Kapitel 1

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Sezuna atmete tief ein und aus, während sie spürte, wie das Kleid, das sie trug, über ihrer Brust spannte. Die Kleidung war edel, aber wenig raffiniert. Bis auf das sehr schön verzierte Korsett, war der Stoff schlicht. Dennoch fragte sie sich, warum sie so etwas tragen musste.

Das schwarze Haar, das ein wenig ausgewaschen aussah und welches sie seit einiger Zeit kurz trug, war mit einigen Spangen fixiert, damit ihr die Haare nicht in die Augen hingen. Dennoch fand sie, dass sie nicht die Erscheinung eines Dienstmädchens machte. Und dabei sollte sie das doch sein. Das Mädchen für alles, für einen Engel.

Sezuna seufzte. Wie hatte es nur so weit kommen können? Sie war aus ihrer Heimat weggerannt und wollte nur das Territorium der Engel durchqueren. Hätte sie gewusst, dass diese ihre Grenzen geschlossen hatten und auch so gut bewachten, wäre sie einen anderen Weg gegangen. Es war Glück gewesen, dass sie auf diesen Engel getroffen war, dass wusste sie. Statt sie den Erzengeln auszuliefern, die sie ohne Zweifel für ihr Vergehen hinrichten lassen würden, hatte er ihr angeboten einhundert Jahre für ihn zu arbeiten.

Wenn sie ehrlich war, kam ihr das ganz gelegen. Hier würde sie niemand erwarten und sicher auch nicht suchen. Vor allem, da Fremde hier nicht willkommen waren. Also war sie sicher. Doch hundert Jahre waren eine lange Zeit. Zeit, die sie eigentlich nicht hatte. Aber im Moment fehlte ihr auch die Alternative. Dennoch wusste sie nicht, was sie wegen ihrer Schwester tun sollte. Diese war immerhin auch noch irgendwo da draußen.

Noch einmal atmete Sezuna tief durch, besah sich mit ihren goldenen Augen im Spiegel, bevor sie das Badezimmer verließ und mit unruhigen Schritten auf ihren neuen Herrn zutrat. Sie kannte die Regeln der Dienstmädchen und so hielt sie den Blick gesenkt, auch wenn es gegen ihre Erziehung sprach. Als Kind hatte sie viel mit Dienstmädchen zutun gehabt und hatte selbst welche. Dennoch war nicht klar, wie diese hier behandelt wurden.

Obwohl Engel als reine, majestätische Geschöpfe angesehen wurden, wusste Sezuna, dass Alter grausam machte. Dabei war die Rasse egal. Die jungen Engel mochten naiv, schüchtern und hilfsbereit sein, doch gerade die Erzengel galten als kalt und berechnend. Ein Grund, warum Sezuna leichte Angst verspürte, als sie auf Sephiroth zutrat, um weitere Anweisungen zu erhalten. Durch ihre Heimat wusste sie, wie grausam ältere Wesen sein konnten. Bei den Vampiren lag der Blutrausch immer unter der Oberfläche und je älter man wurde, desto stärker wuchs der Drang nach Grausamkeiten. Bei Sezuna lag dieser Drang noch sehr tief verborgen. Sie war noch nicht lange dem Kindesalter entwachsen und zur Frau geworden. Sezuna hatte noch Jahre Zeit, bevor der Blutrausch und die Lust nach Schmerzen und Tod in ihr erwachen würde. Noch war sie in dieser Richtung sehr sensibel.

Der Engel mit den violetten, langen Haaren lehnte in einem Sessel, der für seine Engelsflügel gemacht war und nippte an seinem Rotwein. Seine violetten Augen hoben sich und musterten die junge Frau.

Es war nicht ihr Aussehen, das ihn zu dieser Entscheidung verleitet hatte. Ihr Körper war recht klein, wenn auch deutlich der einer Frau. Doch er stand eigentlich auf große Brüste und breite Hüften. Beides nichts, was sie aufwies. Dafür war es der Geschmack ihrer Gefühle, der sie neugierig machte.

Als Engel ernährte er sich von eben jenen und für ihn schmeckte nicht nur jede Emotion anders. Angst konnte bei einer Person einen bitteren Geschmack auf seinem Gaumen hinterlassen und bei der nächsten schmeckte sie schon wieder süß.

Bei dieser Frau war es ähnlich. Als sie ihm in die Arme gerannt war, hatte sie erschrocken gewirkt und später, als er ihr erzählt hatte, was man mit Leuten wie ihr machte, hatte sie eindeutig Angst gehabt. Doch beide Gefühle hatte in ihm keinen Würgereiz ausgelöst. Etwas, was er so bisher nicht kannte. Es machte ihm Sorgen, denn auf negative Gefühle reagierte er im Grunde sehr sensibel. Daher hatte er sich spontan dazu entschieden sie nicht auszuliefern und ihr stattdessen die Möglichkeit zu geben, durch einen hundertjährigen Vertrag der lebenslangen Versklavung zu entgehen. Gerade ihrer Rasse gegenüber waren einige Engel sehr feindlich eingestellt, obwohl es dafür kaum einen Grund gab.

Sephiroth folgte lieber dem Leitbild seiner verstorbenen Mutter. Leben und leben lassen. Das galt auch für die Rasse der Vampire, der man nachsagte, grausam und skrupellos zu sein. Doch das konnte man auch von einigen Engeln sagen.

Musternd ließ er seinen Blick über die junge Frau wandern und spürte nach ihren Gefühlen. Sie war nervös und ein wenig ängstlich, doch das war für jemanden in ihrer Position nichts Ungewöhnliches.

Sephiroth stellte das Glas Wein auf den Tisch ab und erhob sich, bevor er langsam auf sie zu trat. Vorsichtig hob er seine Hand und strich damit durch das kurze Haar, um es zu betrachten. Das Schwarz wirkte ungepflegt und fühlte sich ein wenig strohig an. Außerdem störte ihn die Farbe, denn sie wirkte nicht natürlich. Im Gegensatz zum Rest.

Die Haut, die wie dunkle Schokolade aussah, war rein und als er diese mit den Fingern berührte, spürte er die Sanftheit. Sie war also gesund. Wie kam es dann, dass ihr Haar so kaputt war? Sollte er sie doch noch einmal von seiner Ärztin untersuchen lassen?

Sezuna zuckte und machte eine leichte, ausweichende Bewegung nach hinten, um sich seinen Fingern zu entziehen. Sie stand nicht darauf ungefragt angefasst zu werden, auch wenn sie nicht das Gefühl hatte, dass er sie drängte. Es wirkte stattdessen sehr natürlich. Und mit seinem Aussehen war er wahrscheinlich ein Frauenschwarm. Aber Engel waren generell sehr schöne Wesen. Früher hatte Sezuna gerne die Engel am Himmel beobachtet. Zu einer Zeit, in der sie sich noch nicht in ihr Reich zurückgezogen hatten. Da war sie noch ein kleines Mädchen gewesen.

Sephiroth zog sich ein wenig von ihr zurück. Es lag ihn fern sie auf diese Art zu verschrecken. Immerhin wollte er noch ein wenig Spaß mit ihr haben, ohne dass sie das Gefühl haben sollte, dass er sie nur flachlegen wollte. Denn das war nicht in seinem Interesse. Auch wenn das Ziel durchaus bestand.

„Bevor ich damit anfange eine Aufgabe für dich zu finden, wirst du mich begleiten", erklärte er plötzlich und legte seine Flügel eng an seinen Rücken an, obwohl er sie vorher ein wenig geöffnet hatte. Wahrscheinlich eine legere Haltung, die Sezuna jedoch faszinierte. Sie konnte schon die ganze Zeit nicht anders, als auf seine Flügel zu schielen. Dennoch versuchte sie den Blick gesenkt zu halten.

Sephiroth musterte sie und schüttelte dann leicht den Kopf, um erneut an sie heranzutreten. Seine Hand hob sich erneut, doch dieses Mal legte er einen Finger unter ihr Kinn, um es nach oben zu drücken. „Kopf hoch. Du brauchst nicht so demütig zu schauen, ich fresse dich nicht", erklärte er fast schon belustigt.

Verwirrt hob Sezuna ihren Kopf und dann ihren goldenen Blick, bevor sie ein wenig fragend den Kopf schieflegte. Bei ihrer ersten Begegnung hatte er einen sehr gefährlichen Eindruck gemacht, den er irgendwie auch immer noch machte. Dennoch war da etwas anderes an ihm, dass ihn weniger abschreckend wirken ließ. Aber immer noch gefährlich. Engel waren stärker als Vampire, das war kein Geheimnis.

„Wohin werden wir gehen?", fragte Sezuna vorsichtig, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob das eine gute Idee war. Sie wusste immerhin nicht, in welcher Position sie war. Und die Macht, die dieser Engel ausstrahlte, schüchterte sie ein.

„Das wirst du sehen, sobald wir da sind", erklärte er verheißungsvoll und reichte Sezuna schließlich einen Arm, welche von der jungen Frau skeptisch gemustert wurde.

Zögerlich griff sie danach und hakte sich bei ihm unter. Vielleicht würde es gar nicht so schlecht werden, wie sie angenommen hatte. Zumindest schien er ihr nicht wehtun zu wollen und er wirkte auch sehr gesittet.

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Danke fürs lesen, ich hoffe es hat euch gefallen und ihr lasst mir einen Kommi da. Wenn ihr nicht wisst, was ihr schreiben sollt: Was glaubt ihr denn, wohin Sephiroth sie mitnehmen wird?

Werbung für die Story einer Freundin. Zurzeit meine Lieblingsgeschichte.

Linea_Lilling


EngelsliebeWhere stories live. Discover now