7.1 Must Go With Me

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"Seoji, vergisss es." machte ich meiner kleinen Schwester klar und schüttelte mit dem Kopf.
"Jin bitte. Das ist die perfekte Gelegenheit euch wieder zu sehen." Seoji fuchtelte mit ihrem Handy und die Nachricht die darauf angezeigt wurde, vor meinen Augen herum und sah mich aus Hundeaugen an.
"Du hast gesagt, dass du es wieder mit Namjoon versuchst, also wirst du auch mit ihm zu seinen Eltern fahren." zeterte sie wie ein kleines Kind herum und trampelte durch die Küche, als sie ihr Handy von mir weg gezogen hatte.
Ich rollte mit den Augen.
"Willst du echt riskieren, dass noch mehr über dich im Internet zu sehen ist, wenn wir mit Namjoon unterwegs sind?"
Zwar lag das, was vorgestern im Cafe passiert ist nicht an Namjoon, sondern an seinem Kumpel, aber ich wollte nicht nochmal so einen Schrecken bekommen.
Selbst wenn dem ganzen sofort die Stirn geboten wurde und Jimin sich um das Problem gekümmert hatte.
"Das lag nicht an ihm und das weißt du.
Außerdem hat Namjoon mir geschrieben, dass er um zwei vor der Tür steht und wartet.
Wenn du nicht mitfährst, dann trägt er dich eben ins Auto.
Also hast du kein Recht dich zu entscheiden, sondern fährst einfach mit." 
Das kleine Biest ließ sich gelassen auf dem Stuhl mir gegenüber fallen, während ich noch in meinem Kaffee herumrührte und eigentlich von meinem Brötchen abbeißen wollte, doch der Appetit verschwand.

Toll.
Dann durfte ich über meinen freien Dienstag nicht mal selber entscheiden und ich dachte immer, ich würde in einem Land mit Entscheidungsfreiheit leben.
Gut zu wissen, dass es zumindest heute nicht für mich galt.
"Musst du nicht in die Schule?" versuchte ich meine kleine Schwester los zu werden, die verdächtig entspannt vor mir saß und sich wohl nicht auf den Weg zum Unterricht begeben wollte.
Sie zuckte mit den Schultern.
"Wir haben frei, weil irgendein Idiot im Chemieraum das Glas mit Brom fallen gelassen hat und das ganze Gebäude ne Komplettreinigung brauch.
An Schule ist für mich spätestens nächste Woche zu denken." tat sie gelassen ab und schlürfte an ihrer Tasse.
Ich bezweifelte nicht, dass sie selber hätte dieses Glas fallen gelassen.
Zu trauen würde ich es ihr, nur damit sie sicher gehen könnte, dass ich im Laufe der Woche etwas mit Namjoon unternahm.
Wenn es nach ihr ginge, würden sich meine nächsten Acht Wochen um nichts anderes drehen, als das wir jeden einzelnen Tag etwas miteinander machten, oder telefonierten, wenn ich ihm meine Nummer geben würde.
Seoji hatte ich bereits angedroht, dass sie ihr Handy auf der Straße zusammen suchen konnte, wenn sie auf den Gedanken kommen sollte Namjoon meine Nummer zu geben, denn dann würde er mir den ganzen Tag auf die Nerven gehen und ich hätte gar keine Ruhe mehr.

Zwar hatte ich versprochen dem ganzen eine Chance zu geben, aber mir fehlte es an Überwindung mich wirklich wieder mit ihm zu treffen und ich hatte Angst, dass wir vielleicht nicht mehr so gut harmonieren würden, wie damals.
Er meinte, dass wir uns im Kern nicht verändert hatten und er genau diesen Kern wieder bei mir sehen wollte, aber vielleicht hatte er sich ebenfalls verändert und anders als er, wusste ich nicht ob ich diesen Kern, diesen Namjoon in den ich mich damals verliebt hatte, wieder haben wollte.

