2.6 ☾ Josephine

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Als ich am Morgen unsanft vom Geräusch meines Handyweckers aus dem Schlaf gerissen werde, surrt mir der Kopf. Ich habe nicht gut geschlafen, bin andauernd aufgewacht. Erinnerungen an einen Traum von Logan geistern in meinem Kopf herum, aber mir kommt beim besten Willen nicht mehr in den Sinn, was dabei passiert ist.

Als ich mich schnell unter die Dusche gestellt und mich angezogen habe, laufe ich die polternden Treppen nach unten und begegne im Flur vor der Küche meiner Mutter.

»Guten Morgen, mein Schatz«, flötet sie mit leuchtenden Augen. Es macht mir etwas Angst, weil sie doch sonst nie so fröhlich ist. »Na, gut geschlafen?«

»Guten Morgen, ja, hab ich«, murre ich bemüht neutral, um sie nicht aufzuwühlen und schlürfe in die Küche, damit ich mir etwas von dem Toast mit Speck und Eiern nehmen kann.

»Iss schnell auf, draußen wartet eine Überraschung auf dich!« Sie steht hinter mir und klatscht voller Vorfreude in die Hände.

Schnell schlinge ich das Brot runter, das beim Abgang etwas in meiner Kehle kratzt, aber ich will auf keinen Fall, dass dieser Morgen in einem Drama endet. Ich trinke noch einen schluck Orangensaft hinterher und trete aus der Haustüre.

Als ich sehe, was in unserer Einfahrt steht, wäre mir beinahe wieder mein schnelles Frühstück hochgekommen.

»Na, was sagst du?«, ruft meine Mutter hinter mir begeistert aus.

Völlig baff und mit geöffnetem Mund blicke ich auf den nigelnagelneuen VW Beetle Cabrio in Mintblau.

»Der ist doch geliehen, hab ich recht?«, frage ich vorsichtig als ich mich zum strahlenden Gesicht meiner Mutter umgewandt habe.

»Aber nein, Schätzchen, das ist ein Geschenk«, kommt es aufgeregt von ihr. »Du kannst damit jetzt gleich in die Schule fahren.« Sie drückt mir einen harten Gegenstand in die Hand.

Als ich meine Faust öffne, befindet sich darin der Schlüssel des Autos, dessen Metall im Licht der frühen Morgensonne glänzt.

»Aber Mum, das kann ich nicht annehmen. Wir können uns das nicht leisten!«, protestiere ich und sehe mich hilfesuchend nach meinem Vater um.

»Ach, Josephine, jetzt mach dir um das Geld keine Sorgen. Du musstest so viel durchmachen, da werden wir dir wohl einmal eine Freude bereiten können.«

»Ich geh nur mal schnell rein«, entschuldige ich mich dann, »ich will Papa auch noch dafür danken.« Mit schlottrigen Knien betrete ich unser Haus, das so gar nicht zum Lifestyle dieses Gefährts in der Einfahrt passt und rufe nach meinem Vater. Ich finde ihn im Schlafzimmer, wo er gerade dabei ist, sich seine Krawatte für die Arbeit zu binden. Er arbeitet in einem Elektrofachhandel, bei dem er nicht ansatzweise so gut verdient, um seiner Tochter einen neuen Cabrio zu schenken — einfach so.

»Papa, ich glaube Mama ist völlig durchgedreht!«, berichte ich atemlos.

»Warum, was ist passiert?«, fragt er besorgt und zieht sich die Krawatte am Hals fest.

»Sie...sie hat mir ein Auto gekauft!«, platzt es beinahe panisch aus mir. »Einen neuen VW Beetle!«

»Was?!«, schnappt er hektisch. »Ist das wirklich wahr?«

»Er steht in unserer Einfahrt«, berichte ich mit zitternder Stimme und halte ihm den glänzenden Schlüssel hin.

Mein Vater setzt sich kurz an den unteren Rand des Doppelbetts und fährt sich mit beiden Händen durch die hellbraunen Haare. »Sie ist also wieder rückfällig geworden.«

Ich weiß genau, was er meint. Lauter überzogene Kreditkarten hätten einmal beinahe dafür gesorgt, dass wir unser Haus verkaufen mussten.

»Papa, ich hab Angst, dass wir den Wagen nicht mehr zurückgeben können«, flüstere ich. »Was, wenn wir deshalb endgültig unser Dach über dem Kopf verlieren?«

Greyforks | Staffel 2 || SerieWhere stories live. Discover now