3.3 ♌︎ Candice

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Ohne ein weiteres Wort zu Kate und Jo steige ich aus dem Wagen. Das Geräusch meiner Schuhsohlen breitet sich auf der mit Laternen beleuchteten Straße aus. Die Hände habe ich in den Taschen meiner Baseballjacke vergraben.

»Candice!«, schreit mir Kate hinterher. Das Echo ihres verzweifelten Rufs hallt durch die Nacht.

Doch ich höre nicht auf sie und schreite einfach weiter auf die Polizeistation zu. Hinter der Straßenecke taucht sie dann auch schon vor mir auf.

Das viereckige verglaste Gebäude und das Areal rundherum ist mit kaltem weißen Licht beleuchtet.

Wie betrunken torkle ich auf die Lichtquelle zu und fühle mich dabei wie eine triebgesteuerte Motte.

»Mein Name ist Candice Walker und ich möchte meine Mutter sehen«, erkläre ich schließlich der Dame hinter der verglasten Scheibe, die mich mit ihrer Brille etwas verwirrt mustert. Meine Stimme fühlt sich dabei ganz fremd an.

»Ich bin mir nicht ganz sicher...«, meint sie überlegend. Ihr blondierter Dutt zeigt bereits viel von ihrem braunen Ansatz.

»Ich will mir die Autopsiefotos meiner Mutter ansehen«, verdeutliche ich ihr, »Rose Walker war ihr Name.«

Die blonde Dame nickt und tippt dann etwas in ihren Computer. Ihr Ausdruck ändert sich von konzentrierter Mine zu einem Stirnrunzeln. Dann sieht sie zu mir auf. »Tut mir leid, aber eine Rose Walker befindet sich nicht in unseren Akten. Kann es sein, dass ihr Mädchenname angegeben wurde?«

Ein Schock durchfährt mich, weil mir plötzlich auffällt, dass ich ihren Mädchennamen vergessen habe. Verzweifelt schnappe ich nach Luft.

»Geht es Ihnen gut?«, erkundigt sich die Uniformierte und macht bereits Anstalten, von ihrem Bürostuhl aufzustehen.

Ich Stütze mich am schmalen Tisch vor der Glaswand ab. »Alles bestens«, gebe ich japsend von mir. Es ist so, als wäre da eine Barriere, die verhindern wollte, dass ich mir diese Fotos ansehe. Aber ich muss! Die Zeit ist gekommen.

Ich schließe meine Augen, weil ich merke, wie meine Tränendrüsen jucken. Ich denke an sie. An ihr Lachen. Ich habe alle Fotos von ihr auf den Dachboden geschleppt, zu schmerzlich war die Erinnerung an sie. Mit der Zeit ist ihre Gestalt, ihr Aussehen, vor meinem Inneren verblasst. Aber jetzt habe ich ihr Gesicht plötzlich klar vor Augen. Ich habe mich lange Zeit davor gedrückt, mir diese letzten Fotos von ihr anzusehen, doch jetzt ist es so weit.

»Rose Winter«, sage ich plötzlich und die Dame hinter der Verglasung blickt wieder etwas verdutzt auf, weil wohl einige Zeit verstrichen ist.

Dann aber beginnt sie wieder in die Tasten zu hauen.

Rose Winter, war ihr Name, sage ich mir in meinem Gedächtnis. Ein schöner Name, der ihrer Schönheit gerecht wurde.

»Ich brauche bitte einen gültigen Personalausweis, bevor sie mein Kollege in die Akten einführt.«

Ich schrecke hoch. »Klar...« Ich hole das Dokument aus meinem Rucksack und lege es durch den Schlitz in der Glasscheibe.

Die Polizeibeamte beäugt meinen Personalausweis und tippt dann vermutlich meinen Namen in den Computer. Kurz blickt sie etwas skeptisch. Vermutlich weil vermerkt ist, dass ich noch Sozialstunden abarbeiten muss.

»Einen Moment bitte, mein Kollege ist in zwei Minuten bei Ihnen.« Sie deutet auf einen Stuhl auf der Wand hinter mir, auf dem ich Platz nehme. Meine Hände vergrabe ich erneut in den Taschen meiner Baseballjacke, ganz so als würde ich frieren. Ich starre auf den fahlen grauen Fliesenboden.

»Miss Walker«, vernehme ich eine mir bekannte Stimme.

Ich blicke auf.

Es ist Officer Parker, der mich mit einem angedeuteten Schmunzeln mustert.

Greyforks | Staffel 2 || SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt