Greyforks | Staffel 2 || Serie

2.5 ♌︎ Candice

»Hübsches Häuschen«, kommentiert Kate und pfeift, als sie mit dem Wagen ihres Vaters vor dem weißgestrichenen Einfamilienhaus hält.

»Kate, halt doch mal deinen Mund!«, zischt ihr Josephine zwischen zusammengebissenen Zähnen, die hinter ihr sitzt, ins Ohr.

Hätte ich an ihrer Stelle vielleicht auch gesagt, zumal Mary neben ihr auf dem Beifahrersitz Platz nehmen durfte. Eigentlich ist das immer Jos Platz gewesen, als wir zu dritt unterwegs waren.

»Das Haus sieht echt so aus, als wäre es aus einem Zeichentrickfilm«, stimmt Mary Kate zu und gluckst.

Ich bin froh, dass Josephine gleich aus dem Wagen, in die raue Nachtluft steigt. Diese unterschwellig fiesen Kommentare auf engem Raum halte selbst ich nicht lang aus. Ich ziehe mir den Reißverschluss meiner Greyforks-Baseballjacke enger nach oben. In diesem Moment sehne ich mich wirklich nach lauen Sommernächten.

»Sollten wir Logan nicht besser in der Schule folgen, als ihm hier vor seinem Haus aufzulauern?«, wirft Jo ein, als wir die Straße zum Grundstück der Zinners überqueren.

»Glaubst du, er wird in der Schule wirklich was Verdächtiges unternehmen?« Ich hake mich bei ihr unter, um sie etwas zu beruhigen.

»Ach, keine Ahnung.« Sie hält kurz inne und es wirkt, als wolle sie noch was sagen, aber dann entscheidet sie sich doch dagegen.

Wir können leicht bis zur Haustür vordringen, weil der weißgestrichene Stahlzaun nur angelehnt ist und auch keine Gartenlichter vorhanden sind, die uns hätten leicht entlarven können.

Plötzlich bemerke ich, dass Kate Josephines Fernglas in den Händen hält.

»Hey, ist das nicht meins?«, regt sich Jo im Flüsterton auf.

»Ich weiß nicht, was du meinst.« Kate zuckt gespielt unschuldig mit den Schultern und schmunzelt.

»Wenn du schon so frech bist, um es Jo auszuhängen, dann gib es mir wenigstens, damit ich auf diesen Baum hier klettern kann.« Ich deute auf einen hohe Eiche, die in einiger Entfernung hinter dem Gartenzaun eporragt, von der aus man aber einen wunderbaren Blick in Logans Zimmer hat. Außerdem macht es den Eindruck, als könne man sie durch die vielen Äste einfach besteigen.

»Du willst ernsthaft auf diesen Baum klettern?«, fragt sie mich etwas spöttisch.

»Sei froh, dass du nicht da rauf klettern musst«, weist Liam sie mit einem Grinsen zurecht.

Und als ich auf Kates Schuhe hinunterblicke, da fällt mir eine Sache auf. Sie trägt keine hohen Pumps mehr. Elegante Lackschuhe zieren ihren Fuß. Das muss etwas zu bedeuten haben, denn auf ihre heiß geliebten Stelzen verzichtet Kate nur während des Sportunterrichts und während dem Schlafen. Ich bin mir aber sicher, dass sie Nike Airs mit Absätzen sofort zum Opfer fallen würde. Schließlich will sie auch beim Training ellenlange Beine haben.

»Schau, in seinem Zimmer ist gerade das Licht angegangen.« Liam deutet mit dem Zeigefinger in den ersten Stock. »Beeil dich, sonst ist er wieder verschwunden.«

Ohne zu überlegen schnappe ich mir das Fernrohr aus Kates Hand und laufe aus dem Garten. Ich muss aufpassen, dass ich im Dickicht nicht stolpere. Schließlich ist es stockdunkel hier. Die Handytaschenlampe lass ich aus, um nicht erkannt zu werden.

Am Baum angekommen, hänge ich mir das Fernrohr um den hals und hebe meinen Turnschuh bis zum ersten Ast nach oben. Er ist jetzt doch höher, als ich anfangs gedacht habe.

»Mist!«, fluche ich, als ich beim ersten Versuch abrutsche. Als ich mich versuche, erneut hochzuziehen, gelingt es mir mit zitternden Armen. Die raue Rinde kratzt über meine Finger und ich fühle, wie sie mir beinahe ins Fleisch schneidet. Aber das ist mir im Moment völlig gleichgültig, ich will nur noch zwei Äste höher. Obwohl es so arschkalt ist, beginne ich in diesem Augenblick unter meiner Jacke zu schwitzen.