Nachdem ich in unserer WG geduscht und mir neue Klamotten angezogen hatte, schnappte ich mir meine Brille vom Schreibtisch und machte mich auf den Weg zu Ed's Diner.

Der Laden war im klassischen fünfziger- oder sechzigerjahre Stil gehalten. So genau kannte ich mich damit nicht aus, aber ich wusste, dass es hier den besten Burger von ganz Campbell Rock gab. Darum wunderte es mich auch überhaupt nicht, dass Rose sich ausgerechnet hier treffen wollte. Das Mädchen liebte Burger und dementsprechend liebte sie auch dieses Diner. Ich konnte das absolut nachvollziehen. Der Retro-Look bestehend aus einem schwarz-weiß gefliestem Boden, der an manchen Stellen von bunten Fliesen unterbrochen wurde, die einzelnen Sitzplätze, die farblich nicht zusammenzupassen schienen und es doch taten und der allgemeine Flair von Ed's Diner waren einfach toll.

Ich betrat das Diner ein wenig früher als ausgemacht war und ließ meinen Blick über die anwesenden Gäste schweifen bis er an Rose hängen blieb. Sie saß in einer Ecke des Raumes in der statt den üblichen Stühlen zwei rote Sitzbänke gegenüber von einander standen und durch einen Tisch in der Mitte getrennt wurden. Vor ihr stand bereits ein Vanillemilchshake, der von Schokolade durchzogen war, was mich ein wenig an eine Kuh erinnerte. Lächelnd näherte ich mich ihrem Tisch, denn obwohl mich das bevorstehende Gespräch nervös machte, freute ich mich wahnsinnig darüber sie zu sehen.

Neben dem Tisch blieb ich stehen und wartete darauf, dass sie aufstand damit ich sie zur Begrüßung umarmen konnte. Dann schlang ich meine Arme um Rose und drückte sie an mich. Wie immer behielt ich sie länger in meinen Armen wie notwendig war für eine Begrüßung. Doch ich genoss unsere Umarmungen dafür viel zu sehr als das ich sie hätte früher wieder freigeben können.

Irgendwann musste ich sie aber leider wieder loslassen damit es nicht all zu auffällig wurde. Also löste ich mich von ihr und nahm auf der anderen Sitzbank platz.

»Also, worüber wolltest du reden?«, fragte ich sie neugierig, nachdem wir unsere Bestellungen aufgegeben hatten, denn ich musste einfach wissen, worum es hier ging.

Nervös nahm Rose einen Schluck von ihrem Milchshake und fixierte dabei einen Punkt hinter mir, der wohl interessanter zu sein schien als ich. Dafür musterte ich sie wie immer ganz ungeniert.

Ihr rot-orangenes Haar fiel ihr in Wellen über die Schulter und endeten erst knapp unterhalb ihrer Brüste, was durch den Tisch nicht ganz so gut zu erkennen war. Allerdings hatte ich sie schon oft genug betrachtet, um zu wissen, dass ihre Strähnen genau bis dahin reichten. Mein Blick wanderte wieder hoch zu ihrem Gesicht und erneut fiel mir auf wie perfekt die Farbe ihres Haares die von ihren Augen betonte. Das Blau wirkte so ausdrucksstark, dass ich an manchen Tagen weiche Knie bekam, wenn ich Rose ansah. Sowohl auf der Nase als auch zum Teil auf ihren Wangen verteilten sich einzelne kleine Sommersprossen, die mittlerweile nur noch bei genauerer Betrachtung zu sehen waren. Meine Augen schweiften weiter zu ihrem Mund. Unzählige Male hatte ich mir vorgestellt wie er sich wohl auf meinem anfühlen würde, doch bisher wusste ich nicht wie richtig oder falsch meine Vorstellungen waren und hier im Diner wollte ich sicher nicht weiter darüber nachdenken. Darum war es besser Rose wieder in ihre wundervollen Augen zu gucken und herauszufinden worüber sie reden wollte.

Es vergingen einige Minuten ehe Rose sich dazu durchringen konnte mich anzusehen. In ihren Augen spiegelte sich Unsicherheit wieder und ihre Hände spielte mit der Servierte auf dem ihr Milchshake stand.

»Ich... ich wollte«, sie brach den Satz ab, atmete einmal durch und versuchte es dann erneut, nur um wieder inne zuhalten. Ich schwieg derweil und ließ ihr alle Zeit der Welt, auch wenn diese Ungewissheit, worum es hier ging, immer noch an mir nagte.

»Ich wollte dich um einen Gefallen bitten.« Ihre Stimme drang nur leise an mein Ohr und doch verstand ich, was sie gesagt hatte. Ermutigend sah ich Rose an damit sie weitersprach.

»Eventuell denkt meine Mutter, dass ich einen Freund hätte, was ich offensichtlich nicht habe und erwartet nun, dass ich ihn an Weihnachten mitbringe. Also bräuchte ich jemanden, der meinen Freund spielen würde und wollte dich fragen, ob du mir hilfst«, rasselte sie mit einem Mal runter als sei ein Knoten bei ihr geplatzt. Ich hingegen verstand noch nicht so recht, was das ganze überhaupt sollte. Bevor ich allerdings nachfragen konnte, um die Beweggründe für ihre Lüge zu erfahren, kam der Kellner mit unserem Essen.

Während wir aßen, erzählte Rose mir die ganze Geschichte und ich konnte gut verstehen, warum sie gelogen hatte. Wer wollte schon gerne von den eigenen Eltern verkuppelt werden? Ich glaube, da gab es auf der Welt niemanden, der das gut finden würde.

»Du willst also, dass ich deinen Fake-Freund spiele?«, harkte ich nach um sicher zu gehen, dass ich nach der ganzen Geschichte alles richtig aufgefasst hatte. Immer noch reichlich nervös sah Rose mich an und schien gar nicht zu bemerken wie sie mit den Fingern auf dem Tisch herum trommelte. Ich legte meine Hände auf ihre und blickte sie aufrichtig an ehe ich zu einer Antwort ansetzte.

»Ich helfe dir, aber ich habe ein paar Bedingungen.« Erleichtert ließ sie die Luft aus ihren Lungen entweichen bis sie meine Worte komplett registriert hatte. »Was für Bedingungen?«, fragte sie mich skeptisch und ich konnte es ihre nicht verübeln.

»Nichts schlimmes«, versuchte ich sie zu beruhigen, doch der skeptische Ausdruck in ihrem Gesicht blieb weiterhin bestehen. »Wenn ich deinen Freund spielen soll, dann machen wir das auch richtig.« Ihre Skepsis wich einem fragenden Ausdruck während ich weitersprach. »Ich meine, wir werden Händchenhalten, uns küssen und jeden Tag bis wir zu deinen Eltern fahren ein Date haben. Ich meine, deine Eltern sollen ja keinen Verdacht schöpfen, wenn wir nichts über einander wissen oder uns davor scheuen uns zu küssen« erklärte ich ihr meine Bedingungen. Zu gegeben, ganz uneigennützig waren sie nicht.

Die Aussicht jeden Tag mit Rose verabredet zu sein, gefiel mir ziemlich gut und vielleicht wurde nach dieser Zeit ja doch mehr aus uns. Wer konnte schon sagen wie sich die Dingen entwickeln würden? Allerdings wollte ich wenigstens die Chance, die sich mir gerade bot nutzen. Selbst wenn sie meine Bedingungen ablehnen würde.

»Vermutlich hast du recht. Wir müssen schließlich wirken als wären wir nicht gerade erst seit gestern zusammen«, willigte sie in meinen Vorschlag ein ehe sie kurz inne hielt und ein merkwürdiger Ausdruck über ihr Gesicht huschte.

»Was ist, wenn es uns so geht wie all den Leuten in den Liebesfilmen und Büchern? Was ist, wenn sich einer von uns wirklich verliebt?« Damit hatte ich jetzt überhaupt nicht gerechnet, doch insgeheim hoffte ich, dass genau das passieren würde.

»Falls es wirklich so kommen sollte, dann sind wir schlauer als all diese Charaktere und gestehen uns die Wahrheit ein.«

The Christmas DateWhere stories live. Discover now