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                        Ohne auf meine Antwort zu warten, verschwand er in sein Haus - jedoch ließ er die Tür offen. Meinen Mut sammelte ich und lief ihm hinterher. So Vieles in mir war einfach kurz davor umzudrehen und die Sache so zu belassen, doch ein anderer Teil - ein so viel großer Teil - pushte mich. 

 "Ich möchte mit dir reden", meinte ich schließlich und schloss die Tür hinter mir. Ethan ließ seine Tasche auf den Boden fallen und schnappte sich sein T-Shirt. Schnell zog er sich dieses über Kopf und sah mich mit einer gerunzelten Stirn an. 

"Dafür bist du sechs Stunden gefahren?", fragte er etwas verwirrt.  "Du bist umsonst nach Old Greenwich gekommen. Alles wurde gesagt", zeigte er mir das erste Mal in all diesen Jahren die kalte Schulter. Eine Seite, die ich so nicht kannte. Sonst war Ethan Lewis mir gegenüber immer offen und zuvorkommend. 

Wie ein kleines Mädchen stand ich verloren vor ihm. Erneut war ich kurz davor mich vom Staub zu machen und nie wieder umzudrehen. Doch die Gefühle in mir waren einfach viel zu groß. Die Liebe in mir, war viel zu groß.  "Bitte hör mir einfach nur zu", flehte ich ihn an und sah ihn mit großen Augen an. 

"Verstehst du es nicht Katelyn? Ich ignoriere deine Nachrichten und Anrufe nicht ohne Grund. Ich habe genug von dem hier", zeigte er zwischen uns hin und her. Seine Stimme klang sehr verletzt.  "Ich habe keine Lust mehr auf was auch immer zwischen uns ist - denn es macht mich verrückt Kat! Diese Sache zwischen uns ist nicht gesund für uns Beide", schüttelte er seinen Kopf und sah mich für wenige Sekunden mit diesen eisblauen Augen an. Die Seite, die wütend auf mich und auf die ganze Situation war, verschwand in diesem Moment. Vor mir stand ein zu tiefst verletzter Ethan Lewis.  Seine Augen sahen zwischen meinen hin und her während sich seine Stirn glättete. Er schüttelte den Kopf und meinte: "Du hättest nicht hierherkommen sollen, denn es gibt Nichts mehr zu sagen Katelyn." 

In der nächsten Sekunde hatte ich ein Déjà-vu - diesen Moment erlebte ich schon einmal mit Ethan. Erneut stand ich stillschweigend vor ihm, während er über seine Gefühle sprach. Doch heute wollte ich ihm von meinen Gefühlen erzählen. Wieso hörte er mir nicht zu? 

Ethan Lewis sah mir ein weiteres Mal tief in die Augen, danach drehte er sich um und sagte: "Ich möchte, dass du gehst Katelyn." 

Tränen bildeten sich in meinen Augen. Meine Hände ballte ich zu Fäusten und biss mir auf die Zunge. Ich sammelte meinen ganzen Mut zusammen. "Nein", antwortete ich schließlich klar und deutlich. Ethan stoppte. "Ich gehe nicht bevor du dir meine Worte anhörst", blinzelte ich meine Tränen weg. 

Für ihn verließ ich meine Komfortzone, ich fuhr sechs Stunden in eine mir fremde Stadt um ihm meine Liebe zu offenbaren. Eines war mir bewusst: ich werde Old Greenwich nicht verlassen bevor ich ihm meine Liebe gestand. 

Ethan drehte sich um. "Gib mir fünf Minuten Ethan, wenn du danach noch immer derselben Meinung bist, dann gehe ich und komme nie wieder. Ich werde dich nie wieder anrufen oder dir schreiben", flossen einzelne Tränen über meine Wangen. "Aber bitte gib mir diese fünf Minuten", flehte ich ihn an. 

Einige Sekunden starrten wir uns an. In Ethans Augen sah ich einen Kampf, den er mit sich selber  kämpfte. Er wollte in diesem Moment einfach zu mir kommen und mich umarmen. Doch er blieb stehen. "Okay", meinte er mit einer heiseren Stimme und nickte. 

Ich schluckte stark und atmete danach tief aus. Wie erkläre ich ihm Gefühle, die ich selber nicht wirklich verstand? "Du meinst, dass Alles bereits gesagt wurde, dabei habe ich dir nicht gesagt wie ich über dich fühle Ethan. Vielleicht ist es jetzt schon viel zu spät und ich hätte es dir viel früher sagen sollen, doch ich möchte das zwischen uns nicht abschließen, bevor du weißt wie ich über dich fühle." Seine Mimik veränderte sich für eine Binnensekunde. Für kurze Momente wurden seine Gesichtszüge wieder weich und zeigte für wenige Sekunden die Seite, die ich eigentlich an ihm kannte. Doch irgendetwas in ihm zog ihn zurück in die Realität, worauf er mich mit diesem eiskaltem Blick ansah. Ich ließ mich nicht irritieren. "Ich bin auf dieser Insel, in dieser kleinen Blase, aufgewachsen und kannte nur dieses eine Leben. Seit je wurde Alles über meinen Kopf bestimmt und ich dachte, es sei okay. Ich kannte Nichts anderes. Mein Leben lang hatten meine Eltern diesen einen Plan für mich und ich stellte meine eigenen Pläne in den Hintergrund. An einem Punkt waren sie so weit hinten, dass ich sie selber nicht mehr kannte. Als du jedoch nach acht Jahren wieder in mein Leben kamst, fing an die Oberfläche dieser Blase dünner und dünner zu werden. Immer, wenn ich dich sah, wenn du über dein Studium sprachst, erinnerte ich mich an meine eigenen Träume und Ziele. Ich war so glücklich für dich, dass du deinen nachgehen durftest. Wir kommen aus zwei verschiedenen Welten Ethan", sah ich ihn mit einer gerunzelten Stirn an und legte meinen Kopf schief, "Und deswegen verstehst du wahrscheinlich auch nicht den Grund für mein Pflichtgefühl gegenüber meinen Eltern und wieso ich Dinge anders angehe oder", schluckte ich stark und atmete tief aus. "ich meinen Mund halte, wenn es um meine Gefühle geht. Du fragst dich bestimmt wieso", lachte ich traurig und strich nun Strähnen hinter mein Ohr, Ethan folgte jeder meiner Bewegung. "Ich durfte Gefühle nie zulassen - ich durfte sie nie zeigen. Meine Eltern hätten es niemals so weit geschafft, hätte ich ihnen von meiner Einsamkeit erzählt. Ich war so ein einsames Kind Ethan und ich habe es nie ausgesprochen. Vielleicht war es mein Fehler und vielleicht ist auch das der Grund, wieso mir unsere Freundschaft damals so viel bedeutete. Als du acht Jahre später zurückkamst, war ich so verletzt und einsamer denn je. Ich dachte du würdest dich nicht an mich erinnern - ich machte mir Vorwürfe, weil ich dachte ich wäre für dich ebenfalls eine besondere Freundin gewesen. Damals als ich dich das erste Mal sah, erkanntest du mich nicht. Doch ich ... Oh Gott Ethan ich würde diese Augen immer und immer wieder erkennen", wischte ich meine einzelnen Tränen weg. "Nach acht Jahren, nach zehn Jahren, in einem gefüllten Raum oder von etlichen Metern Entfernung. Ich würde deine Augen immer und immer wieder erkennen. Denn in diese eisblauen Augen verliebte ich mich damals mit siebzehn", sah ich ihm nun tief in die Augen. 

Ethans eiskalte Miene verschwand, worauf er dann tief nach Luft schnappte. 

"Ich habe echt lange überlegt und ich wusste es damals auch nicht, doch der erste Sommer nach dem Tod meiner Mutter, war die Zeit, an der ich es zum ersten Mal spürte. In deiner Gegenwart fühlte ich mich am wohlsten und auch nur in deiner Gegenwart fühlte ich mich nicht einsam, Ethan. Du hattest die Macht über meine Gefühle. Vor dir lachte ich, wie mit keinem Anderem. Neben dir vergaß ich, dass ich eigentlich in diesem tiefem Loch bin. Und vor dir habe ich das erste Mal geweint. Ich ließ meine Mauern in deiner Gegenwart fallen - Mauern, die ich Monate, Jahre zuvor aufbaute."

"Seit jenem Sommer war dieses Gefühl in mir. Von Jahr zu Jahr wurde es immer stärker und stärker. Ich habe dich damals geliebt als du mit Ava zusammen warst, ich habe dich geliebt als ich mit John eine Beziehung führte - ich habe dich immer geliebt Ethan Lewis", biss ich mir auf meine Unterlippen während Tränen über meine Wangen flossen. So offen war ich noch nie über meine Gefühle. In diesem Moment war ich so enorm verletzbar, weil ich jegliche Mauern fallen ließ. Doch irgendetwas in mir redete sich ein, dass es wert ist. Dass ich fallen muss, um wieder aufzustehen. 

"Dieses Hin und Her hat nicht nur dich seelisch belastet, sondern auch mich. Und ich wünschte wir hätte uns all das ersparen können. Ich wünschte ich hätte dir nie so das Herz gebrochen - ich wünschte ich hätte dich nie Dinge in Frage stellen lassen und ich wünschte ich hätte nie den Schmerz in dir verursacht. Es tut mir unendlich leid Ethan, es tut mir von ganzem Herzen leid", brach meine Stimme. Ich atmete tief durch und wischte sofort meine Tränen weg. "Ich bin planlos und naiv, weil ich solch Gefühle noch nie verspürte und ich weiß, dass ist keine Entschuldigung für mein Verhalten, aber diese Liebe macht nicht nur dich verrückt Ethan, sondern auch mich."

Erneut atmete ich tief aus und warf meinen Kopf in den Nacken. Für einige Sekunden sammelte ich meine ganzen Emotionen und versuchte mich zu beruhigen. Meine Augen suchte danach wieder seine eisblauen Augen, ich lächelte ihn schwach an und zuckte mit meinen Schultern. "Wenn du noch immer möchtest, dass ich gehe, dann ist es okay. Ich wollte nur, dass du Eines weißt und, dass ich es dir persönlich sage. Und zwar-" In diesem Moment bildete sich ein riesengroßer Kloß in meinem Hals. Meine Handflächen drückte ich ineinander und sammelte für den nächsten Satz all meinen Mut zusammen. "Ich liebe dich Ethan Lewis. Ich habe es vor sechs Jahren getan, ich liebte dich vor vier Jahren, ich liebe dich heute und werde es wahrscheinlich auch für immer tun." 

Der Sommer gehört unsWhere stories live. Discover now