Heilender Schmerz

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|•JORDAN•|

Beim Frühstück kommen einige meiner Erinnerungen an gestern zurück und ich könnte mich selbst schlagen.
Ich wollte Sex mit Caleb und er hat mich abblitzen lassen.
Oh Gott wie peinlich! Das darf ich mit jetzt bestimmt mein Leben lang anhören.

Toll, gut gemacht, Jordan.

Jetzt kann ich mir aber wenigstens sicher sein, dass er nicht mal Sex mit mir will, also sollte ich mich wieder auf andere konzentrieren.

Leute wie Chanti, die mich anspringt, als Sam und ich Richtung Schulgebäude laufen, weil wir gerade Sport hatten.
„Jordan!“, schreit sie schon von weitem.
Diese Stimme geht mir so auf die Nerven, aber ich kann mich gut mit ihr ablenken, weil Chanti sehr anstrengend ist und genau das brauche ich.
Ablenkung!
Deshalb gehe ich nach der Schule zu ihr und versuche, es mit ihr zu treiben, aber irgendwie habe ich ein kleines Problem.
„Du findest mich zu fett!“, jammert sie plötzlich los, was mir auch nicht gerade hilft.
Ich versuche sie zu trösten und entschuldige mich, versichere ihr, dass es nicht an ihr liegt und verschwinde dann schnellst möglich, um mir weitere Peinlichkeiten zu ersparen.

Ab zu Denise.
„Wie jetzt? Erektionsprobleme?“, fragt sie belustigt, nachdem ich ihr alles von gestern Abend bis jetzt erzählt habe.
„Gestern bei Caleb hat aber alles noch funktioniert?“, fragt sie nach, ich nicke, vermeide den Blickkontakt.

Ich fasse es nicht, dass er mich abgewiesen hat.
Wieso wollte er keinen Sex mit mir? Mir wäre mittlerweile alles recht, solange ich ihm nur irgendwie nahe sein kann und Riley von ihm fern bleibt.

„Hast du Caleb denn endlich gesagt, was du fühlst?“, seufzt Denise, ich schüttele den Kopf. „Ich will das gar nicht und ich will es auch nicht fühlen. Du siehst doch, dass diese behinderten Gefühle mir nichts bringen als Schmerz. Es soll einfach weggehen“
„Tut es so weh?“, fragt Denise mitfühlend und kuschelt sich an mich.
Ich stimme mit einem Brummen zu und versuche wie so oft die letzte Zeit nicht in Tränen auszubrechen wie ein Mädchen.

„Vielleicht solltest du dich auf etwas konzentrierten, das mehr weh tut als das mit Caleb. Vielleicht wird es dann erträglicher, wenn du weißt, dass es schlimmer geht. Andererseits könntest du auch einfach mit ihm reden und ihm klarmachen, dass du ihn liebst. Das ist mittlerweile kein einfaches verliebt sein mehr, Jordan. Und Caleb hat ein Recht darauf es zu erfahren“

Ich bin für die erste Variante und versinke sofort in Gedanken um Möglichkeiten.

Was tut mehr weh als Caleb?
Es gibt nur eine Sache, bei der ich je mehr gelitten habe und zwar nach Mums Tod.
Und ich weiß auch schon, was ich tun muss, um diesen Schmerz wieder auszulösen. Es ist schon krank, dass ich das mit Absicht fühlen will, aber ich weiß, dass es heilend sein wird.

Ich verabschiede mich nach ein paar Minuten von Denise und gehe zurück nachhause.
Ohne Umwege stiege ich die Treppen hoch, aber nicht zum ersten Stock, auch nicht zum zweiten, sondern in den Dachboden.

Hier gibt es vier Türen. Eines war das Arbeitszimmer meiner Mutter, eines das Mediationszimmer, eines das Atelier und eines eine Abstellkammer für ihre Gemälde.
Mein Dad hat jede Tür zugeschlossen und die Schlüssel verschwinden lassen, aber mit genügend Geduld und einer Menge Youtube Videos schaffe ich es, die Türen zu öffnen und sehne meinem Schmerz entgegen.

Ich gehe in den staubigen Raum.
Seit 6 Jahren ist hier alles unberührt, eine dicke Staubschicht liegt über allem.
Die untergehende Sonne taucht die ganze Atmosphäre in ein magisches Licht, was mich automatisch zum Lächeln bringt.

Hier fühle ich mich meiner Mutter so nahe, als stünde sie direkt vor mir.

Ich bin plötzlich unbeschreiblich glücklich, doch um ein vielfaches trauriger.
Ich vermisse Mum.
Ich vermisse ihre Stimme, wenn sie mir zum Einschlafen etwas vorsingt, vermisse ihre Hand, die mir beruhigend durch die Haare streicht, vermisse ihre Umarmungen, die mir immer Trost und Liebe vermittelt haben.
Ich vermisse sie.
Doch in jedem Bild von ihr, steckt ein Teil ihrer Seele, weil sie jedes Werk mit solch einer Leidenschaft gemalt hat, dass sie manchmal komplett in einer anderen Welt versunken ist.

Kurzerhand schnappe ich mir eines der Gemälde, bewundere es, dann noch eines und noch eines.
Immer wieder erinnere ich mich an Situationen mit meiner Mum, an ihr Lächeln, an den Klang ihrer Stimme.
Doch dann halte ich ein bestimmtes Bild in den Händen und alles ändert sich.

(Keine) Liebe auf den ersten Blick  (BxB)Where stories live. Discover now