Zehn

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- Hanna -

Nervös trommeln die Fingern meiner rechten Hand auf der schmalen Theke herum, während ich den Kopf auf der Linken abstütze und meinen Blick durch den Raum schweifen lasse.

Nur wenige Gäste sitzen noch im Café, verteilt auf ein paar kleinen Grüppchen, schlürfen an ihrem Kaffee oder essen eines unserer berühmten Croissants.

Zu meiner linken tickt, mit leisem Klacken, die Wanduhr, die so groß ist, dass sie gut Dreiviertel der Raumhöhe einnimmt. In genau zehn Minuten würde sie fünf Uhr schlagen und Maike mich ablösen kommen.

Den Ablauf des bevorstehenden Abends hatten wir bis ins kleinste Detail geplant. V würde mich um Punkt halb sieben durch eine Seitentür in die Küche schmuggeln und mich vor den Kollegen als Aushilfe ausgeben. Ihr zweites Set Arbeitskleidung, welches, für den Fall das mal etwas dreckig wurde, immer bei ihr zuhause lag, hatte Tim während meiner Schicht im Café bei ihr abgeholt und es in mein Zimmer gelegt. Die Klamotten musste ich nun nur noch anziehen und hoffen das sie einigermaßen passen. Im Anschluss würde ich dann mit der Bahn bis zu dem großen Veranstaltungssaal auf der anderen Seite der Stadt fahren.

Allerdings gibt es an der ganzen Sache einen Haken, der mich bisher hatte einige Stunden Grübeln lassen und noch immer keine Lösung bietet. Ich würde die Küche während des gesamten Abends nicht verlassen dürfen, weil V's Chefin sich im Saal um alles kümmern würde und mich sonst sehen könnte. Im Gegensatz zu ihren Mitarbeitern, würde sie bei meinem Anblick natürlich Verdacht schöpfen und genau wissen, dass ich keine Aushilfe bin.

Tick. Tack. Tick. Tack.

Noch acht Minuten. Das Warten bringt mich noch um den Verstand. Seit über einer Stunde starre ich beinahe minütlich auf die Uhr, während ich die wenigen Gäste, die heute gekommen sind, bediene. Es sind zu wenige, um dauerhaft beschäftigt zu sein und zu viele, um das Café einfach zu schließen. Wobei letzteres vermutlich auch nicht besser für meine Nervosität gewesen wäre, denn dann hätte ich zuhause vor lauter Aufregung bestimmt eine Spur in meinen flauschigen Teppich hineingelaufen.

"Hallo", sagt eine glockenhelle Frauenstimme, woraufhin ich mich sofort aufrichte, in der Hoffnung, dass Maike früher zu ihrer Schicht kommt. Doch leider handelt es sich bei der Stimme um die, einer mir unbekannten jungen Frau. "Du bist doch die Stalkerin, oder?" Ihre direkte Frage bringt mich aus dem Konzept und lässt mich perplex blinzeln. "Ja, du bist es. Arbeitest du jetzt in diesem Café, weil Harry Styles gestern hier war? Glaubst du wirklich, dass er vor hat noch einmal hier aufzukreuzen?"

Er war nur wegen mir hier, du Dummchen. Natürlich denke ich das nur, aber eigentlich hätte ich das wahnsinnig gern laut ausgesprochen. Doch anstatt mich auf ihr Niveau hinunter zu begeben, schenke ich ihr ein übertrieben freundliches Lächeln. "Darf es etwas sein? Ein Kaffee vielleicht?"

"Nein Danke", antwortet sie schnippisch und zückt ihr Handy. "Wie schaffst du es immer ihm aufzulauern?", fügt sie hinzu und mustert mich wieder fragend. "Hast du ihm einen Tracker implantiert? Oder bist du Mitglied irgendeiner kranken Verfolger Gruppe?"

Mein Mund klappt unkontrolliert auf und zu, während ich mir wieder einmal die Frage stelle, aus welchem Grund ich das verdient habe. Sie hält ihr Handy direkt vor mein Gesicht und erst, als sie es wieder senkt, wird mir klar, dass sie mich gerade fotografiert hat. "Wa-... was...?", stammle ich, bevor ich meine Fassung wieder finde. "Geht's noch?"

"Das ist für meinen Blog", antwortet sie, als wäre das die Erklärung für ihr gesamtes Verhalten und verdreht dabei die Augen. "Meine Follower möchten Fotos zu meinen Beiträgen sehen, sonst lesen sie sie nicht." Mit den rot lackierten Fingernägeln fährt sie sich durch das wasserstoffblonde Haar und kaut mit offenem Mund auf ihrem Kaugummi herum. Ich hasse diese Art von Menschen, die alle umstehenden mit ihrem geknatsche belästigen müssen.

Ja, Mr. StylesOù les histoires vivent. Découvrez maintenant