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Heute war es so weit. Es war Freitag und die urdeutschen Wurzeln Bastians, zeigten sich: Wandern.

Ich wurde von der quirligen Camilla geweckt, als sie auf mich einschlug, und "Neece, Neece, Neeece, NEEEEEEEECE", brüllte. Ihre Kinderhände taten nicht wirklich weh, aber es gab mir immer eine Möglichkeit mehr mit ihr zu rangeln.
Echt mal, ich glaube wenn das Gästezimmer nicht so unbewohnt wäre, wären schon locker 'n paar Sachen kaputt gegangen, so oft wie wir in den letzten drei Tagen uns 'geprügelt' hatten.

Am Dienstag gleich nachdem ich ankam wollte wieder sie ein paar MMA Moves von mir lernen, und Kombos üben. Ich glaube sie ist mein größter Fan, soweit ich das sagen kann. Meine Schwester war dann immer die, die dann meinte "Passt auf, es ist gefährlich.", aber uns doch mit Bastian grinsend zuguckte. Bastian war ihr Ehemann.

Nachdem ich angekommen bin und ihr ein Paar Kombos beigebracht habe, fiel ich schlafend in mein Bett hinein.
Ab da hatte ich jeden Abend mit Jacob telefoniert. Es kam mir irgendwie total komisch vor mit ihm zu telefonieren, weil es einerseits sich so anfühlte wie mein bester Freund, andererseits würde mein Bauch nicht immer so heftig kribbeln, wenn es nur mein bester Freund wäre.

Jedenfalls unterhielten wir uns immer so, als würden wir uns seit Jahren nicht gesehen haben. Ich vermisste ihn. Er, wie es schien, auch mich.

Am Mittwoch hatten wir gleich Camillas Geburstag gefeiert und sind danach in einen Streichelzoo gegangen. Gestern waren wir in einem Abenteuerpark klettern, und haben dann abends Lasagnewettessen gemacht.

Sie hat gewonnen.

Nicht weil ich sie habe gewinnen lassen, sondern weil sie einfach auf Trocken die halbe Lasagne weggefressen hat. Scheiße alter, ich werde alt. Es kam mir so vor, als wäre ich ihre Mutter, weil sie mir so verdammt ähnlich sah und auch von der Persönlichkeit her irgendwie total nicht nach meiner Schwester oder Bastian ging.
Zum Glück wissen Frauen immer wenn sie Kinder kriegen.

Beide haben uns einfach nur Amüsiert zugeguckt, als wir zwei im Fresskoma auf unseren Stühlen hingen und nicht mehr reden konnten. Vor allem Camilla nicht, weil sie sonst wahrscheinlich ein paar Bröckel mit rausbefördern würde.
Schon krass wieviel so ein kleines, dürres Kind in sich reinstopfen kann. Normalerweise sagt man ja, Kinder können nicht so viel essen...

Aufjedendfall fiel ich danach fast schlafend ein, als ich mit Jacob telefonierte. Er meinte nur: "Warte bis sie 14 ist, dann packt sie die ganze Lasagne allein.", und lachte stumpf auf.

Nach dem Gespräch fiel ich tot um in mein Bett.

Naja und jetzt war ich gerade dabei der kleinen Camilla den Rear Naked Choke beizubringen, als Basti reinkam und stolz verkündete: "Na Kinder?", dabei guckte er vor allem mich an, "Heute geht's wandern!"
Alarmstufe Rot.

Ich schubste schnell Camilla von mir herunter und eilte ins Bad und schloss die Tür hinter mir. Während sie und ihr Vater mir nur verwundert hinterherschauten, kratzte sich meine Schwester verlegen am Kopf, als ich an ihr vorbeisprintete.
Ich setzte mich aufs Klo und öffnete sofort Tims Chat:

Ich: TIM!!!!
ALARMSTUFE ROT!!!!

Er antwortete nicht, also rief ich ihn direkt an. Ich klingelte so lange bis mir eine verschlafene Stimme "Neece?" in den Hörer lallte.

"Tim? Wir machen heute was zusammen! Ok? Ok!", sprach ich aufgeregt.

"Was? Ja von mir aus, aber musstest du mich so früh anrufen?", jammerte er verschlafen.

Ok zugegeben es war erst acht Uhr morgens, aber was konnte ich denn dafür?!

"Tim die wollen WANDERN GEHEN!!!", meinte ich verzweifelt.

"Was? Oh mein Gott. Ja komm rüber.", meinte er dann belustigt.

"Hä wo rüber?", fragte ich verdutzt.

"Ich dachte du hast es schon bemerkt?", meinte er lachend.

"Was bemerkt?"

"Wir sind Nachbarn, Mädel!"

"Was?!"

"Ja.... Meine Eltern wohnen halt neben deiner Schwester, was kann ich denn dafür?", sagte er neckend.

"Ok. 22 oder 24?"

"24."

"Alles klar ich komm in so ner Stunde, wenn ich fertig mit scheißen und essen bin.", sprach ich gelassen. Eigentlich freute ich mich wie nochwas, nicht wandern zu müssen, aber das sagte ich ihm natürlich nicht durch den Hörer.

"Aaaalles klaaaar...", kam von ihm etwas zögernd zurück.

"Ja bis denne!", verabschiedete isch mich.

"Tschüss?", ertönte aus meinem Handy und ich legte auf.
Ich war noch nie erleichteter.

Zugegeben, es fühlte sich komisch an, zu jemandem nach Hause zu gehen, wenn man ihn erst nur flüchtig kannte, aber er war mein einziger Leidensgenosse hier, und er sah nicht so aus als würde er mich abstechen wollen. Außerdem waren ja noch seine Eltern da.
Wenn was sein sollte würde ich sie als Geisel nehmen.

Ich machte mich fertig, und ging nun auch runter um mir etwas in meinen hungrigen Magen zu stopfen. Familie Fuchs saß mit geradem Rücken Tisch und aß gemütlich ihr Brot mit Käse und Schinken auf, während ich sie einfach alle etwas komisch beäugte. Würde ich es nicht besser wissen, würde ich meinen, dass sie alle richtige Spießer waren. Schließlich machte ich mir auch ein Brot und stopfte es in mich rein.

Wir saßen nun alle am Frühstückstisch und hatten aufgegessen. "Also wir hatten heute vor, etwas Wandern zu gehen.", verkündete Bastian fröhlich. "Oh neeeein", seufzte Camilla, das aus, was ich heute morgen schon gedacht hatte.
"Ehm ich komm nicht mit.", meinte ich dann aufgeregt. Alle Blicke richteten sich auf mich, außer der von meiner Schwester. Sie grinste nur kopfschüttelnd vor sich hin. "Ich treff' heute nen Kumpel in der Stadt.", erklärte ich. "Diesen Tim vom Bahnhof?", wollte meine Schwester interessiert wissen. "Ja genau.", antwortete ich freundlich. Meine Schwester wusste, dass ich nicht sonderlich Lust auf wandern hatte. "Und was macht ihr dann so?", hakte mein Schwager nach.

"Öhm keine Ahnung, wahrscheinlich bisschen in der Stadt rumbummeln und Sachen angucken, und essen und dann wieder nach Hause.", antwortete ich. "Hab ihn schon ewig nicht mehr getroffen.", log ich daraufhin.
"Na gut, dann wird's wohl ein Familienausflug, was?", deckte meine Schwester mich daraufhin freudig und schaute zu Camilla, die mich jetzt mit einem Killerblick musterte. Ihr war bewusst, dass sie nicht einfach so absagen konnte wie ich und ein schadenfrohes Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus.
Meine Schwester schien das bemerkt zu haben.
Also schielte sie zur Toilettentür hin um mir zu signalisieren, dass ich rennen soll, um mich schnell fertig zu machen.
Und das tat ich auch.
Ich rannte so schnell ich konnte hoch, holte meine Sachen und ging ins Bad um mich umzuziehen und mein Geschäft zu erledigen. Dann rannte ich genauso schnell in Leggings, Top und grünem Holzfällerhemd wieder runter und zog meine Schuhe an.
Als ich meinen Mantel in die Hand nahm kam die beleidigte Camilla herunter und schaute mich böse an.
Hinter ihr sah ich einen grinsenden Bastian, doch bevor er mich wahrscheinlich malwieder versuchte mit ihr zu überreden, nachbdem Motto: "Oooch guck mal wie traurig sie ist...", zog ich die Haustür auf.

"Iiiiich muss maaal.... wohin!", meinte ich hastig und rannte aus der Tür. Dann sprintete ich erst zur Hausnummer 22, bis mir eingefallen ist, dass Tim 24 gesagt hatte und rannte wieder zurück um dort zu klingeln.

Neece. ✔️ | #WaveAward2019 #GlamBookAward2019 #iceSplinters19Where stories live. Discover now