"Jup. Er sitzt mir gegenüber... Einen Moment." trällerte Seoji und lächelte mich breit und scheinheilig an, bevor sie mir ihr Handy in die Hand drücke und ich gar nicht mitbekommen hatte, dass sie jemand angerufen hatte, da sie vor wenigen Augenblicken noch auf Whats App herumtippte
"Wenn das Namjoon ist, bist du Tod." brummte ich und nahm ihr das Telefon aus der Hand.
Sie schüttelte den Kopf.
"Eomma und Appa melden sich mal wieder." flüsterte sie und ich nahm den Hörer ans Ohr.
Keine Sekunde später hörte ich die muntere und aufgebrauste Stimme meiner Mutter losplappern, die ich seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen hatte, da sie zusammen mit Appa auf Weltreise gegangen ist.
"Jin. Es freut mich, dass du in deiner Einsamkeit noch nicht eingegangen bist." begrüßte sie mich.
Ich lachte bitter auf, aber das schien sie gekonnt zu überhören.
Neben der Tatsache, dass Seoji alleine im Haus unserer Eltern wohl nicht überlebt hätte, wollten meine Eltern mir auch klar machen, dass mir ein wenig Gesellschaft gut täte, weshalb sie mir meine kleine Schwester auf den Hals gesetzt haben.
"Nein. Ich lebe." merkte ich an.
 "Ich schlage mich gut unter Wäschehaufen und Lärmbeschwerden der Untermieter." setzte ich genauso sarkastisch zurück und warf Seoji einen Eindeutigen Blick zu.
Sie rollte nur mit den Augen.
"Dann richte Seoji aus, dass sie ihre Mobilen Daten gestrichen bekommt, wenn sie sich nicht an deine Regeln hält." hörte ich meinen Vater aus dem Hintergrund rufen.
Jetzt lachte ich wirklich.

"Aber wie auch immer, Seoji hat uns geschrieben, dass ihr gestern mit Namjoon unterwegs wart." führte Eomma nun das Thema an, was sie eigentlich seit der ersten Sekunde schon ansprechen wollte.
Ich sagte nichts.
"Ich hoffe du hast jetzt die Chance ihm zu sagen, wie viel er dir damals bedeutet hat und vielleicht empfin..."
Ich unterbrach sie.
"Eomma!" fuhr ich aus und raufte mir meine Haare.
"Ich hätte euch das nie erzählen sollen." brummte ich und seufzte.
Namjoon war und ist überdurchschnittlich Hetero.
Zwar würde er meine Orientierung akzeptieren, aber mir garantiert nicht gestehen, dass er gleiche Gefühle für mich hat oder hatte.
Das ist absurd und dämlich, denn sonst hätte er nie diese ganzen Mädchen gedatet, als wir noch in der Schule waren.
"Es war komplett richtig uns das zu erzählen, du wärst sonst an dem Druck auf dein kleines Herz kaputt gegangen." säuselte meine Mutter besorgt.
"Wie auch immer. Seoji hat mir verraten, dass ihr heute zu seinen Eltern fahrt.
Du warst seit Jahren nicht mehr zu Hause, vielleicht hilft euch das ja, wieder freundschaftlich näher zu kommen."
Bei der Art, wie sie freundschaftlich betonte, hätte ich ihr am liebsten den Kopf abgerissen.
Was erwartete sie von ihrem schwulen Sohn und seinem ehmaligen besten Freund?
Dass wir uns in die Arme fallen und auf der Couch seiner Eltern rummachen würden, weil man das als beste Freunde so macht, wenn man eigentlich keine besten Freunde mehr war und wir nun irgendwelche Bekannte sind, die irgendwie wieder Kontakt hatten.
Jap.
Ganz bestimmt würde ich mit Namjoon heute so umspringen.
Er würde mich nie wieder sehen wollen...
Vielleicht sollte ich das genau so umsetzen, um endlich meine Ruhe vor ihm zu haben.
Einen Gedanken wäre es immerhin wert.

Ein unangenehmes und nerviges Gespräch mit meinen Eltern später, in dem sie mich andauernd daran erinnert haben, wie süß Namjoon und ich als Kinder gemeinsam waren wenn wir mit unseren Kuscheltieren gespielt haben, musste ich mich wieder mit Seoji herumplagen, die sich unendlich darauf freute, dass wir heute mal wieder einen Abstecher in die Vorstädte machten.
Ich holte sie von ihrem hohen Ross herunter, wie es meine Aufgabe als großer Bruder war.
"Ich dachte, dass die Rede davon war, dass Namjoon nur mich abholt?" hinterfragte ich und überschlug meine Beine, als ich mich zurücklehnte.
Seoji sah mich ertappt an und zuckte erneut mit den Schultern.
"Ich kann ja mitkommen. Mira wohnt in der Nähe, dann kann ich mit ihr etwas unternehmen, und wenn ihr wieder in die Stadt fahrt, dann sagt ihr Bescheid." wollte sie sich mit einklinken.
"Vergiss es, du kannst dann gleich bei Mira bleiben, dann bin ich dich wenigstens los." ärgerte ich sie brüderlich und warf ihr einen provokanten Blick zu.
Sie tat auf erschüttert und zog übertrieben die Luft ein.
"Ich glaub, da wäre ich dir nicht mal böse." merkte sie jedoch dann gelassen an und grinste zuvorkommend.
"Aber das würdest du mir nicht erlauben." säuselte sie.
"Ihr habt die Woche doch jetzt eh frei." murmelte ich.
Sturmfrei wäre genau das, was ich jetzt brauchte.
"Jin, du verarscht mich."
Seoji blickte mich ungläubig an.
Jetzt lag es an mir mit den Schultern zu zucken.
"Pack deine Sachen für später zusammen und sag Mira bescheid, dass sie für die nächsten Tage einen Gast hat." gestand ich ihr ein und ließ zu, dass sie von ihrem Stuhl zu mir sprang und ihre Arme um mich schlang.
"Du bist doch nicht mehr der verbitterte große Bruder!" rief sie begeistert und raste dann aus der Küche in ihr provisorisches Zimmer, was ich davor immer meine Wohnstube nannte

"Aber Jin!" rief sie mir auf halben Weh zu, und drehte sich im Flur zu mir zurück.
"Ich bleibe bei Mira, aber nur wenn du mir versprichst die Zeit allein mit Namjoon zu nutzen.
Macht es euch hier bequem und schaut Konzerte, so wie damals immer." gab sie ihre Bedingung bekannt.
"Seoji!" plärrte ich zurück und sah sie mahnend an.
"Seokjin." zog sie meinen ganzen Namen in die Länge und sah mich bettelnd an.
Das war wieder einer dieser Momente, an denen ich unpassender Weise feststellte, dass unsere Eltern mit unseren Namen total unkreativ waren.
Zumindest bei Seoji.
Sie hatten bei den beiden Silben meines Namens einfach nur je den letzten Buchstaben weg genommen.
Namjoon fand das immer kreativ, mich nervte es, dass der Name meiner Schwester von meinem abgeleitet wurde.
"Zwei Monate sind nicht lang." erinnerte meine kleine Schwester mich und verschwand diesmal wirklich in der Wohnstube.

Allein am Tisch machte ich mich nun daran mein angefangenes Brötchen zu vertilgen und meinen Kaffee zu trinken, während sich mein Kopf um das Treffen mit Namjoons Eltern drehte.
Sie waren damals wie meine zweiten Eltern gewesen.
Einmal wollten wir den Lehrern in der Grundschule mal klar machen, dass wir Geschwister seien, doch es klappte nicht, obwohl wir tatsächlich den gleichen Familien Namen hatten.
Wir haben völlig unterschiedliche Gesichtszüge und im Gegensatz zu ihm, sah ich schon immer aus wie Käse.

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