4.2 ♛ Kate

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»Verdammt, das müssen mehrere hunderttausend Dollar sein.« Candice lässt ihre Finger durch die Scheinbündel gleiten.

»Oh ja, und das Geld sieht nicht sauber aus.« Ich schütte den Kopf und versuche irgendeinen Zusammenhang herzustellen. »Woher, meinst du, kommt das Geld?«, stelle ich die Frage an Candice, um mir nicht mehr selbst den Kopf zermartern zu müssen.

»Wer mir als erstes einfällt, ist Eckstein. Gut möglich, dass es eine Falle von ihm ist.« Candice dreht sich zu mir um und reibt sich nachdenklich die Nase. »Eckstein wird uns immer einen Schritt voraus sein, nicht wahr?«

»Sieh mal da!«, rufe ich aus, ohne auf ihre philosophische Frage einzugehen. Ich deute auf einen Umschlag, der unter der Tasche klemmt, den wir bis dato noch nicht entdeckt haben.

Candice greift nach dem cremeweißen dicken Kuvert und öffnet es, was dieses typische Reibegeräusch verursacht. Sie zieht ein Stück zusammengefaltetes Papier heraus. Ich kann beobachten, wie ihre Pupillen fieberhaft über die Zeilen geleiten, die auf das Umschlagpapier gekritzelt wurden. Mit jeder Zeile werden Candice' Augen feuchter. Dann höre ich das klackende Geräusch einer Träne, die auf das Papier nieder klatscht.

»Candice, was steht in dem Brief?«, frage ich erschrocken nach. »Wer hat ihn geschrieben? War es Eckstein?«

Sie sieht mir mit ihren verweinten Türkisen entgegnen. Zwei dicke Tränen lösen sich aus ihnen und bahnen sich einen weg über ihre geröteten Wangen. »Nein, es war mein Vater.«

»Und was schreibt er?«, frage ich nach, obwohl ich Angst vor ihrer Antwort habe.

»Er ist weg«, krächzt sie tonlos. »Er wird nicht mehr wiederkommen.«

Ich gehe auf Candice zu und schließe sie in eine Umarmung. Unsere nasse Kleidung saugt sich aneinander fest und Candice schluchzt zitternd.

Als sie sich nach einer Weile wieder von mir löst, blickt sie mir mit wütenden Augen entgegen. »Daniel war bei meinem Vater. Ja, er muss hier gewesen sein. Er muss erst durch Kates Tor gekommen sein, als Josephine dein Haus verlassen hat.« Sie schüttelt verständnislos den Kopf. »Dieser Scheißkerl platzt einfach so in mein Leben und reißt alles nieder, was noch übrig geblieben ist...«

»Aber vielleicht ist er ja wirklich dein Vater!«, entgegne ich mit Nachdruck.

Candice schüttelt fieberhaft den Kopf. »Das...das glaub ich einfach nicht.«

»Und mich würde interessieren, was all das mit diesem Sack voller Geld zu tun hat«, bemerke ich, um Candice etwas von Daniel abzulenken und weil ich es wirklich gerne wissen würde.

»Es ist das Erbe meiner Mutter«, bringt sie nüchtern hervor. »Das steht hier in dem Brief.«

»Das erklärt einiges.« Ich nicke zustimmend.

»Aber das ergibt keinen Sinn, Kate!«, widerspricht mir Candice und fuchtelt beinahe verzweifelt mit dem Blatt Papier in ihrer Hand herum. »Ich glaube nicht, dass meine Mutter je so viel Geld besessen hat und wenn doch, dann hätten wir uns damals eine neue Heizung leisten können, als die ausgelaufen ist. Wir hätten uns ein neues Auto leisten können, als das von Mum andauernd Probleme hatte. Verstehst du? Das passt alles nicht zusammen.« Candice setzt sich entmutigt auf das Bettende, vergräbt die Augen in ihren Handflächen und beginnt zu schluchzen.

Ich setze mich vorsichtig neben sie und lege einen Arm um ihre Schulter. Schon krass, wie sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden so viel verändern kann.

Erst hat sie erfahren, dass ihre Mutter dem Chester's Clan angehört hat, dann dass ihre Mutter ein Verhältnis mit einem anderen Mann hatte und jetzt, dass dieser Mann auch noch ihr leiblicher Vater sein soll. Candice wurde gestern und heute sprichwörtlich der Boden unter den Füßen weggezogen.

Greyforks | Staffel 2 || SerieWhere stories live. Discover now