Schlangenzunge (Vanessa & Grima)

20 5 2
                                    


Vanessa waren die Geschichten bekannt, die man sich über den Fremden erzählte. Es hieß, er wäre ein Held, der ganz allein ein großes Heer Orks in den Tod gelockt hätte - manche sagten aber auch, er wäre ein Betrüger; und das Pferd hätte er geklaut und König Théodens Gunst sei auf hinterhältige Art und Weise erworben. So oder so, Vanessa war bereit, die Wahrheit herauszufinden.

Die hölzernen Flure lagen still vor ihr. Zu dieser späten Stunde wurde keine Dienerin gerufen. Sie war allein. Lautlos schlich Vanessa an den Türen vorbei und erreichte schließlich den Raum, in dem man den Fremden untergebracht hatte. Sie holte tief Luft, richtete sorgfältig Haare und Kleid. Nur Mut. Dann klopfte sie vorsichtig gegen die Tür.

"Guten Abend, schöne Maid.", ein Mann öffnete ihr und lächelte sie an. Vanessa wich für einen kurzen Moment zurück, dann tat sie, als habe sie sich nicht vor dem Lächeln des Gastes erschreckt. Es war falsch und kalt, aber seine Stimme... Die Art, wie er seine Worte wählte, ließ sie die Vorsicht vergessen. "Wer seid Ihr?", fragte sie ohne zu zögern und schaute ihn streng aus ihren braunen Augen an. "Mein Name ist Grima. Ich bin der ergebenste Ratgeber deines Königs, der völlig unverdient zu dieser Ehre kam. Kommt doch herein. Es ist eine Schande, so ein hübsches und freundliches Mädchen wie dich draußen stehenzulassen." Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr, einzutreten. "Danke." Schnellen Schritts überquerte sie die Türschwelle. Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. "Setz dich,... Wie war dein Name?", mit einem sanften, angenehmen Unterton in der Stimme redete er leise auf sie ein. "Vanessa. Ich habe meinen Namen noch gar nicht gesagt gehabt.", erwiderte sie entschieden. Grima lachte. "Verzeih, mein Fehler. Erzähl mir doch etwas über dich - es ist eine schöne Zeit, um sich zu unterhalten.", forderte er sie auf.

Als Vanessa einige Stunden später wieder den Weg zu ihrer Kammer anstrebte, fühlte sie sich verunsichert, aber auch geschmeichelt. Grima war ein Gesprächspartner, dem man gerne zuhörte. Freundlich, zurückhaltend und zuvorkommend verhielt er sich - kein Wunder, dass der König seine Gesellschaft schätzte. Gleichzeitig jagte ihr sein Gesicht Angst ein. Es war ein bisschen so, als sei er nur darauf aus, ihr die Worte im Mund herumzudrehen, um sie schließlich um den Verstand zu bringen. Und auch den kalten, grausamen Glanz in seinem Augen konnte sie nicht vergessen.

Nein, Vanessas Besuch hatte keine Fragen beantwortet. Es waren nur neue Rätsel hinzugekommen. Wer war dieser Fremde?

Auch am nächsten Abend suchte die junge Frau den geheimnisvollen Helden auf. Und am Abend danach. Langsam schwand ihre Angst vor Grima. War er nicht ein guter Mann; eine treue helfende Hand für den kürzlich erkrankten König? Und niemals war er schlecht zu ihr gewesen. "Es ist töricht, ihm zu misstrauen.", stellte sie fest, während sie der Nichte des Königs die Haare flocht. Eowyn saß schweigend auf dem gepolsterten Hocker. "Findet Ihr das nicht auch?" Die Blonde antwortete nicht. Erst nach langer Zeit, als Vanessa sich mit einer Verbeugung verabschiedete, sagte sie: "Ich möchte nicht, dass Ihr weiterhin meine Zofe seid."

~

Vanessa wusste, dass es gefährlich war, Grima zu folgen. Théoden hatte ihn verbannt. Und trotzdem musste sie ihm folgen. In der Dämmerung stahl sie sich aus dem Tor und verschwand in der Riddermark.

Die Orks fanden sie in der Nacht


Geschrieben von luezia

Craziest StoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt