❄Sieben❄ How to get your shit together: Sei eine Snitch

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Hoseok

"Stop, Jimin", unterbrach ich erst mal seinen kleinen Monolog gegen sich selbst.
"Du gehst das falsch an. Zu weich. Erst einmal bietest du deinem Vater die Stirn, denn das was er da mit dir macht, dass kann er nicht bringen. Und alle Waffen, die du brauchst, um ihn fertig zu machen, hast du bereits in der Hand."
Jimin schüttelte den Kopf, und neue Tränen suchten sich den Weg Gesicht. 

"Doch", widersprach ich leise seinem stummen Einwand. "Vergiss, dass er dein Vater ist, und hol dir was, dir zusteht. Schließlich hat er auch vergessen, dass du sein Sohn bist."
Jimin schluchzte nur wieder.
"Ich kann nicht", erwiderte er erstickt, "und ich wüsste auch nichts, was ich tun könnte."

Na, das war doch mein Stichwort. 

"Du kannst, Jimin. Nach allem was er dir angetan hat, hast du wie gesagt auch alles, was du brauchst. Schreib ihm einfach, dass die Einfrierung deines Kontos leider für so einen finanziellen Engpass sorgt, dass du dich bald gezwungen siehst, mit der von allen geliebten Sonntagszeitung über deine missliche Lage zu sprechen. Was glaubst du, wie schnell dein Konto frei ist?"
Wir waren im 21. Jahrhundert. Persönliche Vendetta wurden nicht mehr bei Sonnenaufgang mit einem Colt geregelt, nein, wir hatten die Medien. Die waren zuweilen viel schlimmer als jeder Colt. Jimin sah mich überlegend an, und ich konnte es hinter seiner Stirn rattern sehen, als er langsam begriff, welche Tragweite das alles haben könnte.

"Ein Sohn, verstoßen um die Weihnachtszeit, auf die Straße gesetzt im Sturm, dem Tod überlassen von seinem herzlosen, prominenten Vater", malte ich das ganze aus und ließ es kurz wirken.
"Die Medien lieben sowas. Sie würden dir so viel Geld geben, nur um diesen Skandal drucken zu können. Und dein Vater gibt dir umso mehr, damit keiner Wind davon bekommt. Das wäre ein PR Schaden, von dem er sich nie mehr erholt."
Jimin runzelte die Stirn. Vielleicht ging ihm allmählich auf, wo das hinführte, und wahrscheinlich wurde ihm schon bei der Vorstellung schlecht, denn er war einfach nicht wie ich. 

Wenn man mich erst mal zum Feind hatte, dann hielten sich meine Skrupel ein bisschen in Grenzen. Wie gesagt: Eigentlich bin auch total weich ... bis eben auf den kleinen, steinharten Evil Core, ganz tief drin. Vielleicht sollte ich mich für ihn schämen, aber dann sah ich mir die Welt wieder an, und mir wurde klar, dass man eben nicht immer nett sein konnte. So war das Leben. So war die Menschheit. Manchmal musste man ein Schwein sein, wollte man nicht vor die Hunde gehen. Jimin und ich hatten hatte mehr oder weniger das Gleiche durch, und wenn wir uns ansahen, wer von uns beiden das Orangenbäumchen hatte, dann stimmte mein Erfolg mir wohl zu.

"Zumal wir im 21. Jahrhundert sind", fuhr ich locker fort, "einen LGBT+ Skandal, oh glaub mir, das will er nicht."
Jap, das kam noch obendrauf. Die Akzeptanz stieg immer weiter, und man musste nur zur richtigem Stelle laufen, dann hatte man auch noch ein Arsch voll Aktivisten an der Hand, die einem halfen, das Ansehen des Vaters in den Boden zu stampfen. 

"Er stopft ihnen einfach mit Geld das Maul, und schon hört mir keiner mehr zu", widersprach mir Jimin schwach, und ich seufzte leise. Ich konnte verstehen, dass er Angst hatte, dass dies nach hinten losging, aber wenn alle Stricke reißen sollten, dann hatte er ja jetzt mich.

"Oh, nein, glaub mir, der Plan ist approved und meine Mutter ist reicher als dein Vater."
Ich strich ihm wieder durchs Haar. Meine Mutter hatte damals auch zunächst Widerstand gezeigt, doch kaum hatte ich bei einer kleinen Zeitung angefangen zu reden, war sie eingeknickt. Sie hatte tatsächlich auch der Zeitung damals das Maul gestopft, aber eben nicht, ohne mir zu geben, was ich verlangte, damit auch ich meine Klappe hielt. 

"Kein CEO will einen Skandal", sagte ich sanft, "und dein Vater weiß, dass jede Zeitung danach lechzt und du schnell eine finden würdest, die die Sache mit Kusshand nimmt. So oder so gehst du mit einer ordentlichen Stange Geld raus, und mit der kannst du dann gerne auch zu mir kommen, denn zum Thema Finanzheini: Ich bin einer."
Ich konnte mir gerne ansehen, wie man Jimin in eine stabile finanzielle Lage bekam, und ich würde es ihm nicht mal in Rechnung stellen, einfach weil ich ihn mochte und er genug durch hatte. 

"Du darfst dir das alles nicht gefallen lassen. Auch was deinen Abschluss angeht, ist das, was er da anstellt, absolut illegal. Ein kleiner Brief von einem Anwalt, und er schickt dir das Ding in einem goldenen Umschlag."
Selbst, wenn er also Skrupel haben sollte, seinem Vater zu drohen, so konnte man wenigstens das in Angriff nehmen und ihn aus dem Würgegriff seines Vaters befreien.

"Aber..." Jimin biss sich kurz auf seine volle Unterlippe. Seine Lippen waren noch immer rau, doch sie glänzten jetzt, denn ich hatte sie höchstpersönlich vor einer halben Stunden mit dem versprochenen Melkfett eingeschmiert. Außerdem wanderten meine Gedanken noch in ganz andere Ecken, wenn ich mir seine Lippen so durch den Kopf gehen ließ. Himmel, er sollte bitte aufhören, sich auf die Lippen zu beißen, ich musste mich hier konzentrieren. Jimin schenkte mir einen unsicheren Blick. 

"Ich kann doch nicht meine Familie bedrohen...?"
Da waren die Skrupel ja auch schon.
"Diese sogenannte Familie hat dich zu einem Obdachlosen gemacht, dir dann deinen Bildungsnachweis verwehrt und deine Konten gesperrt, damit es auch ja so bleibt. Was, wenn du heute erfroren wärst? Dann hätten sie dich getötet", erwiderte ich und seufzte. 

"Löse dich davon. Dein Vater ist ein furchtbarer Mann. Er macht das alles, um dich zu brechen, damit du zu der Überzeugung gelangst, dass du nichts ohne ihn bist. Das ist kein guter Vater. Du musst jetzt auf dich achten. Der wichtigste Mensch in deinem Leben musst du selbst sein, verstehst du das, Jimin? Du musst dich selbst beschützen und schauen, dass du mit dem Arsch an die Wand kommst. Rücksicht zu nehmen auf jemanden, dem du egal bist, und dafür hinzunehmen, dass du unter einer Brücke eingehst, ist der falsche Weg."
Ich konnte sehen, wie sich wieder Tränen in seinen Augen bildeten. Er wirkte so verloren. 

"Aber es ist ja auch gar nicht mein Konto, sondern seins", erwiderte er. "Und er hat ja recht, ich bin nichts ohne ihn."
Ich schüttelte den Kopf.
"Du bist alles ohne ihn, er spielt dir nur übel mit, ohne mit der Wimper zu zucken", erwiderte ich sanft. Jimin musste das verstehen, und sicher würde er das auch. Das wird sich alles regeln. 

"Wir können ohnehin davon ausgehen, dass das alles auch eine bloße Drohung ist und bleibt, denn dein Vater wäre dämlich, würde er, nach dem er schuld an mehren Monaten Leid ist, es drauf ankommen lassen und pokern. Er ist aber nicht dämlich. Offensichtlich. Schließlich weiß er, wie man Leute fertig macht", erklärte ich besonnen. Ich lächelte ihm aufmunternd zu und drückte ihm einen Kuss auf sein Haar. 

"Ich helfe dir, okay? Sieh mal: Du hast dein Studium selbst bestanden. Du hast gearbeitet für deinen Vater, dir damit, ob er will oder nicht, Lohn verdient. Du hast Dinge geleistet. Lass dir das nicht wegnehmen."

Jimin schwieg ein paar Sekunden. Ich konnte mir vorstellen, dass der ganze Plan ihm nicht geheuer war und das sicher auch nicht seiner freundlichen Art entsprach, weshalb er sich das sicher noch einige Zeit durch den Kopf gehen lassen musste. Doch ich konnte spüren, dass mein leidenschaftliches Auftreten dafür sorgte, dass er nach vorne schaute. Ob er es wollte oder nicht: Ich bot ihm nach Monaten, die er auf sich alleine gestellt auf der Straße gestrandet war, endlich seinen Weg von dieser runter und so Unterstützung und Zuspruch, den er so dringend brauchte. Er bestätigte meine Vermutung, als er sich an meine Hand kuschelte und sagte: "Du bist der freundlichste Mensch, dem ich je begegnet bin."

Ihja, lass deinen Vater plätten, ich bin so freundlich. Er lachte leise. 

"Also vielleicht bis auf ziemlich fiese Pläne gegen homophobe Eltern", meinte er, als hätte er den Gedanken gehört. Ich lachte leise und zuckte mit den Schultern.
"Es dauert zwar eine Weile, aber wenn man mir echt an die Karre pinkelt, dann kann ich auch anders."
Jimin nickte.
"Ich werds mir merken", meinte er und wurde still.

"Tut mir leid", meinte er dann plötzlich und atmete zittrig durch, "normalerweise behalte ich sowas für mich. Ich weiß auch nicht, was los ist."
Er setzte sich auf und sah mich an. 

"Ich vertrage offensichtlich keinen Amaretto", meinte er zerknirscht.
Ich strich ihm erneut mir den Fingerspitzen über seine gerötete Wange.
"Es ist Weihnachten, du bist angetrunken", meinte ich, "außerdem hast du viel durch. Also bist du sentimental und traurig."
Ich sah ihn an und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast."

Jimin wischte sich die letzten Tränen von den Wangen.
"Danke, Hoseok. Trotzdem höre ich mal auf, auf deinen Schoß zu weinen, das ist ja erbärmlich", meinte er und sah auf seine Knie. Ich drehte sein Gesicht sanft aber bestimmt zu mir.

"Du kannst jederzeit auf meinen Schoß weinen, Jimin."


An Unexpected GiftWhere stories live. Discover now