»Geht klar«, er lächelt, »ich muss sowieso noch was erledigen.«

»Wo musst du denn um diese Uhrzeit noch hin?«, frage ich mit einem Blick auf mein Handgelenk. 00:34.

Er seufzt. »Anscheinend gab es Probleme mit einer Lieferung der Firma, die hätte schon vor zwei Stunden ankommen sollen.«

Ich nicke verständnisvoll. Manchmal vergesse ich, dass er nun der Chef einer millionenschweren Firma ist. Klar, einiges erledigt noch sein Vater, aber nach und nach muss er das Ruder in die Hand nehmen. Er hat mir erzählt, sein Vater erwarte von ihm, dass er die Firma ein Jahr nach seinem Abschluss komplett übernimmt.

»Dann bis nachher, Schatz«, flüstere ich ihm während einer Umarmung ins Ohr.

Brandon beugt sich zu mir herunter und gibt mir einen Kuss. »Bis später«, raunt er mit dem schönsten Lächeln auf der Welt, bevor er in der Menge verschwindet.

Mit hochrotem Kopf komme ich in der Küche an und fahre mir seufzend über die nasse Stirn. Diese Hitze, die draußen auf der Tanzfläche von all den Leuten verursacht wird ist echt kaum auszuhalten. In der Küche ist es angenehm kühl und still. Ich atme einmal tief durch. Die Partymusik dringt bloß gedämpft bis hier.

Ich will mir schon ein Glas Wasser nehmen, als ich bemerke, dass jemand am Boden neben dem Kühlschrank an die Wand gelehnt sitzt.

Vorsichtig schreite ich zu der Person. Als ich nahe genug bin, erkenne ich, dass es sich um Liam handelt. Seine Augen sind halb geschlossen und in der rechten Hand hält er eine Flasche Jim Beam.

»Liam«, zische ich erschrocken.

»Hey, Candice«, murmelt er müde und grinst mir glasigem Blick entgegen. »Auch 'n Schluck?«

Ich schüttle den Kopf, setze mich aber neben ihn. »Was ist passiert?«, frage ich mit weicher Stimme.

»Kate interessiert sich nicht für mich, hab ich recht?«, fragt er mit leicht lallender Stimme.

»Weißt du, manchmal sollte es eben nicht sein«, sage ich weil mir nichts anderes einfällt.

»Nein, manchmal sollte es nicht sein.« Er lacht müde. »Das mit Kate und mir hätte ohnehin nicht lange gehalten«, zischt er dann und nimmt noch einen Schluck von seiner Flasche.

Ich lege einen Arm um ihn. »Eines muss ich dir aber lassen, du bist der beste Kerl, den Kate je hatte. Und es gibt so viele Mädchen an der Schule, die dir hinterherlaufen, glaub mir.«

»Danke, Candice.« Jetzt sieht er auf und lächelt. »Aber im Moment kann ich nur an Kate denken.«

Ich nicke. Aus Erfahrung weiß ich aber auch, dass Zeit alle Wunden heilt. Das will ich ihm schon sagen, aber dann denke ich, dass es sich anhört, als hätte ich es aus einem billigen Teenie-Film geklaut.

Nach einer Weile in der Küche mit Liam, kommt einer seiner Kumpels vorbei und nimmt ihn mit nach Hause. Er sollte mal besser seinen Rausch ausschlafen.

Ich trete wieder hinaus auf die feuchtwarme Tanzfläche und suche sie nach meinen Freundinnen ab.

Wen ich aber stattdessen verloren inmitten der Menge finde, kann ich kaum glauben.

»Candice, schenkst du mir diesen Tanz?«, fragt mich der Mann vor mir und schenkt mir ein warmes Lächeln.

»Dad«, flüstere ich. »Ich dachte...ich dachte, du wärst...«

Durch meine Tränen in den Augen kann ich eigentlich nichts sehen, aber trotzdem nicke ich. Am liebsten würde ich ihn nie wieder loslassen.

Es ist der perfekte Song für einen Vater-Tochter-Tanz und ich genieße es, in sein glückliches Gesicht zu blicken.

»Weißt du«, beginne ich dann, als ich all die Tränen weg geblinzelt habe »du wirst immer mein Dad sein.«

»Das weiß ich jetzt auch«, entgegnet er mit feuchten Augen. »Du bist meine Tochter, das wird immer so bleiben.«

So sehen wir uns für eine Weile einfach nur an und tanzen.

»Was hälst du davon, wenn wir uns mit dem Geld in Kalifornien niederlassen?«, frage ich dann plötzlich.

Die Augen meines Vaters leuchten. »Ich würde wirklich gern aus dieser Stadt verschwinden.«

Später, als es uns beiden zu heiß wird, treten wir auf die mit Lichterketten überzogene Veranda und mein Vater zündet sich eine Zigarre an.

»Auch eine?«, fragt er mich und ich nicke.

Kurz lodert das kleine Feuer auf, ehe ich einen tiefen Zug vom rauchigen Geschmack der Zigarre mache.

»Weißt du, deine Mutter hat mich enttäuscht. Aber du...du könntest mich nie enttäuschen.«

Ich will schon was erwidern, als Kate und Josephine plötzlich völlig aufgelöst auf die Veranda gestürmt kommen.

In dem Moment, als ich in Kates tränenüberströmtes Gesicht blicke, weiß ich, dass etwas nicht stimmt.

»Was ist passiert?«, hauche ich atemlos.

»Candice«, weint Josephine, »Brandon, er ist tot.«

Eine gigantische Schockwelle fährt in diesem Augenblick durch meinen Körper. Und dann fühle ich nichts mehr. Ich erstarre gefühlt zu Stein. Es ist ein Scherz, versuche ich mir einzureden. Diese Situation ist nicht real.

Aber als ich im nächsten Moment wieder aufsehe und die verlaufende Wimperntusche in Kates Gesicht erkenne, weiß ich, dass dies gerade die Wirklichkeit ist.

Leute, das ist das Ende dieser Folge. Aber es folgt noch ein Epilog

Greyforks | Staffel 2 || SerieWhere stories live. Discover now