann noch und wirft einen kurzen Seitenblick zu Marvel und seiner Mutter, die aber offensichtlich keine Probleme damit haben, dass der Mann dort so am Boden kniet. Narie meint sogar Dankbarkeit bei beiden erkennen zu können.

»Ich wünschte er wäre dabei drauf gegangen.«, spuckt der Mann wütend aus und Narie und Marvel sehen sich beide geschockt an. Kurz überlegt sie, doch Marvel rennt einfach aus dem Haus, seine Mutter folgt ihm schnell. Narie sieht noch kurz zu dem Mann, der vor ihr kniet, schubst ihn dann allerdings in Richtung des Tisches, in der Hoffnung, dass er sich den Kopf anschlägt, und folgt den beiden dann nach draußen.

»Es tut mir so leid, mein Schatz.«, weint seine Mutter und nimmt Marvel in den Arm.

»Narie, woher wusstest du das alles?«, fragt sie dann erstaunt.

»mein erster Freund hatte genau das gleiche durchmachen müssen. Ich bin mir sicher, dass er ihnen nichts antun wird.«, sagt Narie nur und vergräbt die Hände in den Jackentaschen.

»Danke, Narie. Du hast das getan, was wir schon lange hätten tun sollen, uns aber nie getraut haben.«, stößt seine Mutter dann noch hervor und Narie winkt nur ab.

»Ist schon in Ordnung.«

»Wenn etwas sein sollte, während ich nicht da bin, dann gehst du zu einer deiner Freundinnen, okay?«, sagt Marvel dann noch und seine Mutter nickt.

»Werde ich. Versprochen. Viel Spaß noch auf der Tour.«

»Dankesehr. Auf Wiedersehen.«, antwortet Narie und schüttelt der Frau die hand.

»Bis dann, Mum.«

»Bis dann, Marvel. Ich hab dich lieb.«

Rebel || Hunger GamesWhere stories live. Discover now