Kapitel 33

13.8K 637 167
                                    

Nachdem ich mir im Spiegel die verschmierte Wimperntusche entfernt habe, herrscht im Fahrstuhl die Stille. Die Türen öffnen sich wenige Augenblicke nach dem Klingeln. Ich hebe meinen Tüllrock an, damit ich nirgendswo hängen bleibe, jedoch lasse ich ihn wieder fallen, als ich die teilweise zerrissene Zeitung auf dem Boden sehe. Sebastians Gesicht ist in zwei geteilt. 'Sohn von Hamilton & Sons Inc. Inhaber schlägt Studenten das Gesicht blutig.' kann ich noch auf dem geteilten Titelblatt erkennen, als ich das, was noch von der Zeitung übrig ist aufhebe. Es ist sogar ein Bild von den Verletzungen des Jungen drauf, den Sebastian angegriffen hatte. Während Damien sich ein Glas Wein einschenkt, lese ich mir den Artikel durch. Zwar bin ich noch nicht wirklich schnell im Lesen, aber ich werde besser.

In keinem einzigen Satz steht etwas von den Dingen, die der Typ über Kyra geäußert hatte. Nun verstehe ich, warum man es 'Klatschpresse' nennt, denn die Autoren dieses Artikels hätte aufgrund mangelnder Recherche einen Klatsch ins Gesicht verdient. Na ja... ich weiß, dass das nicht ganz stimmt, aber verdient hätten sie es trotzdem.

"Ist das der Artikel?", höre ich Damiens Stimme aus der Küche fragen und ich antworte ihm mit einem entsetztem 'Ja'.

"Typisch...", meint auch Damien, als er den Artikel gelesen hat und abermals das Glas mit dem roten Zeug zu seinem Mund führt. Ich erschaudere bei der Erinnerung an den Geschmack. "Nichts als Lügen."

"Was wird das nun für eure Firma bedeuten?" Dies war eine der vielen Fragen, die ich mir während der Autofahrt hierher in Gedanken formuliert habe. Damien schüttelt mit dem Kopf, aber er braucht eine Weile, bis er es schafft, mir zu antworten.

"Schlechte Presse ist immer ein Nachteil. Das wird uns wahrscheinlich einige Kunden kosten. Besonders wenn morgen noch ein weiterer Artikel veröffentlicht werden sollte." Ich denke über das nach, was er mir vorhin gesagt hatte, als wir auf das Auto gewartet hatten. So viele Menschen wissen nun von meiner Vergangenheit. So viele einflussreiche, wohlhabende Menschen in hohen Positionen -- und bald ganz Groß Brittanien, wenn der Artikel tatsächlich erscheinen sollte.

"Deine Mom hatte heute Abend die ganze Zeit mit Juleya geredet. Das fand ich eigenartig.", gebe ich zu und spreche ein weiteres Thema an, welches mir durch den Kopf geht. Zögernd schaue ich zu Damien auf, tief in seine blauen Augen, die mich unentschieden mustern. "Und nachdem Juleya ihre Ansprache gehalten hatte, wirkt sie ganz und gar nicht überrascht." Angewidert schüttelt er nun wieder seinen Kopf.

"Sie kann es einfach nicht lassen. Überall steckt sie ihre Nase hinein." Damien nimmt den letzten Schluck seines Weins und dreht sich um. Die Zeitung landet im Mülleimer neben dem Tresen, das Glas stellt er neben die Spüle, bevor er sich das Jackett auszieht und die Arme auf der Küchentheke abstützt. Ich lehne mich gegen eine der Säulen und der kalte Marmor jagt mir eine Gänsehaut über die empfindliche Haut. "Eigentlich überrascht es mich wenig, dass sie soetwas tun würde -- meine Mutter meine ich. So war sie schon immer, und wahrscheinlich wird sie so auch immer bleiben." Während er redet, entscheide ich mich dazu, ihm zu folgen, lehne mich gegen seine Schulter und streiche mit den Fingern über seinen angespannten Arm. Damien neigt den Kopf zu mir und sieht mich an. In seinem Gesicht erkenne ich eine Mischung aus Hass und Schmerz. "Als Kyra gestorben war, da hatte sie nichts Besseres zu tun als mich mit Fragen zu bombadieren. Nur, weil sie sie seit Wochen nicht mehr gesehen hatte." Damien hatte mir schon mal erzählt, dass seine Mutter nie für ihre Kinder dagewesen wäre. Er musste sich um Sebastian und Keira kümmern, damit sie nicht zu sehr von den Nannys abhängig werden -- wie Damien damals. Dass sie aber so herzlos ist und Damien nach dem Tod seiner kleinen Schwester mit Fragen ausquetscht -- das hätte ich mir selbst für ihre Verhältnisse nicht vorstellen können. "Jedoch sind ihre Fragen keine wirklichen Fragen, sondern lediglich verpackte Anschuldigungen und Schuldzuweisungen."

The Rain Upon Us (Damien & Birdie - Trilogie #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt