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Rosalie

Niedergeschlagen und völlig fertig kehrte ich weit nach Mitternacht zurück in unsere WG. Ich rechnete nicht damit, dass Holly noch wach oder Derek überhaupt da sein würde. Wieso sollte er auch? Ich hatte mich wie die schlimmste Vollidiotin überhaupt benommen und im Grunde wusste ich auch, dass mein Verhalten falsch war. Dennoch änderte das nichts an der Angst, die ich immer noch in mir spürte.

Vorsichtig öffnete ich die Tür und war ganz darauf bedacht Holly nicht zu wecken. Allerdings machte ich die Rechnung ohne meine Mitbewohnerin, die im Wohnzimmer auf dem Sofa saß und darauf zu warten schien, dass ich wieder kam.

»Du bist wieder da«, sagte sie mit leichter Sorge in der Stimme. Dessen ungeachtet vernahm ich aber auch die Enttäuschung und leichte Wut, die darin mitschwang. Ich konnte es ihr kaum verübeln. Sie kannte Derek länger als mich und ich hatte ihn praktisch an der Nase herum geführt. Hatte mir selber vorgemacht, dass ich es schaffen würde eine Beziehung mit ihm zu führen und die leise Stimme in mir weiterhin zu unterdrücken, die mir sagte, dass wir dabei waren mit voller Geschwindigkeit auf eine Wand zu zu rasen.

»Ja.« Mehr konnte ich einfach nicht sagen ohne gegebenenfalls vor ihr in Tränen auszubrechen. Ich wusste, dass ich mit meinem Verhalten Derek gegenüber auch sie und die anderen verlor, immerhin waren Holly, Ryan, Maybelle und Derek schon eine Einheit gewesen bevor Jason und ich dazu gestoßen waren. Darüber hinaus war May Dereks beste Freundin. Also war mir durchaus bewusst, dass ich nach dem gestrigen Abend vollkommen alleine dastehen würde.

Ich straffte die Schultern und versuchte den letzten Rest meiner Selbst zusammen zu kratzen und erst in meinem Zimmer zu zerbrechen. Ich musste einfach den Anschein erwecken, dass alles in Ordnung war.

»Du hast ihn verletzt.« Als ob ich das nicht wusste.

Der Gedanke daran wie Derek sich fühlen musste, sorgte dafür, dass sich mein Magen schmerzhaft zusammen zog. Ich wollte ihm nicht wehtun, doch hätte ich gestern Abend nicht die Notbremse gezogen, wäre es für uns beide nur noch schlimmer geworden. Wenn man erst einmal tief in allem verwurzelt war, fühlte sich ein Cut an als würde etwas Lebensnotwendiges abgeschnitten werden. Irgendwann würde Derek es verstehen, das hoffte ich zumindest.

»Ich gehe ins Bett«, verkündete ich. Weiterhin darum bemüht meine Fassade aufrecht zu erhalten. Ich wollte nicht reden, nicht mit Holly. Ich wollte nur in mein Zimmer gehen, mich in mein Bett legen und in Selbstmitleid zerfließen und das tat ich auch.

Holly hatte noch versucht mich aufzuhalten, doch nachdem ich meine Tür vor ihrer Nase geschlossen hatte, waren ihre Versuche recht schnell versiegt. Nun lag ich also hier in meinem Zimmer und konnte beim besten Willen nicht einschlafen, doch das hatte ich verdient. Ich hatte all diese schrecklichen Gefühle verdient, die in mir herumschwirrten.

Dennoch griff ich schon nach einer halben Stunde, nachdem ich mich ins Bett gelegt hatte, resigniert nach meinem Handy und wählte die Nummer von meinem Dad. Ich musste jetzt einfach seine Stimme hören, die mir sagte, dass irgendwann alles wieder gut werden würde.

»Hey Mäuschen«, sagte Dad überrascht als er ein paar Sekunden später ans Telefon ging. »Was ist passiert?« Mein Vater wusste sofort, dass etwas nicht stimmen konnte, denn erstens war es viel zu spät beziehungsweise zu früh für einen Anruf und zweitens wusste er, dass ich telefonieren hasste.

Ich schniefte kurz, da ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Es ging einfach nicht, nicht wenn mein Dad am anderen Ende des Telefons war.

»Warum bin ich so verkorkst Dad?«, fragte ich mit leiser Stimme ehe ich begann ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Angefangen bei der Lüge, die ich Mom aufgetischt hatte bis hin zu den Erlebnissen der letzten Tage. Ich ließ nichts aus und mein Vater hörte ruhig zu bis ich ihm alles berichtet hatte.

»Ach Schätzchen«, begann Dad und klang dabei so mitfühlend, dass ich erneut zu schlurzen begann. »Nicht jede Beziehung endet wie die von deiner Mutter und mir«, erklärte er mir mit ruhiger Stimme. »Deine Mom und ich waren eben nur für eine gewisse Zeit dafür bestimmt zusammen zu sein und das bereue ich nicht.«

»Nein?«, fragte ich erstaunt. Ich hatte immer angenommen, dass er die Zeit mit meiner Mom und was danach passiert war, bedauerte.

»Wie könnte ich? Unsere Ehe hat dich hervorgebracht und dafür bin ich wahnsinnig dankbar.« Kurz breitete sich eine Stille zwischen uns aus, die aber kurz darauf auch schon wieder von meinem Dad unterbrochen wurde.

»Eine Trennung tut immer weh, dass will ich gar nicht bestreiten, aber im Nachhinein glaube ich nicht, dass es bei deiner Mom und mir die große Liebe war. Vielleicht waren wir einfach nur dazu bestimmt dich auf die Welt zubringen.«

Ich musste die Worte von meinem Dad erst einmal sacken lassen. Bisher dachte ich immer, dass das, was meine Eltern hatte die große Liebe gewesen war. Das sie genauso verlaufen musste und nie in einem Happy End endete, doch anscheinend hatte ich mich da geirrt.

»Du warst noch nie gut darin andere an dich heran zu lassen, doch ich hatte gedacht, dass sich das vielleicht ändern würde, wenn du auf dem College bist und weg von dieser verkorksten Situation hier.« Ich hörte wie mein Dad die Luft aus seinen Lungen entließ und sich ein paar Sekunden nahm bevor er weitersprach. »Ich hätte früher mit dir über diese Sachen reden sollen Kleines. Es tut mir leid.«

»Dad...«, versuchte ich ihn zu unterbrechen, da er ihn in meinen Augen überhaupt keine Schuld traf. Allerdings ließ er es nicht zu und redete einfach weiter. »Du magst diesen Derek doch oder?«

»Ja, aber was ist...«

»Dann gibt es auch kein Aber. Die Liebe ist nicht immer einfach, dass ist ein Fakt, doch sie ist es immer wert für sie zu kämpfen. Sei es nun für immer oder nicht. Du solltest nicht zu viel an das Was-wäre-wenn denken, dass tut dir nicht gut.«

Ich wusste selber, dass ich mir manchmal viel so sehr Gedanken über die Zukunft machte und alles pessimistisch sah, aber wenn man genau das tat, dann konnte man am Ende nicht enttäuscht werden von niemanden. Nicht einmal von sich selbst.

Plötzlich ging meine Zimmertür auf und als ich mich umdrehte, stand Derek im Türrahmen. Verwirrt blinzelte ich. Das konnte doch unmöglich er sein. Was tat er hier? War er überhaupt real oder phantasierte ich ihn mir gerade herbei? Nein, er war echt, da war ich mir hundertprozentig sicher, doch ich verstand es nicht.

»Dad, er ist hier«, sagte ich benommen und mit leiser Stimme, denn ich konnte immer noch nicht fassen, was ich sah. »Gut, dann rede mit ihm und erzähle ihm alles, was du mir gesagt hast.« Für einen kurzen Moment hielt er inne. Es schien als müsste er erst überlegen, was er als nächstes sagen sollte.

»Du bedeutest ihm etwas, sonst wäre er nicht wieder da Schätzchen.« Dann legte Dad auf und Derek und ich waren komplett alleine.

»Was... was tust du hier?«

The Christmas DateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt