25.12

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Rosalie

In die Küche zu kommen und dort ein Überfallkommando, bestehend aus meinem Dad und meinem Freund, vorzufinden, hatte ich für diesen Morgen mit Sicherheit nicht geplant. Ich wollte den Tag eigentlich ganz gemütlich beginnen ehe ich mich gegen Abend für das gemeinsame Essen fertig machen wollte. Doch mein Vorhaben war in der Sekunde vergessen als ich in die angespannten Gesichter der beiden blickte.

»Was ist los?«, fragte ich skeptisch. Ich hatte eine Ahnung, worum es gehen könnte, doch ich hoffte inständig, dass sie dieses Thema nicht anschneiden und ich mich irren würde.

»Setz dich, wir müssen mal mit dir reden«, gab mir mein Vater zu verstehen während Derek im selben Moment den Stuhl neben sich für mich zurückzog. Kurz zögerte ich, doch dann beschloss ich, dass es wohl besser wäre, wenn ich mich wirklich hinsetzte.

Kaum berührte mein Po den Stuhl legte mein Freund seinen Arm auch schon auf der Stuhllehne hinter mir ab. Nach und nach begannen seine Finger sanft in meinen Nacken zu wandern und mich dort zu liebkosen. Derek schien es vollkommen egal zu sein, ob mein Dad etwas davon mitbekam oder nicht. Unbeirrt machte er einfach weiter während ich mein Gegenüber auffordernd ansah. Derek wusste anscheinend ganz genau, dass mich seine Berührungen beruhigen würden und ich war ihm in diesem Augenblick unglaublich dankbar dafür.

»Dann schießt mal los«, verlangte ich sowohl von meinem Vater als auch von Derek, dessen Hand immer noch keine Anstalten machte mit ihrer Liebkosung aufzuhören. Stattdessen sendeten seine Berührungen angenehme Schauer über meinen Rücken und ich lehnte mich etwas weiter zurück.

»Es geht um morgen«, begann mein Dad mit ruhiger Stimme und bestätigte damit meine Vermutungen. »Du musst da nicht hingehen.«

»Doch genau das muss ich tun«, widersprach ich meinem Vater und versuchte mich auf das Gefühl von Dereks Fingern in meinem Nacken zu konzentrieren, um innerlich nicht durchzudrehen. Dennoch konnte ich nichts dagegen tun, dass ich mich ein wenig verspannte. Ich mochte dieses Thema nicht sonderlich gerne und Dad wusste genau, dass ich damals meiner Mom ein Versprechen gegeben hatte. Ich konnte es nicht einfach brechen, denn ich hatte keine Ahnung, was das dann für eine Person aus mir machte.

»Nein. Du fühlst dich zwar verpflichtet an der Feier teilzunehmen, aber das musst du nicht machen.«

»Dein Dad hat Recht. Du willst nicht einmal zu dieser Weihnachtsfeier und nachdem ich deine Mutter kennengelernt habe, kann ich dir das auch nicht verübeln«, pflichtete Derek meinem Vater zu.

»Aber...«

»Kein aber.« Derek griff mit der anderen Hand nach meiner und drückte sie einmal kurz, um meine volle Aufmerksamkeit zu erlangen. »Wir könnten irgendwas zu dritt machen. Weihnachtsfilme gucken oder so«, schlug Derek vor und lächelte mich dabei aufmunternd an.

»Was wird passieren, wenn ich nicht hingehe?«, wollte ich wissen, denn ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich so einfach aus der Sache herauskam. Ich würde es meiner Mom zutrauen, dass sie mich im Falle des Falles auch persönlich holen würde damit ich zu ihrem Fest erscheinen würde.

»Wir schließen die Verbindungstür ab damit deine Mutter nicht rüber kommen kann und das war es. Sie wird nie im Leben irgendwas machen solange Gäste im Haus sind und ich werde die Haustür ganz gewiss nicht öffnen«, erklärte Dad, doch ich war immer noch skeptisch. So einfach würde ich doch nie im Leben aus der Sache heraus kommen und den Tobsuchtsanfall den meine Mutter dadurch womöglich bekam, wollte ich auch lieber entgehen.

»Das ist ja alles schön und gut, aber wenn die Weihnachtsfeier vorbei ist, bekomme ich riesigen Ärger.«

»Du bist volljährig. Weder deine Mutter, noch ich können dir irgendwas vorschreiben. Du kannst deine eigenen Entscheidungen treffen.«

»Ich muss darüber nachdenken«, sagte ich und stand auf, um ein wenig allein zu sein. Ich brauchte meine Ruhe, um alles genau abwägen zu können.

Auch zwei Stunden später ging mir das Gespräch mit meinem Dad und Derek nicht mehr aus dem Kopf. Mein Vater hatte Recht, keine Frage und doch zögerte ich, wenn es darum ging die Feier sausen zu lassen. Ich wollte nicht dorthin und schon gar nicht wollte ich, dass Derek sich mit all diesen Menschen unterhalten musste. Andererseits war mir auch bewusst, dass ich die wirklich letzte Verbindung zu meiner Mutter damit kappen würde. Konnte ich das wirklich tun? War ich überhaupt bereit dazu?

»Hey«, erklang Dereks Stimme mit einmal hinter mir bevor er sich neben mich auf die Bank setzte, die auf der Veranda stand und eine Tasse Tee vor mir abstellte. Dankbar blickte ich ihn für einen Moment an ehe es wieder still wurde. Die Ruhe zwischen uns war in keinster Weise unangenehm, dafür genoss ich Dereks Nähe, gerade bei meinem derzeitigen inneren Gefühlschaos, viel zu sehr.

Schweigend saßen wir eine Weile einfach nur auf der Veranda und blickten auf den schneebedeckten Garten, der vor uns lag. Die weiße Landschaft, die sich im Gegensatz zum Haus nicht sonderlich weit ausdehnte, bildete ein wundervolles Panorama. Es sah unglaublich toll aus und ich hätte diesen Anblick am liebsten in einem Bild festgehalten. Leider war ich im Zeichnen genauso wenig begabt wie im Malen.

»Du machst dir Sorgen darüber, dass du gar keinen Kontakt mehr zu deiner Mom haben wirst, wenn du nicht hingehst oder?«, durchbrach Dereks Stimme die winterliche Stille, die sich zwischen uns ausgebreitet hatte.

»Seit wann kennst du mich so gut?«

»Naja, ich liebe dich und du hältst deine Emotionen nicht verborgen mir gegenüber, was wundervoll ist.« Mit jedem Wort rückte Derek auf der Bank näher zu mir bis sich seine Seite fest an meine presste.

»Wenn du hingehen willst, werde ich bei dir sein und dich nicht alleine lassen. Und falls du lieber hier bleiben und den Filmmarathon durchziehen möchtest, ist das auch in Ordnung. Wichtig ist nur, dass du das tust, was du möchtest und nicht wovon du denkst, dass es jemand von dir erwartet. Und falls deine Mom deinen Wunsch nicht respektiert, nur weil du nicht bei ihrer doofen Feier warst, dann ist sie ziemlich dämlich.« Aufmunternd lächelte er mich an während ich mein Glück immer noch nicht fassen konnte.

Womit hatte ich nur einen solch großartigen Freund verdient? Ich ließ meinen Kopf auf seine Schulter fallen und nur wenige Augenblicke später legte er seinen Arm um mich. Erneut legte sich die Stille über uns und ich dachte über die Worte von Derek nach während seine Finger behutsam meinen Arm rauf und runter wanderten.

»Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ich die Feier dieses Jahr ausfallen lasse«, flüsterte ich in die Stille hinein. »Die Entscheidung macht mir zwar Angst, aber...«, redete ich einfach weiter ohne auf Dereks Reaktion zu achten. »Ich will nicht zu diesem Fest. Andererseits möchte ich auch nicht, dass meine Mutter wieder einen ihrer Anfälle bekommt«, meinte ich traurig, woraufhin mich Derek auf seinen Schoß zog. Seine Nähe war eine Wohltat für meine Seele und ich kuschelte mich an ihn, um wieder zu Ruhe zu kommen.

»Danke, dass du für mich da bist.« 

The Christmas DateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt