06.12

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Derek

Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, den gestrigen Abend nicht genossen zu haben. Es war ein großartiger Abend gewesen und heute würde mit Sicherheit genauso gut werden, wenn nicht sogar besser. Ich hatte nämlich das Gefühl, dass jeder neue Tag mit Rose den vorherigen übertraf.

Nervös wartete ich am Eingang des Weihnachtsmarkts bis Rose auftauchte. Mit Argusaugen beobachte ich sie wie sie auf mich zu geschlendert kam und bemerkte dabei, dass sie eine neue Jacke hatte. Normalerweise würde mich das nicht stören, gerade bei den immer weiter sinkenden Temperaturen war es eigentlich gut, dass sie jetzt eine wärmere Jacke hatte, dennoch hätte sie meinetwegen gerne bis morgen mit der Anschaffung warten können.

»Was ist los?«, fragte Rose als ich sie weiterhin nachdenklich musterte. »Du siehst aus als hätte man dir dein Lieblingsspielzeug geklaut.« Der Vergleich war gar nicht mal so verkehrt, auch wenn ich Rose nie als Spielzeug bezeichnen würde. Keine Frau sollte jemals so betitelt werden von niemanden.

»Du hast eine neue Jacke.«

»Gut erkannt Sherlock.« Belustigung spiegelte sich in ihrer Miene wider und es schien so als ob ihr das hier gerade viel zu gut gefiel.

»Wird dir in der Jacke kalt werde?« Ich ignorierte die Stimme in meinem Kopf, die mir verriet, dass ich ich mich gerade zum Narren machte und zog stattdessen fragend eine Augenbraue hoch.

»Vermutlich nicht, aber ich könnte so tun als ob, wenn es dir damit besser geht.« Was für ein kluges Mädchen sie doch war.

»Komm her«, forderte ich Rose auf. Ich wollte meinen Begrüßungskuss und es war mir egal, wer uns dabei hätte sehen können. Mich interessierten die Menschen nicht, die an uns vorbei gingen, um sich auf dem Weihnachtsmarkt zu amüsieren. Das Einzige, was zählte, stand direkt vor mir und sorgte dafür, dass ich mich wieder wie ein Teenager fühlte, der zum ersten Mal verliebt war.

Man sollte zwar meinen, dass die Stimmung zwischen uns irgendwie angespannt oder unangenehm sein sollte nachdem wir gestern weder über den Kuss noch über die Tatsache geredet hatten, dass wir beide den Verstand verloren wegen des jeweils anderen, allerdings war dem nicht so. Alles fühlte sich normal an. Jedenfalls so normal wie möglich, wenn einem jede Sekunde drohte das Herz aus der Brust zu springen.

Rose machte noch einen kleinen Schritt auf mich zu und bevor sie weitere kleine Schritte machen konnte, die mir definitiv zu lange gedauert hätten, schlang ich meinen rechten Arm um ihre Taille und zog sie an mich. Eine Strähne ihrer rot-orangenen Haares fiel ihr in s Gesicht und sachte strich ich ihr die Locke hinters Ohr. Anschließend neigte ich endlich meinen Kopf nach unten und drückte meine Lippen für einen kurzen Moment auf ihre. Alleine dieser relativ flüchtige Kuss löste ein warmes wohliges Gefühl in mir aus und am liebsten hätte ich sie noch einmal geküsst. Mir war jedoch klar, dass wir unser Date knicken könnten, wenn wir uns nicht unverzüglich auf den Weg machten.

Die Eislaufbahn war voll mit Einwohner von Campbell Rock und wahrscheinlich auch dem ein oder anderem Touristen. Dennoch manövrierte ich Rose zu der kleinen Holzhütte, die neben der Bahn aufgebaut worden war und wo wir uns unsere Schlittschuhe leihen konnten.

Es war jedes Jahr das gleiche Spiel. Die Eislaufbahn wurde am Nikolaustag, also heute, eröffnet und egal ob alt oder jung fast jeder kam an diesem Tag hier her.

Ich hatte mich schon den ganzen Tag auf den Abend gefreut. Schlittschuhlaufen gehörte für mich immerhin zur Winter- und vor allem zur Weihnachtszeit dazu. Ich erinnerte mich noch gut daran als mein Dad mich zum ersten Mal mit zur Bahn genommen und mir beigebracht hatte wie man auf den Kufen fuhr. Es war ein großartiger Tag gewesen und ich wusste, dass ich genau dasselbe irgendwann auch gerne mit meine Kindern einmal machen würde.

»Ich bin seit meiner Kindheit nicht mehr Schlittschuh gelaufen und auch da nur einmal.« Überrascht sah ich Rose an. Ich konnte es einfach nicht glauben, dass es Menschen gab, die nicht regelmäßig in ihrer Kindheit auf Kufen gestanden hatten. Warum hatten die Eltern sowas zu gelassen?

»Meine Mom hatte immer Angst, dass ich mir etwas brechen könnte«, kam prompt Rose Erklärung und eigentlich hätte ich mir denken sollen, dass schon wieder ihre Mutter daran Schuld war. »Es wäre ja eine Untat gewesen, wenn ich meinen Arm verletzt und somit nicht hätte Geige spielen können. Die ganzen Auftritte, die meine Mutter dann hätte absagen müssen. Nicht auszudenken, was ihre Freundinnen darüber gedacht hätte.« Neben dem eindeutigen Sarkasmus in ihrer Stimme erkannte ich einen kleinen Hauch von Wehmut. Ich hasste es, wie Roses Mutter sie behandelte. Rose hatte etwas so viel besseres verdient.

»Dann ist es ja gut, dass du mich hast«, sagte ich entschieden und lächelte sie dabei an. Ich würde dafür sorgen, dass sie das verdammt beste Weihnachten bekam, was unter den gegebenen Umständen möglich war. Und wenn schon nicht Weihnachten der Hammer werden würde, dann auf jeden Fall die Zeit davor.

Ich zog sie an mich und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. Rose war fast zwei Köpfe kleiner als ich und machte es mir dementsprechend leicht diese Geste zu vollführen, das änderte aber nichts an ihrer Bedeutung für mich.

Nachdem ich es geschafft hatte mich wieder von ihr zu lösen, verflochte ich unsere Finger miteinander, lächelte sie noch einmal an und betrat dann mit ihr die Hütte.

Wenig später standen wir auf dem Eis. Rose eher etwas wackelig, doch das gab mir die perfekte Ausrede um sie an der Hüfte zu packen und an mich zu ziehen. Ich wollte schließlich nicht, dass sie fiel und handelte hier eigentlich ganz uneigennützig.

Ihr Rücken presste sich gegen meine Brust und ich merkte, dass sie total angespannt war. Sie hatte Angst, dass merkte ich und doch machte sie keinen Rückzieher, wofür ich sie gleich noch mehr bewunderte.

Ich legte mein Kinn auf ihre Schulter damit sie mich über den ganzen Trubel um uns herum auch gut verstehen konnte. »Ich habe dich und ich lass dich nicht los«, versicherte ich ihr und verstärkte meinen Griff noch ein klein wenig, um ihr meine Worte zu verdeutlichen.

Langsam bewegte ich einen Schlittschuh nach dem anderen und schob Rose vor mir her. Sie musste nichts weiter tun als mir zu vertrauen und wie es aussah, tat sie das auch nach und nach immer mehr. Ihre Anspannung wich aus ihren Knochen und nach ein paar Runden in denen sie versucht hatte selber die Kufen übers Eis zu bewegen, hielt ich sie nur noch an der Hand fest. Sie lernte schnell, um nicht zu sagen ein wenig zu schnell, denn auch wenn ich es liebte ihre Hand zu halten, fehlte mir die vorherige Nähe. Nichtsdestotrotz fand ich es schön allen zu demonstrieren, dass wir zueinander gehörten, auch wenn dass nicht so wirklich offiziell war.

Rose strahlte über das ganze Gesicht als wir unsere Schlittschuhe wieder abgaben und ich sie über den Weihnachtsmarkt führte. Ihr grinsen ging von einem Ohr zum Anderen und erreicht auch ihre Augen. Das Blau blitze mir fröhlich entgegen als ich sie für einen Moment einfach nur ansah und das Hier und Jetzt genoss.

Vor einem Stand mit gebrannten Mandeln machten wir Halt und ich kaufte für uns beide eine Packung. Bevor der Verkäufer sie mir allerdings aushändigte, zeigte er auf einen Punkt über uns. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und erkannte, dass direkt über unseren Köpfen ein Mistelzweig hing.

»Erst ein Kuss dann bekommt ihr eure Mandeln«, verkündete der Verkäufer während aus seinem Radio irgendein Weihnachtssong trällerte, der jedes Jahr um diese Zeit gespielt wurde. Ich konzentrierte mich nicht länger darauf den Song zu identifizieren, sondern beugte mich zu Rose runter und küsste sie.

Im Gegensatz zu unserem Begrüßungskuss von vorhin, ließ ich aber nicht so schnell wieder von ihr ab. Ihre weichen Lippen fühlten sich einfach zu gut auf meinen an und ich genoss es viel zu sehr, um den Kuss gleich wieder zu beenden. Mein Arm schob sich um ihre Taille herum und drückte sie an meine Seite, wo sie meiner Meinung nach auch definitiv hingehörte.

Erst als der Verkäufer sich räusperte, löste ich mich wieder von Rose und nahm die Mandeln entgegen. 

The Christmas DateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt