01.12

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Rosalie

»Wir brauchen unbedingt einen Weihnachtsbaum in unserer WG«, verkündete meine Mitbewohnerin Holly und klang dabei so als würde sie keine Widersprüche dulden. Auch ihre braun-grünen Augen, die mich durch die Gläser ihrer Brille ansahen, schienen mich von einem Einspruch abhalten zu wollen. Dabei war nicht einmal ich diejenige, die sich querstellte, sondern die Hausverwaltung. Tannenbäume waren in unserer Wohnung nämlich genauso verboten wie Haustiere dabei hätten wir definitiv genügend Platz für einen Baum.

»Wir können gerne nächste Woche einen Plastikbaum kaufen gehen«, schlug ich meiner Mitbewohnerin deswegen vor während ich mich neben ihrem Freund Ryan aufs Sofa plumpsen ließ. Mein Vorschlag schien bei ihr allerdings nicht auf fruchtbaren Boden zu treffen, denn sie bestand weiterhin auf einen richtigen Baum.

»Wie soll denn mit einem Plastikbaum richtige Weihnachtsstimmung aufkommen? Nein, was wir brauchen, ist eine echte, schöne Tanne. Am besten direkt aus dem Wald.« Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, dass Ryan seiner Freundin einen Wärst-du-mal-doch-bei-mir-eingezogen-Blick zu warf, den ich unkommentiert ließ und einfach nur in mich hinein lächelte. Die zwei waren schon ein süßes Paar und ich freute mich, dass sie endlich zusammen gefunden hatten. Mir war schon bei unserer ersten gemeinsamen Begegnung klar gewesen, dass die beiden sich mochten. Man sah es einfach an ihren Blicken, doch es hatte eine Weile gedauert bis auch sie es offen ansprachen und nun schwebten sie zusammen im siebten Himmel. Ich hingegen befand mich immer noch auf dem Boden der Tatsachen.

»Du solltest nicht so ein Weihnachtsgrinch sein«, machte Holly unbeirrt mit unserer Weihnachtsbaumdebatte weiter und sah mich dabei anklagend an. Genervt legte ich den Kopf in den Nacken und ließ hörbar die Luft aus meinen Lungen entweichen. Ich war es Leid diese Unterhaltung zu führen, denn am Ende änderte es doch nichts an den Tatsachen.

»Ich bin überhaupt kein Grinch.« Ich mochte die Weihnachtszeit, nur mit dem zweiten Weihnachtsfeiertag konnte ich absolut nichts anfangen. Allerdings lag das wohl eher an meiner Familie als an Santa Claus.

»Tannenbäume sind hier nun mal verboten, daran kann ich auch nichts ändern. Du darfst aber gerne unser Wohnzimmer dekorieren, Plätzchen backen und was dir sonst noch legales einfällt.« Ich hob mein Kopf wieder an und folgte Holly mit meinem Blick. Ich hatte keine Ahnung, was in ihrem Kopf gerade vor sich ging, doch es war offensichtlich, dass sie über etwas nachdachte.

»Ich hasse es, wenn du recht hast.« Ihre Augen funkelten mich missbilligend an, doch ich wusste, dass sie es nicht ernst meinte. Aus diesem Grund sah ich sie einfach so lange an bis sie sich resigniert neben Ryan setzte und sich dabei zum wiederholten Male eine Strähne ihres braunen Haares hinters Ohr strich. Sie hatte sich aus ihrem unordentlichen Zopf gelöst und schien Holly genauso zu nerven wie der fehlende Weihnachtsbaum in unserer Wohnung.

»Was haben die bloß gegen Tannenbäume?«, fragte sie Ryan und mich ohne eine wirkliche Antwort zu erwarten. Ihr war klar, dass weder er noch ich eine Ahnung hatten, was in den Köpfen der Hausverwaltung vor sich ging.

»Vielleicht haben sie einfach Angst, dass man den Flur dreckig macht und nicht wieder für Ordnung sorgt«, meinte ich achselzuckend. Es gab bestimmt Menschen, die sich einen Baum besorgt und die herunter gefallenen Nadeln einfach liegen gelassen hätten. Doch bevor ich noch länger darüber nachdenken konnte, klingelte es an der Tür.

Sofort sprang ich vom Sofa auf und rannte förmlich unseren kleine Flur hinunter. Ich hatte eine gefühlte Ewigkeit auf die Pizza gewartet und würde mit ziemlich großer Sicherheit bald ins Delirium abdriften, wenn ich nichts zu essen bekäme. Dementsprechend freudig riss ich auch die Wohnungstür auf, nur um dann doch nicht den Pizzaboten dahinter zu entdecken.

The Christmas DateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt