4.1 A Choice To Make

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"Namjoon?"
Einer der Schränke von Chase steckte den Kopf in den Backstageraum, in dem ich mit Hoseok und Yoongi saß und in dem wir darauf warteten mit ein paar unserer Fans reden zu können, die es geschafft hatten überteuerte VIP-Pässe zu ergattern.
Ich hob meinen Blick und sah wie neben dem Bodyguard einer der Dolmetscher für Chase in das Zimmer lugte und entschuldigend lächelte.
"Es tut mir sehr leid Sie aus dem Raum holen zu müssen, aber wir haben ein paar Probleme mit einer durchgedrehten Minderjährigen die darauf besteht Sie zu kennen." sprach er aus und ich hörte im Hintergrund vom Gang eine schrille und aufgedrehte Stimme laut toben.
"Ich bin nicht durchgedreht! Ich kenne ihn wirklich! Mein Name ist Kim Seoji und ich werde diesen Gang erst verlassen wenn ich Namjoon gesehen habe!" schrie eine mir zu gut bekannte Stimme.
Yoongi und Hoseok sahen mich überrascht an.
"Ungeliebte nächtliche Bekanntschaft?" schmunzelte Yoongi und zog eine Augenbraue hoch.
Ich stand auf und schüttelte den Kopf.
"Die kleine Schwester von nem alten Bekannten." lachte ich und folgte dem Dolmetscher und dem anderen auf den Gang.

Seoji hatte sich wirklich hier her getraut und stand nun, in den armen des anderen Bullbeißers und zerrte herum, versuchte verzweifelt sich von ihm zu befreien.
Anscheinend war sie die letzte in der Reihe, die wir empfangen sollten, aber dazu war es in den letzten fünf Minuten nicht gekommen.
"Sie dürfte hier eigentlich gar nicht rein, aber sie hat es irgendwie geschafft einen der Pressepässe geklaut und bearbeitet zu haben." erklärte mir der Typ auf Englisch, der Jins kleine Schwester in einem festen Griff bei sich hielt.
"Ich habe mir keinen Pass geklaut, mein Name stand da vorhin schon drauf!" zeterte sie in einem Englisch mit Akzent und ich konnte nicht anders als zu lachen.
Das war die laute und polterige Seoji die ich kannte.
Schon damals hatte sie versucht sich mit Leuten anzulegen, die ihr mit ihren zehn Jahren viel zu groß waren.
"Lassen Sie sie los. Das Mädchen gehört zu mir und der Pass ist auch ihrer. Den hat sie nicht geklaut." erlöste ich Seoji aus dem Griff von Chase' Schoßhündchen, von denen er sich zwei für Seoul organisiert hatte.
Was auch immer an uns Koreanern so gefährlich sein sollte.
Wäre ja nicht so als hätten wir alle eine Atombombe in unserer Arschtasche, die wir dem nächstbesten Amerikaner mal so an den Kopf warfen.
"Aber ohne volljährige Begleit..." Ich hasste dieses Gesetzt, denn zu viele Little Savage waren minderjährig und oftmals wollten Eltern mit ihnen nicht zu Konzerten gehen.
Bei Seoji war das etwas anderes.
Mir war klar dass sie hier allein auftauchte und Probleme bekommen würde, da Jin sich offensichtlich weigerte seine kleine Schwester zu begleiten.

"Ich bin ihre volljährige Begleitung." seufzte ich auf Englisch und rollte mit den Augen. "Sie lassen die junge Dame jetzt in Ruhe und passen darauf auf, dass Ihr Chef von diesem kleinen Desaster hier nichts erfährt." drohte ich dem Leibwächter und sah ihn böse an.
Er nickte, brummelte irgendetwas vor sich hin, aber verschwand jedoch mit dem Dolmetscher auf dem Gang und ließ mich mit Seoji allein.
Sie war gewachsen, zwar nicht größer als ich, aber um einen ganzen Kopf als damals vor sieben Jahren.
Ihre dunklen Haare waren zu einem unordentliche Dutt zusammengebunden, bei dem alles irgendwie nicht dahin gehörte, wo es eigentlich hin sollte.
Der schwarze Pullover, den sie trug, war ihr ein wenig zu groß und überhaupt stellte ich mir die Frage, wie man im Sommer einen Pullover tragen konnte.
Aber Seoji war schon immer so eigen wie ihr Bruder.
Worin sie sich jedoch nicht viel unterschieden, waren die Gesichter.
Ihr Gesicht war jedoch noch weicher Geschnitten, als das von Jin, aber sonst hatten sie fast die gleichen großen braunen Hundeaugen, den selben Schmollmund und die niedliche Stupsnase.

In dem Moment, als die drei anderen weg waren, raste Seoji auf mich zu und direkt in meine Arme, als sie meinen Namen rief und ihre Lippen ein breites Lächeln zierte.
Ich schlang meine Arme um sie und war wirklich erleichtert darüber, dass sie mich nicht so abblitzen ließ, wie ihr großer Bruder mich heute zu vor bei sich auf Arbeit.
"Jin hasst dich." waren ihre ersten Worte, nachdem ich die Umarmung aufgelöst hatte und wir einfach mitten im Gang stehen blieben.
Überraschend war das für mich nicht, aber dennoch lachte ich über ihre plötzlichen Worte.
"Das ist mein vollster Ernst und das ist nicht witzig." betonte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
Ich nickte.
"Ich habe seinen Hass heute schon volle Breitseite abbekommen." murmelte ich und lehnte mich gegen die Wand im Gang.
Überrascht blinzelte Seoji.
"Das hat er mir gar nicht erzählt." bemerkte sie entrüstet und starrte mich unverwandt und verwundert an.
"Wundert mich nicht."
Ich zuckte nur mit den Schultern und beschloss das Thema auf Später aufzuschieben.
Bis zum eigentlichen Einlass für die noch draußen wartenden, die die üblichen Karten hatten, waren es noch gut zwei Stunden und in denen könnte eine Weile mit Seoji reden.

"Aber lassen wir das erstmal hinten anstehen. Wie geht es dir eigentlich? Und deinem Bruder?" wollte ich von dem Teenager wissen.
Seoji verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
"So weit ganz gut. Ich wohne bei Jin. Unsere Eltern sind in der Welt unterwegs und ich nerve ihn ziemlich.
Aber wie du weißt hat er Arbeit und ist somit den halben Tag nicht zu Hause." sprach sie gelassen und legte den Kopf zur Seite, bevor sie wieder ansetzte.
"Ich geh noch in die Schule, aber die beste Noten hab ich jetzt nicht grade, seh einfach nicht ein, wofür ich den ganzen Mist mal brauchen werde." plapperte sie munter weiter und rollte genervt von dem Gedanken an Schule mit ihren Augen.
"Genau das habe ich mich auch immer gefragt, aber selbst wenn du den ganzen Kram nicht brauchen wirst, hängt von diesen dämlichen Zahlen ziemlich viel in deinem Leben ab, Seoji." kam ich nicht daran vorbei ihr eine kleine Lehre mit auf den Weg zu geben, die sie gekonnt ignorierte und nicht mal an sich heran ließ, als würde ihr Jin damit unaufhörlich auf die Nerven gehen, was ich mir bei ihm durchaus vorstellen konnte, wenn man bedachte dass er damals als Jahrgangsbester von der Schule abgegangen war.
Und obwohl er unglaublich schlau war, hing er heute nur in einem einfachen Cafe herum und verdiente sich dort seinen Lebensunterhalt.
Irgendwie Traurig.

"Weißt du, dass ich langsam die Vermutung habe, dass Jin mir die Karten nicht zum Geburtstag gekauft hat?" holte Seoji mich aus meinen Gedanken und verzog nachdenklich den Mund.
Jin hatte was?
"Ich hab über meine Eltern nach seiner Adresse gefragt und die Karten vorbeigebracht." plauderte ich aus und schüttelte den Kopf.
Er hatte Seoji verheimlicht, dass es noch eine zweite Karte gab.
Wow. Er musste mich echt hassen.
Aber immerhin wusste er nicht woher die Karten kamen.
"Karten?" große braune Augen blinzelten mich fragend an.
Ich nickte. "Ich hatte zwei vorbei gebracht. Aber anscheinend hat dein Bruder nicht die Nerven mit her zu kommen." seufzte ich.
Seoji lachte.
"Ich wusste doch, dass er die nicht gekauft hat. Er hasst dich über alles und mault mich immer an, wenn ich versuche mit ihm über dich zu reden.
Heute kam er einfach an und meinte wie aus dem nichts, dass er ne VIP-Karte hat und ich doch hingehen kann.
Da musste irgendetwas faul sein." erkannte sie und grinste mich wieder an, bevor sie mir wieder in die Arme fiel.
"Danke Namjoon. Für mich geht damit ein Traum in Erfüllung.
Eure Musik ist wirklich super und ihr als Personen auch, auch wenn ich Yoongi und Hoseok nicht persönlich kenne." murmelte sie.
Ich legte meine Arme um sie.
"Ich muss mich dafür bedanken, dass du hergekommen bist, Jiji." ich konnte nicht anders, als über ihren verunfallten Dutt zu wuscheln und sofort schielte sie gespielt verärgert hoch zu mir.
"Tu das nie wieder und nenne mich nie wieder Jiji." meckerte sie, aber konnte sich ein lachen nicht verkneifen.

Es tat so unglaublich gut nach so vielen Jahren endlich wieder ein altbekanntes Gesicht vor mir zu haben, selbst wenn Seoji nicht mehr das kleine laute und quengelige Kind von damals war, sondern nun auf einem Weg ging, der sie erwachsen werden ließ.
Insofern sie dies wollte.
Innerlich waren wir alle doch Kinder und keiner von uns könnte es übers Herz bringen dieses kleine Kind in sich einfach vor die Tür zu setzen und nie wieder zu sehen.

"Ist das deine kleine Schwester."
Zum zweiten Mal an diesem Tag tauchte Jimin ungefragt und mit einer abartigen Leichtigkeit auf, die ich am liebsten aus dem Gesicht geprügelt hätte.
"Die kleine Schwester von nem alten Bekannten." brummte ich und Seoji löste diesmal die Umarmung auf und starrte auf Jimin, als würde vor ihr ein Einhorn stehen.
"Park Jimin. Freut mich dich kennen zu lernen." 
Er kam von Platz, an dem er wie aus dem nichts aufgetaucht war, zu uns und reichte Seoji die Hand, die sich noch immer nicht rührte.
Doch plötzlich durchzog sie ein Ruck uns sie verbeugte sich tief vor Jimin.
"Kim Seoji, freut mich Sie kennen zu lernen." quietschte sie höflich und deutlich konnte ich spüren, dass sie ihm wohl genauso um die Arme gefallen wäre, wie mir.
Aber sie hatte genügend Höflichkeit um sich dies zu verkneifen, dabei wusste sie genau wen sie vor sich hatte.
"Oh Gott. Das ist wirklich niedlich, aber du musst mich nicht siezen. Freunde von Namjoon, sind auch Freunde von mir." lächelte er Seoji warm an und blickte wissend zu mir.
Ich verengte meine Augen und Jimin seufzte.
"Es ist wirklich nett dich kennengelernt zu haben, Seoji." richtete Jimin sich an das Mädchen vor sich und war ganz er selber.
Jimin war bodenständig, obwohl er mit seinem Aussehen auch hätte gnadenlos überheben spielen können.
Seine provokante und charmante Seite zeigte er nur, wenn ihn etwas anpisste oder er verstecken wollte, dass er auf etwas keinen Bock hatte.
"Aber ich muss wieder an die Arbeit. Viel spaß beim Konzert." wünschte er ihr.
Sie stammelte irgendetwas zusammen, bevor sie noch eilig nach einem Bild fragte, was er ohne zu meckern mit ihr machte.

Ich sah auf irgendeinen Fleck an der Wand und wartete darauf, bis Jimin sich erneut von Seoji verabschiedet hatte und wegging.
"Es stand nirgends im Internet, dass ihr heute mit Soft Spot auftretet!" warf sie mir ungläubig vor.
"Die Jungs sind super." schwärmte sie und sah in die Richtung, in der Jimin verschwunden war.
"Ganz nett, ja." murmelte ich nur, bevor diesmal die Tür zu dem Raum aufging, in dem ich vorhin noch mit Hoseok und Yoongi saß.
Hoseok steckte den Kopf hervor und sah erst zu mir und dann mit einem Lächeln zu Seoji.
"Ich wollte nur schauen, ob alles okay ist. Hätte ja sein können, dass sie ihr den Kopf abgehakt haben." scherzte er und lehnte sich gegen den Türrahmen.
"Ich bin Hoseok." stellte er sich dann Seoji vor, die das zweite mal in wenigen Augenblicken sprachlos dastand.
"Alter, kommt doch einfach rein, wenn Chase hier seine Wege läuft, dann seit ihr dran." pamperte Yoongi und zerrte Hoseok wieder rein.

Eigentlich hatte ich vor noch allein etwas mit Seoji zu reden, doch bevor ich sie aufhalten konnte, tappste sie Hoseok und Yoongi hinter her und konnte ihr offensichtliches Fangirl-Sein nun nicht mehr zurück halten.
Ungläubig quietschte sie das ganze Zimmer zusammen.
Sämtliche bemühte Höflichkeit, die sie bei Jimin noch aufbringen konnte, ging nun den Bach herunter.
Ruhig betrachtete ich sie dabei, wie sie komplett außer sich mit Hoseok und Yoongi redete und die beiden Mühe hatten, sie wieder auf den Boden zu holen, bevor sie noch wegkippen und wir tatsächlich Probleme bekommen würden.
Denn Chase würde mich dafür ziemlich zur Sau machen, wenn er herausfinden würde, was ich hier hinter seinem Rücken anstellte, noch dazu, dass ich ihn beklaut hatte.
"Verdammt, die ist aufgedrehter als Hoseok." scherzte Yoongi und schüttelte den Kopf, als er neben mir stand und Seoji aufgeregt mit Hoseok über irgendeinen Mist redete, nur damit er sie irgendwie beruhigen konnte.
"Wir haben uns sieben Jahre nicht gesehen, sie hat ein Recht so drauf zu sein." murmelte ich.
"Und ihr Bruder?" erinnerte er sich an meine Worte von vorhin.
"Der hasst mich ein bisschen." merkte ich an und ging nicht näher darauf ein.
Yoongi wusste, dass ich ihn darüber nichts erzählen würde und harkte auch nicht nach genauerem nach.

Zehn Minuten bevor ich in die Maske musste, zog ich Seoji nochmal zu mir.
Zusammengefasst erklärte ich ihr dann noch die Szene im Cafe, als Jin mich erkannt, aber dennoch so getan hat, als wäre ich ein Fremder.
Ich machte ihr klar, dass ich wieder zu Jin Kontakt haben wollte und wie sehr es mir leid tat, dass ich mich so unendlich lang nicht mehr gemeldet hatte.
Als die Zeit knapp wurde und eine unserer festen Stylistinnen auftauchte, die zum Glück aus Korea stammte, vertraute ich ihr Seoji an und meinte, dass sie sie unters Publikum bringen soll, aber so das Chase sie nicht erwischen würde.
Zwar tat es mir leid Ji so abzuwimmeln und dafür entschuldigte ich mich auch, aber sie meinte, dass alles okay sei und sie das verkraftete, bevor sie verschwand und ich mich einem Fragenhagel von Hoseok unterziehen musste, der wissen wollte, wieso ich sie und ihren Bruder denn nicht öfters auf Konzerte einladen würde und wo ihr Bruder überhaupt sei.
Yoongi schritt ein und brachte meine Gedanken auf den Punkt, als er meinte dass ich ganz bestimmt meine Gründe dafür hatte ihn und Seoji nicht so oft gesehen zu haben.

Ab da an Zog sich dieser Abend abartig in die Länge.
Das einzig gute war, dass Chase nichts von den Strapazen hier mitbekommen hatte und ich Jimin bis zur Show nicht mehr sah.
Aber dafür saß ich ewig in der Maske, so hatte ich das Gefühl und auch die Zeit bis ich fertig geschminkt wurde und komplett in meinem Bühnenoutfit in meiner Garderobe stand, zog sich so lang wie Kaugumi, der einfach nicht von meinem Schuh abgehen wollte.
Nur ein wenig heiterte es mich da auf, dass Seoji heute mitten im Sternenhimmel stehen würde und ich sie endlich wieder gesehen hatte.
Immerhin redete sie auch normal mit mir, selbst wenn wir dafür vorhin viel zu wenig Zeit hatten und ich noch mehr gebraucht hätte, um sie vielleicht noch ein wenig über Jin auszufragen.
Bei Gelegenheit hätte ich doch eigentlich auch so schlau sein können um sie nach seiner Nummer zu fragen, aber nein das musste mir ja erst jetzt in den Kopf kommen und nach ihrer hatte ich auch nicht gefragt.
Ich bin der dümmste Mensch der Welt.

Unendliche zweieinhalb Stunden später schleppte ich mich nach dem Konzert zurück in meine Garderobe und ließ mich auf den Sessel darin fallen.
Es war zwar nichts schief gelaufen, aber die Tatsache, dass ich die letzten Stunden einem kleinen freilaufendem Jimin vor mir hatte, der mir die ganze Zeit auf der Bühne hinter her tappte und so tat, als wären wir die besten Freunde, das war mehr als nur anstrengend.
Denn ihn einfach kindisch von mir weg zu stoßen, wäre ein fataler Fehler gewesen.
Die ganze Welt dachte, wir würden uns mit dem anderen Trio super verstehen, was ja auch so war, und da würde es falsch rüber kommen, würde ich Jimin eine Szene machen, dass er sich von mir fernhalten sollte.
Dass ich auch einen dutzend Fehler in den Tänzen mit mir durch den Abend gezogen hatte, ließ ich mal zweitrangig als Ursache dastehen, dass ich mich jetzt nur noch umziehen und ins Hotel zurück wollte, um einfach die Augen zu zumachen und einen neuen Tag anzufangen, der hoffentlich besser werden würde, als dieser.
Seoji im Publikum hatte nämlich nicht wirklich als Motivation dazu beigetragen mich besser fühlen zu lassen, nachdem das mit ihrem Bruder heute über die Bühne gelaufen war und Soft Spot uns das einzige Konzert in Seoul, was wir in den nächsten Jahren wohl hier geben würden, mit für sich eingenommen haben.
Sonst hatte es mich nie gestört, wenn die Jungs einfach so für ein Konzert mit uns mit zogen und dann wieder verschwanden, aber in Städten wie LA oder Paris waren wir ständig.
Für das Konzert hier in Seoul hätte ich mir schon gewünscht die Bühne mit Yoongi und Hoseok für uns allein zu haben.

Seufzend erhob ich mich wieder vom Sessel und zog mir die Lederjacke und den weiß-schwarzen Pullover aus, bevor ich mich nach den Sachen hier umblickte, mit denen ich vor Stunden hier ankam.
Suchend fuhr ich mir durch meine Haare und versuchte mich daran zu erinnern, wo ich meinen schwarzen Pullover hingelegt hatte, nachdem ich mir die Trainingssachen für die Proben übergezogen hatte.
Total unwillkommen klopfte es dann auch noch an meiner Tür.
"Nein!" plärrte ich zurück.
Nicht dass ich mich für meinen Körper schämte, immerhin habe ich bei einem Bademodenshooting mitgemacht, wenn auch angetrunken, aber jetzt konnte ich definitiv keine gigantischen Blumensträuße und Pralinenschachten empfangen, die mir von irgendwelchen Leuten zugeschickt wurden, die mich wohl kannten.
Grade jetzt wollte ich einmal meine Ruhe haben, selbst wenn ich durch den kleinen Raum wuselte und nach meinen Sachen guckte.

"Das nein ignoriere ich jetzt mal geflissentlich."
Nicht schon wieder Jimin...
Wirr griff ich nach der Lederjacke und zog sie mir über, als Jimin ins Zimmer plätscherte und mich aus funkelnden braunen Augen betrachtete, wie ich genervt, mit den Armen vor der Brust verschränkt und oben ohne dastand und ihm am liebsten den Hals umgedreht hätte.
"Verpiss dich." knurrte ich, als er die Tür zu gemacht hatte und sich gegen sie lehnte und auch diese Worte nicht für voll nahm, sondern mich nur ausgiebig betrachtete.
"Nicht doch. Wir wollten reden." erinnerte er mich und legte verschmitzt lächeln den Kopf schief.
Ich wurde rot.
Vor Scharm und vor Wut.
"Du. Du wolltest mit mir reden. Ich kann hierauf gut verzichten." machte ich klar und sah ihn wenig begeistert von seinem Plan an.
"Wir können das reden auch sein lassen und etwas ganz anderes machen."
Er löste sich von der Tür und schritt gelassen auf mich zu.
Düster funkelten seine Augen mich an und ich wusste genau was für Gedanken ihm im Kopf herumspukten.
Instinktiv machte ich einen Schritt von Jimin weg, aber hatte den Sessel in dem kleinen Zimmer vergessen, in den ich jetzt fiel.
Ohne zögern nutzte Jimin die Chance und setzte sich auf meinen Schoß.

Nein das ganze wunderte mich nicht.
Wir drei und seine Leute wussten, dass er das gleiche Manko hatte wie ich, aber damit wesentlich offener umging.
Ich dagegen hatte es geschafft es für Jahre geheim zu halten, dass ich auf Männer stand.

"Immerhin hängst du jetzt auf diesem Sessel, bis ich wieder aufstehe." merkte er selbstzufrieden an und grinste.
"Also..." begann er dann und klatschte in die Hände.
"Da du ja vor vier Monaten in Toronto einfach so aus meinem Hotelzimmer verschwunden bist, dachte ich dass ich damit anfange, dass das echt ne scheiß Aktion von dir war." ratterte er herunter, als wäre es nichts.
Dabei war das damals in Toronto nicht einfach mal nur nichts.
Es war ein ziemlicher Fehltritt und ich wusste echt nicht, was mich dazu verleitet hatte mich so von Jimin an der Nase herum führen zu lassen.
"Und du hast meine Nachrichten und Anrufe ignoriert. Ist das nicht fies?
 Ich meine ich kann verstehen, dass es wohl peinlich für dich ist, dir einzugestehen, dass du schwul bist, aber mich deshalb zu ignorieren?
Ich habe dir nichts getan und wenn du mir jetzt deshalb die Schuld zusch..."
Seufzend unterbrach ich ihn.
"Mir war das vorher schon bewusst, du hast dazu rein gar nichts beigetragen, Jimin und jetzt lass mich hoch, ich will ins Hotel und..."
Jetzt nahm er mir die Worte aus dem Mund.
"Und mich wieder für die nächsten Monate ignorieren und mich dann böse anpampen, weil ich einfach nur normal mit dir über diese Nacht reden möchte?"
Ich rollte mit den Augen.
"Verdammt Jimin, wir waren besoffen, ich weiß nicht auf was ich mich da eingelassen habe und ich bereue es, es hat mir nichts bedeutet und ich will das nie wieder!" warf ich ihm an den Kopf und hoffte, er würde sich jetzt endlich verpissen, aber Fehlanzeige.
Er blieb auf meinem Schoß sitzen, sah einen Moment ziemlich überrannt mit meinen lauten Worten aus, aber fasste sich dann wieder.

"Gut, mir geht es auch nicht anders. Du bist hübsch, wirklich, aber es würde deinem Image schaden, auch wenn es ein wenig ironisch ist, dass du von selbst Akzeptanz an junge Leute redest, aber diese Seite an dir wohl nicht zu mögen scheinst." 
Er zuckte mit den Schultern und sah mir nun unverwandt in die Augen.
"Und jetzt zum nächsten Punkt und ich denke das ist die eigentlich noch unausgesprochene Sache, die zwischen uns steht und die dir diese ganze Nacht wohl unangenehm gemacht hat und weshalb du wohl einfach weg bist." erinnerte er mich wieder.
Ich sog die Luft ein und drehte meinen Kopf von ihm weg.
Was hatte er sich den von mir erhofft, nachdem wir völlig besoffen im Bett gelandet sind, was nie hätte passieren sollen.
Hätte ich ihm mit Frühstück im Hotelzimmer überraschen sollen und so tun sollen, als wären wir jetzt das größte Traumpaar überhaupt?
Mir war es eigentlich verboten irgendetwas in meinem Liebesleben laufen zu haben ganz gleich ob Frau oder Kerl, auch wenn ich mich manchmal nicht an dieses Verbot hielt.
"Wer ist Jin?
Und jetzt sag nicht, dass ich mich unter dir verhört habe, als dir nicht mein Name über diese vollen Lippen gekrochen ist."
Könnte ich ihn bitte erschlagen?
"Wenn du an jemand anderen gedacht hast, ist das vollkommen okay. Wir hatten beide einen sitzen und meine Gedanken haben sich in dem Moment auch um einen anderen gedreht." redete er frei weg und ohne Scham.
Meine Wangen dagegen wurden Puderrot.
So offen wie Jimin mit seiner Sexualität und seinen Gedanken umging, davon konnte ich nur träumen. 
"Aber sein Name kam mir nicht immer und immer wieder aus meinem Mund." 
Jimin erhob sich endlich von mir und lehnte sich gegen den Tisch im Zimmer.
"Mir hat die Nacht mit dir wirklich nichts bedeutet, so wie dir.
Aber wir sind über Jahre gute Freunde, Joon, und ich will dir nur helfen.
Ist Jin deine erste Liebe? Jemand aus deiner Heimat?" 
Ich war erstaunt darüber, wie gut er mit seiner Vermutung lag, dennoch wollte ich nicht mit Jimin über Jin reden.
Ihn hatte das nichts anzugehen.
"Ist er der große Bruder, von dem Mädchen was dich heute besucht hat?"
Seine Augen glitzerten aufgeregt, aber er blieb ruhig und wartete auf eine Reaktion von mir.

Was hatte ich noch zu verlieren.
Jimin konnte man vertrauen und überhaupt war er der einzige, der von meinem ungeliebten Makel bescheid weiß, da wäre es vielleicht  gut jemanden zum Reden zu haben.
Plötzlich fühlte ich mich schlecht dafür Jimin ignoriert zu haben, obwohl ich wusste, dass er nicht viel dazu sagen würde, wenn ich schwul war.
Er war es auch, das Label wusste es, aber er durfte es nicht an die Öffentlichkeit tragen.
Bei mir wusste es keiner, bis auf ihm und ein wenig engte mich das schon ein.
"Er ist der große Bruder von Seoji, er ist jemand aus meiner Heimat und sowas wie meine erste Liebe." gab ich schließlich nach langem überlegen preis und fühlte eine gewisse Erleichterung, diese Worte nach Jahren tatsächlich mal ausgesprochen zu haben und nicht zu verdrängen oder nur zu denken.
"Erzähl mir alles. Lass dich aus. Ich sehe, wie sehr dich das belastet." erkannte er und sah mich mitleidig an.
"Ich halte dicht, keiner wird etwas von diesem Gespräch erfahren Namjoon, das verspreche ich dir." versicherte Jimin mir und hob den kleinen Finger.
"Wieso sollte ich? Er hasst mich und will nichts mehr von mir wissen." malte ich schwarz und sackte in mich zusammen.
"Aber du magst ihn und du willst noch immer etwas von ihm." drehte er den spieß um und lächelte mich aufmunternd an.
"Das ist kompliziert." wandte ich mich und zog die Beine auf dem Sessel an, um meinen Kopf darauf ablegen zu können, wie ein kleines Kind, was sich vor der ganzen Welt einigeln wollte.
Dann, nachdem ich wieder hin und her überlegt hatte, wagte ich es Jimin tatsächlich alles zu erzählen und merkte, wie sehr ich mich in die alte Zeit mit Jin rein versetzte und immer wieder die wohl besten Momente mit ihm beschrieb.
Von unserem erste Treffen, über die weiteren Schuljahre, bis zu dem Tag an, an dem ich angefangen hatte Mädchen aus unserem Jahrgang zu daten, um nicht wahrhaben zu wollen, dass mein Kopf nicht normal tickte.
Ich endete mit dem Augenblick, als ich mir dann alles mit Jin vermasselt hatte, ihm gebeichtet hatte, dass ich nicht mit ihm studieren würde und eine Weile danach seine Nummer und seine E-Mail verloren hatte und ich nun wieder versuchen wollte alles mit ihm auf den Damm zu bringen.
Dabei war es mir egal, ob er schwul war oder nicht, oder ob er schon vergeben war oder nicht.
Ich wollte nur klar stellen, dass ich wieder mit ihm befreundet sein möchte und wir den Kontakt nie wieder verloren.
Ganz am Ende verriet ich Jimin auch noch von der nicht grade guten Begegnung mit ihm und dass ich Jin hatte Karten zukommen lassen, die aber nur seine kleine Schwester wahrgenommen hatte.

Jimins Kopf ratterte, als ich eine ganze Weile ohne Punkt und Komma geredet hatte und ich hatte keinen Plan, wie er auf meine Rede reagieren würde.
Er schien selber nachzudenken und hob dann seinen Kopf, um in meine Richtung zu sehen.
"Wenn er dir wirklich so viel bedeutet, wie ich es grade heraushören konnte, dann wird eine Woche nicht reichen, um eine alte Freundschaft wieder so aufzubauen, wie du sie mir beschrieben hast." fasste er sein Urteil und tippte mit seinem Fuß zu einem Takt, den nur er hören konnte, auf den Boden.
"Er muss wirklich von dir enttäuscht sein, wenn er so tut, als würde er dich nicht kennen, selbst wenn er dich erkannt hat." schloss er weiter und blickte zu mir.
Ich nickte.
Jimin hatte recht.
Ich war so versessen darauf gewesen alles mit Jin wieder zu löten, da hatte die Zeit für mich noch keine Rolle gespielt.
Unmöglich konnte ich zu Jin innerhalb weniger Tage wieder so ein vertrauen aufbauen, wie wir es damals hatten.
Alles war weg.
Wir würden als Freunde nochmal komplett von vorne anfangen.
Ich war nicht mehr dieser kleine Musiktüftler der mit seinem Keyboard und einem Mixprogramm im Zimmer saß und Melodien zusammen bastelte und er nicht mehr der, der damals mit mir zu Queen abging und mitrockte.

Wir beide hatten uns von Grund auf verändert und das kam mir erst jetzt wirklich in den Sinn und traf mich ziemlich heftig.
"Was soll ich denn machen?
Ich kann unmöglich die ganze Tour abblasen, nur um eine Freundschaft wieder zu kitten." seufzte ich verzweifelt.
"Eine Freundschaft zu jemanden, den du ganz offensichtlich noch heute liebst und wieder haben möchtest." berichtigte Jimin mich und zog eine Augenbraue hoch.
"Aber eine Möglichkeit wäre es.
Ich meine, selbst obwohl ihr das alles gut versteckt, ihr drei seit ausgelaugt und fertig mit der Welt.
Eine Pause wäre jetzt Ideal.
Hoseok und Yoongi und du, ihr könntet euch hier in Korea euren Familien widmen und euren alten Freunden.
Wir haben unsere Tour vor einer Woche in Busan abgeschlossen und hängen dort mit Freunden und verwandten rum und mir geht es besser als in den letzten Jahren, in den ich kaum Zeit für alle hatte." verriet er mir.
"Eure Tour hat da geendet. Unsere zieht uns noch bis nach Sydney, Europa und Afrika." erinnerte ich ihn.
"Na und? Ihr seid auch nur Menschen , die irgendwann Ruhe brauchen.
Denk mal nur an dich.
Du bist schon selbstlos genug.
Du hast eine Freundschaft wieder aufzubauen, an der über die Hälfte deines Lebens hängt.
Wir denken auch nicht nur an unsere Fans und Manager und was die darüber sagen."
Was der Grund dafür wäre, wieso sie jedes Jahr vier neue Manager in der Mangel haben und in den Wahnsinn treiben.
"Sollte Chase dir Probleme machen, vergrabe ich ihn gerne in meinen Keller." scherzte er und legte sanft eine Hand auf mein Knie.

"Denk darüber nach die Tour abzublasen, ernsthaft.
Kanye West und Justin Bieber haben das auch über die Bühne gebracht.
Und? Wurde ihnen dafür der Kopf abgehackt? Nein!" brachte er als Beispiel, bevor er sich bückte und etwas vom Boden aufhob.
"Ich denke mal das ist das, was du gesucht hast." merkte er an und warf mir meinen schwarzen Pullover zu.
Ich nickte nur, wollte zu seinem Beispiel etwas sagen, aber kam nicht mehr dazu, als es an der Tür klopfte.
"Einen Moment!" rief Jimin ohne zu zögern und drehte sich anstandshalber von mir weg, als ich die Lederjacke von meinen Schultern schob und mir meinen eigenen Pullover über den Kopf zog.
"Jetzt!" rief ich und blieb im Sessel sitzen.

Jungkook und Yoongi steckten die Köpfe in meine Garderobe und sahen verwundert zu Jimin und dann zu mir, stellten aber keine Fragen.
"Wir wollen alle noch was essen gehen, um den Abend noch ausklingen zu lassen." verriet Yoongi.
"Ohne Manager und Schoßhunde, nur wir sechs unter uns." hing Jungkook eilig an und lächelte.
Mit seinen zweiundzwanzig Jahren war er der jüngste bei Soft Spot und in unserer Runde aus beiden Trios.
Er hatte es über die ganzen Jahre nicht einfach.
Ich hatte ein wenig Mitleid, wenn ich daran dachte, dass er seine Jungend nicht wirklich genießen konnte und er, seit er fünfzehn war, im Musikbusiness arbeitete.
"Wir kommen mit." legte Jimin für uns fest und schickte die beiden wieder weg.
"Sind in fünf Minuten draußen." versicherte er, bevor er die Tür wieder zu machte.
"Ich meine das ernst, Namjoon.
Überlege was dir persönlich wichtiger ist.
Durch die Welt touren oder deine alten Freunde."
Das Problem daran war: Das eine war meine Pflicht, mein Job.
Das andere hatte ich freiwillig sitzen gelassen und aufgegeben.


AgainWhere stories live. Discover now